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Zverev: Zurück in die Zukunft

17. November 2019

Bei den ATP-Finals in London feierte Alexander Zverev vor einem Jahr seinen größten Erfolg als Tennis-Profi. Ein Jahr später machte er als Außenseiter eine gute Figur und beendete eine schwere Saison versöhnlich.

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French Open  Ymer vs  Zverev
Bild: picture-alliance/dpa/C. Ena

In London kann man sich ganz gut ablenken. Alexander Zverev war in der vergangenen Woche etwa beim Champions-League-Spiel zwischen dem FC Chelsea und Ajax Amsterdam - und wurde bei dem spektakulären 4:4 bestens unterhalten. Ohnehin dürfte der beste deutsche Tennisspieler ganz gern im November in die britische Hauptstadt kommen, schließlich verbindet er gute Erinnerungen mit der Metropole. Ein Jahr ist es her, dass er die ATP-Finals gewonnen hat, seinem bisher größten Triumph seiner Karriere. Zwar verpasste er bei seiner Rückkehr die Titelverteidigung, machte als Außenseiter aber dennoch eine gute Figur. Nach einer durchwachsenen Saison spät in die Gänge gekommen, schlug er im Auftaktmatch Rafael Nadal und verlor anschließend gegen Stefanos Tsitsipas. Durch einen Erfolg gegen Daniil Medwedew kämpfte er sich noch ins Halbfinale, wo er durch eine Niederlage gegen Dominic Thiem das Finale aber verpasste

 Vor einem Jahr,  war Zverev die Nummer drei der Weltrangliste und die Welt um ihn herum völlig intakt. Nicht wenige Experten meldeten sich spätestens nach dem Titelgewinn von London zu Wort und kündigten an, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis Alexander Zverev die Nummer eins sein würde. Doch wie eigentlich immer im Sport ist nichts so unvorhersehbar wie die Zukunft. Was nach dem krönenden Abschluss folgte, war ein Tennisjahr, dass sich wohl niemand so schwer vorgestellt hätte - am wenigsten Zverev selbst.

Zverevs Überforderung

Da war die nicht gerade problemlose und langwierige Trennung von seinem langjährigen Manager Patricio Apey, die einer Schlammschlacht ähnelte, und die Zverev viele Nerven und auch Kraft gekostet hat. Neben der psychischen Belastung musste sich der 22-Jährige plötzlich auch um Pflichtaufgaben wie Flug- und Hotelbuchungen sowie Turnier-Meldungen kümmern, die ihm zuvor allesamt abgenommen wurden. Auch mit dem im August 2018 hinzuverpflichteten Trainer Ivan Lendl ging es irgendwann im Laufe dieses Jahres nicht weiter, nachdem sich beide eine Auszeit voneinander genommen hatten, was sie so allerdings nicht öffentlich verkündeten. Zverev und Lendl hatten offenbar zu unterschiedliche Ansichten, wie die spielerische Zukunft des deutschen Spitzenspielers aussehen könnte.

Hinzu kam, dass Zverevs Vater, der ihn seit frühester Kindheit als Trainer begleitet, für längere Zeit im Krankenhaus bleiben und behandelt werden musste. All das schlug auf das Gemüt des deutschen Spitzenspielers und ließ ihn den Fokus auf seinen Sport verlieren. Mehr als einmal klagte Zverev öffentlich in Interviews unverhohlen darüber und zeigte, wie überfordert er mit dieser Situation war. Und diese zusätzliche Belastung führte dazu, dass er irgendwann die Kontrolle über sein Spiel verlor. Das ging soweit, dass er bei einem Match in Cincinnati 20 Doppelfehler servierte - die Wucht seines Aufschlags war in der Vergangenheit aber eher eine seiner großen Stärken. Zverev schien zwischenzeitlich sich selbst verloren zu haben, auch die scheinbar einfachsten Dinge wollten nicht mehr klappen.

Boris Beckers Kritik

Irgendwie hat Zverev am Saisonende doch noch die Kurve bekommen und sich im Oktober über das Erreichen des Halbfinals in Peking und die Finalteilnahme in Shanghai für das Feld der acht besten Tennisprofis in London qualifiziert. Doch die Kritik bleibt. Vor allem Boris Becker, Männer-Tennischef des Deutschen Tennis Bundes (DTB), kritisierte zuletzt häufiger, dass er eine Stagnation in der Entwicklung Zverevs feststellt.

Boris Becker will Alexander Zverev antreiben
Boris Becker will Alexander Zverev antreibenBild: Reuters/N. Hall

Vor allem bei den Grand-Slam-Turnieren schöpfe Zverev sein Potential immer noch nicht aus. Tatsächlich ist eine Viertelfinal-Teilnahme bei den French Open von Paris in diesem Jahr ist seine bisher beste Leistung. "Er muss kapieren, dass er sich verbessern muss. Die Gegner haben sich an sein Powerspiel gewöhnt, er muss andere Elemente in seinem Spiel finden", sagt Boris Becker im Interview mit Eurosport. Zverevs Positionierung auf dem Platz, seine geringer Variabilität im Spiel sind wesentliche Kritikpunkte Beckers, der Deutschlands derzeit besten Tennis-Profi beim Training in London besuchte und ihn während des Turniers unterstützt wird.  

Zverev wird mittlerweile von "Team 8", der Agentur von Roger Federer betreut, Vater Zverev sitzt wieder gesundheitlich genesen bei den Spielen seines Sohnes am Spielfeldrand. Um Reisebuchungen und andere administrative Dinge muss er sich nun nicht mehr selbst kümmern. Zverev, derzeit die Nummer sieben in der Welt, kann sich wieder voll auf seinen Beruf konzentrieren. "Ich hatte ein schwieriges Jahr", sagte er bei der Auslosung der Final-Gruppen der besten acht Spieler des Jahres: "Aber ich habe es geschafft, mich zu qualifizieren und bin sehr glücklich, hier zu sein."

Das Turnier in London war ein versöhnlicher Jahresabschluss und es macht Hoffnung, dass das kommende (Tennis-) Jahr wieder das des Alexander Zverev werden könnte.