Zwei Mal Rot in Dortmund
14. Oktober 201625 - 18, 20, 22, 28 - 21, 26 - 19, 24, 18 - 27. Um das Zahlenrätsel zu lösen: Das ist die Aufstellung von Borussia Dortmund gegen Hertha BSC in Jahren. Der BVB ging beim 1:1 (0:0) mit der drittjüngsten Startelf seiner Bundesliga-Geschichte gegen den Tabellenzweiten aus Berlin auf den Platz. Dortmunds-Trainer Thomas Tuchel war einerseits verletzungsbedingt gezwungen, in der Defensive drei Stammspieler zu ersetzen, andererseits schonte er andere Profis wie Ousmane Dembélé und Marc Bartra offensichtlich für das kommende Champions-League-Spiel bei Sporting Lissabon. So kam der erst 20 Jahre alte Mikel Merino zu seinem Debüt in der höchsten deutschen Fußballliga.
Die hochtalentierten jungen BVB-Spieler spielten motiviert und auch spielbestimmend, vor dem Strafraum passten sie aber zu ungenau. Die routinierten Spieler von Hertha BSC standen hinten taktisch diszipliniert und versuchten, mit langen Bällen zu Torchancen zu kommen. Ein Spitzenspiel war es - auf dem Papier: Der Tabellendritten spielte gegen den -zweiten. Zudem trafen die beiden besten Torjäger aufeinander: Pierre-Emerick Aubameyang und Vedas Ibisevic mit je fünf Toren bisher. Der Gabuner fand jedoch überhaupt nicht ins Spiel. Auch Mario Götze spielte deutlich unter seinen Möglichkeiten. Und so gingen die Teams mit einer Nullnummer in die Kabinen.
Umso mehr passierte in der zweiten Halbzeit: Keine sechs Minuten nach Wiederanpfiff waren die 80.000 im Dortmunder Stadion still. Nur ein paar Blau-Weiße jubelten: Nach einem Einwurf lenkte Ibisevic den Ball mit der Hacke weiter, Valentin Stocker lief allein auf Dortmunds Torwart Toman Bürki zu und schoss aus acht Metern ins Torwarteck (51. Minute) - die Führung für die Gäste. Dann endlich war Aubameyang im Fokus. In der 65. Minute steckte Dembele für den Stürmer durch. Der lupfte den Ball über Berlins Torwart Rune Jarstein, der den Ball noch mit den Fingerspitzen an den Pfosten lenkte.
Aubameyang hatte kurz darauf eine noch bessere Tormöglichkeit: Nach einem Handspiel durfte er vom Elfmeterpunkt ran (76.). Aber Jarstein hielt den schwach geschossenen, flachen Ball. Es war offensichtlich nicht das Spiel von Aubameyang. Oder doch? Debütant Merino spielte einen tollen Pass auf Dembele, der wiederum über links flach reinflankte. Im rechten Fünfmetereck rutschte dann Aubameyang in den Ball zum 1:1 rein (80.).
Dann wurde das Spiel nickelig und zerfahren: Sebastian Langkamp umklammerte wie ein Ringer Emre Mor über mehre Meter, offensichtlich gar nicht interessiert, an den Ball zu kommen. Entnervt schubste Mor den Gegner weg. Der ließ sich theatralisch fallen: "Ich hab mich von der Stimmung anstacheln lassen", bemerkte der Abwehrspieler nach der Partie zum Fernsehsender Sky. Langkamp sah daraufhin die Gelbe Karte, Mor die Rote (84.). "Es war übertrieben, wie ich reagiert habe. Das tut mir leid. Die Rote Karte war nicht fair", kommentierte er weiter.
Ganz klar war dagegen die Entscheidung in der letzten regulären Minute: Stocker grätschte im Mittelfeld mit Anlauf hinten in Matthias Ginter rein (90) - zu dieser Zeit auf dieser Höhe vollkommen kopflos. "Er ist auch im Training oft übermotiviert", sagte Hertha-Coach Pal Dardai dazu. "Er wird aus dem Fehler lernen." Mit Zehn gegen Zehn ging es in die hitzige Nachspielzeit, die Schiedsrichter Patrick Ittrich nach fünf Minuten endlich abpfiff.
"Für die Fans war es ein schönes Spiel. Das war Männerfußball, viele Zweikämpfe, ich mag sowas", meinte Dardai. Tuchel, sein Gegenpart in Dortmund, hatte zuvor noch die allgemeine Zweikampfhärte gegenüber seinem Team kritisiert und erklärte, dass sein Team bei "drei von sechs Bundesligaspielen 20 oder mehr Fouls hinnehmen" müsse. Das sei für ihn eine Grenze. Die wurde in diesem Topspiel wieder übertroffen. 13 BVB-Fouls stehen gegenüber den 22 seitens der Berliner. Die Diskussion geht wohl weiter.