Zimmer verzweifelt gesucht
20. November 2012Victoria lächelt tapfer, dabei hätte die Frankfurter Soziologiestudentin Grund genug, sich zu ärgern. Die junge Frau mit den blonden Locken will mit ihrem Freund zusammenziehen. Das gemeinsame Budget: maximal 1000 Euro warm für eine Wohnung. Das sei doch gar nicht so wenig, meint sie fassungslos. Aber es reicht nicht in einer Bankenstadt wie Frankfurt am Main.
Doch nicht nur an den hohen Mieten ist die Suche der 25-Jährigen bislang gescheitert. Als Studentin sei es schwierig, überhaupt von Maklern oder Vermietern wahrgenommen zu werden, klagt Viktoria. "Man gerät vielleicht mal in die engere Auswahl, aber kommt dann nicht weiter, weil sich andere berufstätige Pärchen bewerben, die gutes Geld verdienen und man selbst ist eben noch Student."
Nachfrage weit größer als das Angebot
In einer Großstadt wie Frankfurt am Main haben Studierende mit geringem Einkommen schlechte Karten bei der Wohnungssuche. Ein bundesweiter Trend, wenn man sich die Mietpreisentwicklung anschaut. In beliebten Uni-Städten wie Hamburg, München, Freiburg oder Köln kennt der Mietspiegel seit einigen Jahren nur eine Richtung: nach oben.
"Wir haben stetig steigende Studierendenzahlen und einfach zu wenig bezahlbaren Wohnraum für die jungen Leute", kritisiert Katrin Wenzel vom Studentenwerk Frankfurt am Main. Allein in Frankfurt haben sich in diesem Wintersemester rund 8600 Erstsemester immatrikuliert. Dass immer mehr junge Menschen in Deutschland studieren, sei schließlich bildungspolitisch gewünscht. "Aber die brauchen auch eine Wohnung."
25.000 Wohnheimzimmer fehlen
Als Betreiber von Wohnheimen bietet das Studentenwerk eine günstige Alternative zur eigenen Wohnung. Ein Wohnheimplatz kostet monatlich im Schnitt 214 Euro warm. Doch auch hier ist die Nachfrage weit größer als das Angebot. Katrin Wenzel rechnet vor, allein in Frankfurt gebe es rund 3600 Plätze in Studentenwohnheimen - für gut 53 000 Studierende. "Das macht eine Versorgungsquote an Wohnheimplätzen von sieben Prozent", erklärt sie.
So wie in Frankfurt sieht es auch in anderen deutschen Studentenstädten aus. Bundesweit reichen die Wohnheimplätze bei weitem nicht aus. Das Deutsche Studentenwerk hat zum Start des Wintersemesters schon Engpässe in ganz Deutschland gemeldet. Rund 25000 zusätzliche Wohnheimplätze werden gebraucht.
"Biete Zimmer, suche Babysitter"
Wer seinen Studienplatz nicht direkt wieder aufgeben wollte, musste in vielen deutschen Städten kreativ sein. In Frankfurt wurden für die Erstsemester Feldbetten bereit gestellt und das Studentenwerk hat eine Wohnungsbörse eingerichtet, erzählt Katrin Wenzel. "Wir haben uns diesmal sogar an die Bevölkerung gewandt und Hausbesitzer dazu aufgefordert, den Studierenden private Zimmer zur Verfügung zu stellen."
Mit Erfolg. Ein Altenheim hat Personalräume freigeräumt und für wenig Geld an Studenten vermietet. Auch Familien haben sich beim Studentenwerk gemeldet und Zimmer gegen Kinderbetreuung angeboten.
Ausländische Studierende haben es schwerer
In dieser angespannten Lage haben es ausländische Studierende besonders schwer, ein Zimmer zu finden. Wer nicht gut deutsch spreche, habe kaum eine Chance auf einen Mietvertrag, erzählt Jawad aus Pakistan. Erst als der 27-jährige Student Bekannte einschaltete, die für ihn übersetzen konnten, fand er überhaupt ein Zimmer. Aber der Student ist mit seiner Wohnsituation nicht glücklich. "Es ist mir zu klein, zu teuer und über eine halbe Stunde mit der Bahn von der Uni entfernt", beklagt er sich.
Jawad ist nicht der einzige Student, der lange Fahrtzeiten in Kauf nehmen muss. Viele Erstsemester, die kein bezahlbares Zimmer in Uninähe finden konnten, pendeln nun von Kleinstädten und Dörfern rund um Frankfurt zur Hochschule. "Ich wollte nach Frankfurt, habe dort aber kein Zimmer in einer Wohngemeinschaft gefunden," erzählt Lehramtsstudent Jan. "Fürs gleiche Geld habe ich mir jetzt eine Wohnung in Bad Vilbel genommen."
Hotel Mama als Notnagel
In Zeiten der studentischen Wohnungsnot hält es die 21-Jährige Pädagogik-Studentin Lara für sinnvoller, erst einmal zuhause bei ihren Eltern zu wohnen. "Weil es einfach günstiger ist." 23 Prozent der Studierenden wohnen laut einer Statistik des Deutschen Studentenwerks noch bei ihren Eltern. Lara nimmt dafür eine Fahrzeit von einer Stunde pro Strecke in Kauf. Ein Dauerzustand, so gibt sie selbst zu, ist das jedoch nicht.
Mittlerweile ist die Wohnungsnot der Studierenden auch bei den politisch Verantwortlichen angekommen. Bundesbauminister Peter Ramsauer hat für Ende November zu einem sogenannten "runden Tisch" mit Wohnungsverbänden, Studentenwerken und Landesministern eingeladen. Ein Hoffnungsschimmer für Soziologiestudentin Victoria. Vielleicht findet sie mit Hilfe der Politik doch noch eine bezahlbare Wohnung in Frankfurt.