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Zum Geben und Nehmen nach Washington

Vladimir Müller28. Juli 2003

Nach dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmud Abbas ist nun Israels Regierungschef Ariel Scharon nach Washington gereist. US-Präsident George W. Bush wartet dort mit kritischen Fragen auf ihn.

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Streitpunkt in Nahost: die Sicherheits-Mauer zwischen Israel und der WestbankBild: AP

Auf den ersten Blick könnte Mahmud Abbas mit seinem Washington-Besuch am Freitag (25.7.2003) zufrieden sein: Einen überaus freundlichen Empfang genoss er sowohl bei wichtigen Kongress-Mitgliedern, als auch im Weißen Haus. Lobende Urteile begleiteten den palästinensischen Ministerpräsidenten bei seinem ersten offiziellen Besuch beim US-Präsidenten auch in den Medien. Am Ende sagte Bush sogar, dass er wie Abbas den Bau der Mauer, die Israel um das Westjordanland baut, als ein Problem sehe.

Erleichterungen

Fast zeitgleich entschied die Regierung in Jerusalem über Erleichterungen für die seit über einem Jahr fest im Griff der israelischen Armee lebenden Palästinenser: Zwei Straßensperren in Ramallah werden abgebaut, die Straße zwischen Hebron und Dschenin für Palästinenser freigegeben. Durch 8500 zusätzliche Erlaubnisse sollen wieder mehr Palästinenser in Israel arbeiten können. Die für die Palästinenser bestimmten Steuergelder werden freigegeben. Und: Israel will noch in dieser Woche 540 Gefangene freilassen, darunter auch solche, die für terroristische Aktivitäten verurteilten wurden.

Abbas und Bush
Mahmud Abbas (l.) und George W. BushBild: AP

Sowohl der rote Teppich in Washington als auch die gut getimte Ankündigung in Jerusalem über Erleichterungen sind aber für Mahmud Abbas (Foto) kaum mehr als eine nette Geste. Die Palästinenser vermissen vor allem, dass Israel seine Verpflichtungen aus der Roadmap, der "Straßenkarte zum Frieden", erfüllt. Die Außenposten der jüdischen Siedlungen auf den besetzten Gebieten sind nur im Ansatz geräumt worden, von einem Siedlungsstopp kann keine Rede sein. Und auch die israelische Armee macht keine Anstalten, sich auf Positionen vor dem Ausbruch der zweiten Intifada 2000 zurückzuziehen - obwohl dies so in der Roadmap vorgesehen ist.

Beschwerden im Gepäck

Zweifellos sind die Erleichterungen, die Israels Ministerpräsident Ariel Scharon bekannt geben ließ, noch nicht jene "schmerzlichen Zugeständnisse", von denen er selbst schon so oft gesprochen hat. Neben den zwei freigegebenen Checkpoints bleiben noch dutzende Straßensperren bestehen, die das Leben der Eingeschlossenen unerträglich machen. Und ein paar tausend zusätzliche Arbeitserlaubnisse werden der schwer angeschlagenen palästinensischen Wirtschaft auch nicht viel helfen.

Wahlen in Israel Ariel Scharon
Israels Premier-Minister Ariel Sharon (Archiv)Bild: AP

Doch auch Scharon (Foto) wird in seinem Gepäck nach Washington Beschwerden mitbringen und diese bei seinem Gespräch mit Bush am Dienstag (29.7.2003) vortragen: Die radikalen Islamisten auf palästinensischer Seite haben bisher nur einem auf drei Monate begrenzten Waffenstillstand zugestimmt. Der Nahost-Friedensplan aber sieht einen uneingeschränkten Gewaltstopp vor. Nicht realisiert wurde auch die Verpflichtung der Autonomie-Behörde, die Radikalen zu entwaffnen. Die israelische Regierung fragt daher: Warum weitere Zugeständnisse machen, wenn der gegenwärtige Waffenstillstand vielleicht nur ein taktisches Manöver ist?

Bushs Hausaufgaben

Eine Menge unerledigter Hausaufgaben auf beiden Seiten und ein nach wie vor vorherrschendes gegenseitiges Misstrauen zwischen ihnen - das ist die Problemkonstellation, mit der sich George W. Bush herumplagen muss, wenn er es mit seiner Makler-Rolle im Nahost-Konflikt ernst meint. Allgemein erwartet wird, dass der US-Präsident Protest gegen Israels "Sicherheitszaun" anmeldet, einer zum Teil acht Meter hohen Mauer, die keineswegs die Grenzen von 1967 nachzeichnet, sondern tief in das Palästinenser-Gebiet hineinreicht. 145 von knapp 400 Kilometern des Zauns sind bereits fertig gestellt.

Möglicherweise könnte Scharon aber gerade hier tatsächlich Kompromisse machen. Die Kosten für die Mauer sind enorm hoch und ihr Nutzen wird selbst in Israel in Frage gestellt. Scharon könnte theoretisch also ohne großen Gesichtsverlust einen eventuellen Baustopp ankündigen - allerdings wird er dies wohl erst dann tun, wenn die radikalen Palästinenser endgültig der Gewalt abgeschworen haben. So wird der Ball zurück an Mahmud Abbas gespielt und die Zeit vergeht. Dabei wird bereits Anfang August 2003 im palästinensischen Parlament über die Regierung Abbas abgestimmt. Mit der bisherigen mageren Ausbeute aus Washington könnte es für ihn eng werden.

Vertrauen bilden

Nach 34 Monaten Intifada und dutzenden Selbstmord-Attentaten setzen die Israelis ihrerseits auf vertrauensbildende Maßnahmen, die naturgemäß Zeit kosten. Da ist kein rasches Handeln möglich, wenn Angst vor Terror und aufgestaute Aggressionen abgebaut werden sollen. Andererseits ist rasches Handeln jedoch erforderlich, wenn die Lebensverhältnisse der Palästinenser in den besetzten Gebieten verbessert werden sollen. Nur dann können den radikalen palästinensischen Gruppen weitere Aktivisten entzogen werden.

Dieser Widerspruch kann nur durch eine sorgfältig austarierte Vermittlungspolitik aufgelöst werden, die die Bedürfnisse beider Konfliktparteien im Auge behält und gleichzeitig Fortschritte erzielt. Für George W. Bush ist das eine Herausforderung. Der Waffenstillstand hält noch. Deshalb ist Scharon jetzt am Zug, weitere Zugeständnisse zu machen. Es kommt nun auf den US-Präsidenten an, entsprechenden Druck auszuüben.