IWF gesteht Fehler in Griechenland ein
8. Juni 2013Vor allem das Eingeständnis der Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF), die Rezession und die Arbeitslosigkeit in Griechenland unterschätzt zu haben, lässt den Volkszorn in Griechenland hochkochen: "Sie geben zu, dass wir für ihre Fehler bezahlen", titelt die linksliberale "Zeitung der Redakteure". Als "Eingeständnis eines Misserfolgs" sieht die auflagenstärkste Athener Zeitung "Ta Nea" den Bericht des Internationalen Währungsfonds.
Die selbstkritische Bilanz des IWF stammt aus einem internen Bericht, der am Mittwoch (05.06.2013) an die Presse durchsickerte - ausgerechnet an jenem Tag, an dem die griechische Statistikbehörde einen abermaligen Anstieg der Rekordarbeitslosigkeit auf nunmehr 26,8 Prozent bekannt geben musste.
"Dilettanten am Werk"
Eine Steilvorlage für die Kommentatorin Chryssa Tavoulari: Das Rezept des IWF sei Schwachsinn, erklärt die Journalistin im TV-Sender Skai. Griechenland sei immer noch bankrott, anders könne man ein Land nicht bezeichnen, in dem 60 Prozent der jungen Leute keine Arbeit fänden. "Europa hat die ganze Zeit geschlafen, da sind nur Dilettanten am Werk", klagt Tavoulari.
Dass der IWF nicht nur eigene Versäumnisse einräumt, sondern auch die Reformunwilligkeit sämtlicher Regierungen in Hellas beklagt, scheint in der Debatte unterzugehen. Zudem erinnern griechische Medien daran, dass bereits im vergangenen Januar die führenden IWF-Ökonomen Olivier Blanchard und Daniel Leigh auf Unzulänglichkeiten ihrer Griechenland-Strategie hingewiesen hätten. Allerdings würden die ursprünglichen Fehler rechtzeitig korrigiert werden - hieß es damals in deren selbstkritischen Arbeitspapier.
Nun legt der IWF erneut den Finger in die Wunde. Und nicht ohne Grund, meint Wirtschaftsprofessor Jannis Varoufakis. "Die IWF-Ökonomen erwägen einen Austritt aus der Troika und ebnen nun den Boden dafür. Sie wollen nicht länger mit ansehen, dass Deutschland die geplante Bankenunion in Europa zu untergraben versucht", glaubt Varoufakis zu wissen.
Der IWF- Bericht als Chance
Seitenhiebe in Richtung Berlin sind auch in diesem Zusammenhang keine Seltenheit. Allerdings gibt sich die Drei-Parteien-Regierung unter Führung des Konservativen Antonis Samaras betont gelassen und beteiligt sich nicht an Spekulationen. Finanzminister Jannis Stournaras hat die selbstkritische Äußerung der IWF-Experten sogar ausdrücklich begrüßt, denn sie böte "eine Chance, Fehler rechtzeitig zu erkennen, damit sie nicht wiederholt werden."
Diese ministerielle Äußerung kommt nicht von ungefähr: Mit großem Interesse wird in Athen die Schlussfolgerung der IWF-Experten registriert, der erst im Februar 2012 vollzogene Schuldenschnitt für Privatanleger hätte eigentlich "viel früher kommen müssen". Nun erwägt der IWF nach Athener Medienberichten einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland, von dem vor allem öffentliche Gläubiger betroffen wären. Der Ökonom Jannis Varoufakis glaubt, es gebe gar keine Alternative dazu, wolle man die Tragfähigkeit der griechischen Schulden gewährleisten.
Griechenland sei immer noch in einer ähnlichen Lage wie im Jahr 2010, moniert der Athener Wirtschaftsprofessor. Immer noch sei die Schuldentragfähigkeit des Landes nicht gesichert, die Rezession allgegenwärtig und das Bankensystem nicht mehr funktionsfähig.
Hausaufgaben müssen gemacht werden
Nicht nur Varoufakis ist der Auffassung, ein weiterer Forderungserlass sei erforderlich, damit Griechenland seine Schuldenlast dauerhaft tragen kann. Da kann es dem krisengeschüttelten Land nur recht sein, dass der IWF einen weiteren Schuldenschnitt ins Spiel bringt - sei es auch, um die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Allerdings weisen einige Analysten darauf hin, dass die Griechen nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen sollten, sondern auch ihren Teil der Verantwortung übernehmen müssten. Dann wären die EU-Partner wohl eher bereit, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten, mit oder ohne Schuldenschnitt- so der Politanalyst Dimitris Tsiodras.
Gefühlswallungen seien fehl am Platz, nun brauche man kühles Denken, mahnt Tsiodras. Die augenscheinliche Auseinandersetzung zwischen EU und IWF liege im Interesse Griechenlands, weil dadurch Druck auf die Verantwortlichen ausgeübt werde, weitere Schuldenerleichterungen einzuleiten. Dafür sei nicht einmal ein Schuldenschnitt erforderlich. Die EU-Partner könnten etwa über Zinserleichterungen helfen oder dadurch, dass der Euro-Rettungsfonds die Gelder für die Rekapitalisierung griechischer Banken zur Verfügung stelle, erläutert der Athener Analyst.
Frontalopposition gegen Premier Samaras
Unterdessen wirbt Ministerpräsident Antonis Samaras weltweit um Investoren und schwärmt von einer "griechischen Erfolgsgeschichte". Völlig aus der Luft gegriffen ist das nicht, denn es gab auch gute Nachrichten für Griechenland in den letzten Monaten: Ein primärer Haushaltsüberschuss Ende 2013 scheint erstmals in greifbarer Nähe, das Land hat durch Lohnkürzungen einen Teil seiner verlorenen Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangt und im Sommer wird ein Touristen-Ansturm erwartet wie nie zuvor.
Das letzte, was Samaras zu diesem kritischen Zeitpunkt allerdings gebrauchen kann, ist eine neu aufflammende Debatte über Sinn und Zweck der Sparpolitik. Doch genau diese Diskussion will der linke Oppositionsführer Alexis Tsipras nach dem kritischen IWF- Bericht neu entfachen. "Während der IWF Fehler einräumt, spricht unser Ministerpräsident von einer Erfolgsgeschichte. Beides kann ja wohl nicht stimmen" erklärt Tsipras im griechischen Fernsehen. Und er fügt hinzu: "Es sei denn, man betrachtet eine fehlerhafte Politik als Erfolgsgeschichte."
In seiner Frontalopposition fühlt sich Tsipras durch die jüngsten Meinungsumfragen bestätigt: Seine Linkspartei SYRIZA führt ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der konservativen Regierungspartei von Antonis Samaras. Und auch die Opposition von rechts bereitet Premier Samaras weiter Kopfzerbrechen. Die rechtsradikale Partei "Goldene Morgenröte" bleibt drittstärkste Kraft und legt sogar deutlich zu.