Zukunftsangst auf sieben Quadratmetern
Nicht allein die Sorge um Freiheitsrechte führte zuletzt zu massiven Protesten junger Menschen in Hongkong. Die Wut gilt auch immer höheren Preisen in der Mega-City. Von einem eigenen Zuhause können viele nur träumen.
In den Schluchten der Mega-Stadt
7,5 Mio. Menschen auf elf Quadratkilometern: Hongkong ist eine der dichtest besiedelten Städte der Welt - und eine der teuersten. Unter jungen Hongkongern wachsen darüber Frust und Wut. Thomas Peter, Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters, hat junge Menschen in den Wohnungen ihrer Eltern besucht und mit ihnen über nicht nur politische Sorgen in der chinesischen Sonderverwaltungszone gesprochen.
"Noch sind wir hier und kämpfen"
Die 22-jährige Filmstudentin Zaleena Ho bewohnt ein Sieben-Quadratmeter-Zimmer im Apartment ihrer Familie in Hongkong. "Politisch wird es immer schlimmer", sagt sie. "Die meisten von uns riskieren alles, um zu bewahren, was wir uns erkämpft haben." Und sie selbst? "Ich habe auch einen US-Pass. Wenn es richtig schlimm wird, werde ich abhauen. Aber noch sind wir hier - und kämpfen."
Frust bis unter die Decke
Er glaubt nicht mehr an die Chance auf ein eigenes Zuhause, sagt Fung Cheng. Der 25-Jährige lebt auf nur fünf Quadratmetern in einer Wohnung mit seinen Eltern und seinem Bruder. Frustriert blickt der Grafikdesigner auch auf die "Wahl" von Gouverneurin Carrie Lam durch ein von Peking genehmigtes Gremium. "Sie müssen das Volk gar nicht fragen, wer regieren soll. Wir haben hier keine Demokratie."
Comic ohne Superhelden
Sonic Lee, 29, lebt auf sechs Quadratmetern im Apartment seiner Mutter. Den Musiker erinnert der Kampf gegen Chinas wachsende Macht an einen Marvel-Comic. "Nur gibt es hier keine Superhelden. Viele kleine Leute müssen zusammenstehen, um Großes zu bewirken", sagt Lee: "Ja, ich habe Angst, eines Tages bestimmte Bücher nicht mehr lesen oder bestimmte Lieder nicht mehr singen zu dürfen."
Unterdrückung nicht nur durch Peking?
Die Sorge um eine zunehmende Kontrolle durch Peking laste auf dem Freiheitsgefühl der Hongkonger, sagt auch die 30-jährige Eunice Wai. Auch die Grundschullehrerin hat nur ein acht Quadratmeter großes Zimmer zur Verfügung - in einem Apartment, das sie sich mit ihren Eltern und ihrem Bruder teilt. Aber nicht nur die Sorge vor Peking treibt sie um. Sie beklagt auch eine ungerechte Wohnungspolitik.
Hängen gelassen
"Die Reichen werden nur noch reicher", sagt Eunice Wai mit Blick auf den Immobilienmarkt ihrer Heimatstadt Hongkong. Der Wohnungsbau sei eines der größten Probleme, so Wai: "Wir haben so wenig Platz in Hongkong und normale Leute können sich kaum noch eine Wohnung leisten. Die Immobiliengesellschaften kontrollieren den Markt."
Sorge um Hongkongs Identität
Dass er auf fünf Quadratmetern in der Wohnung seiner Eltern lebt, ärgert auch den 23-jährigen Selbständigen Peter Chang. Vor allem aber empört ihn ein Einwanderungsprogramm, mit dem Peking täglich bis zu 150 Festlandchinesen in Hongkong ansiedele. "Sie versuchen, unsere Identität zu verwässern," glaubt Chang. Diese Taktik habe China bereits in Tibet und Xinjiang verfolgt.
Banger Blick in die Zukunft
"Es ist sehr beängstigend", sagt auch Jurastudentin Ruby Leung mit Blick auf die Zeit ab 2048. Für die ersten 50 Jahre nach der Rückgabe durch Großbritannien hatte China der ehemaligen Kronkolonie Autonomie versprochen. "Doch was passiert dann?", fragt die 22-Jährige. "Werden sie uns einfach eingliedern, wie einen x-beliebigen Bezirk in [der festlandchinesischen Nachbarprovinz] Shenzhen?"