Zu viel Geheimniskrämerei
19. März 2003Es sollte ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sein, als die Bundesregierung, der Bundesrat und der Bundestag Anfang 2001 einen Antrag auf Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) bei den Richtern in Karlsruhe vorbrachten. Nun haben die Verfassungsrichter das Verfahren gestoppt. Am Dienstagmorgen (18.3.2003) erklärte der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe das Verfahren für beendet.
Schwere Verfahrensfehler
Grund für das Ende des Prozesses ist ein schwerer juristischer Fehler des Bundesinnenministeriums. Kurz vor Beginn der Verhandlungen im Januar 2002 war bekannt geworden, dass ein langjähriger NPD-Führungsfunktionär für den Verfassungsschutz als Spitzel gearbeitet hatte. Seine Schriften und Aussagen hatte das Bundesinnenministerium als Beleg für die verfassungsfeindliche antisemitische Gesinnung der Partei angeführt.
Die Richter in Karlsruhe werteten dies als einen herben Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze und stoppten das NPD-Verfahren daraufhin. Anberaumte Verhandlungen für Februar 2002 wurden ausgesetzt. Eine letzte Chance zur Klarstellung gab es im Oktober vergangenen Jahres. In einer Anhörung räumte das Bundesinnenministerium ein, dass weitere Zeugen ebenfalls für den Verfassungsschutz tätig seien. Ihre Identität wollte man allerdings nicht preisgeben, um die Betroffenen zu schützen.
Jeder siebte in der NPD-Führung ein V-Mann
Neu ist die Arbeit mit V-Männern nicht. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind in den vergangenen Jahren und auch heute noch mehr als 30 der etwa 200 NPD-Vorstandsmitglieder in Bund und Ländern für den Geheimdienst tätig. Allerdings hätten die Richter in Karlsruhe darüber informiert werden müssen, in welchem Auftrag angebliche Zeugen handelten. Außerdem sei die Beobachtung einer Partei durch V-Leute auf Vorstandsebene unmittelbar vor und während der Durchführung eines Verbotsverfahrens "unvereinbar mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren", heißt es in der Urteilsbegründung der Karlsruher Richter.
Das Grundgesetz erlaubt ein Parteienverbot nur in bestimmten Fällen. In der Geschichte der Bundesrepublik hat es bislang nur zwei Parteienverbote gegeben. 1952 wurde die Sozialistische Reichspartei (SRP) für verfassungswidrig erklärt. Ihr wurde zur Last gelegt, Gedankengut der NSDAP weiterzutragen und somit die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu gefährden. Vier Jahre später wurde ebenfalls die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten.
Die NPD wurde 1964 gegründet. In den 1960er Jahren war die Partei in mehreren Landtagen vertreten. 1968 erzielte sie in Baden-Württemberg mit 9,8 Prozent ihr bestes Wahlergebnis, scheiterte aber ein Jahr später bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde. Besonders in den 1990er Jahren hatte die NPD regen Zulauf. Zwischen 1996 und 2001 verdoppelte sich die Zahl ihrer Mitglieder nahezu und stieg von 3.500 auf 6.500. Immer wieder erregte die Partei Auffsehen mit Demonstrationen, auf denen offen fremdenfeindliche und antisemitische Propaganda betrieben wurde.
Rechtsruck befürchtet
Nach dem Scheitern des Verfahrens warnen Experten bereits vor einem Rechtsruck: "Die Unzufriedenheit mit der Politik und die zunehmend gespürte Armut in Deutschland muss sich artikulieren. Wenn es keinen Konjunkturaufschwung gibt, dann könnte es eine Flucht der Wähler ins rechtsextreme Abseits geben", erklärt der Duisburger Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte im Gespräch mit DW-WORLD.