Zerschlagung von Banken
26. September 2012Im Oktober 1929 riss der New Yorker Börsencrash die Wirtschaft der USA in den Abgrund. Innerhalb weniger Jahre setzte die US-Regierung Reformen um, die den Finanzsektor grundlegend veränderten. Der Glass-Steagall-Act von 1933 führte das Trennbankensystem ein. Normalen Geschäftsbanken, die Kundenkonten führten und Kredite vergaben, war es seitdem verboten, mit Wertpapieren zu handeln oder riskante Spekulationsgeschäfte zu tätigen.
"Senator Glass, einer der Autoren des Gesetzes, war schon in den 1920er Jahren der Ansicht, dass zuviel Geld in die Spekulation geleitet wird", sagt der Wirtschaftshistoriker Hans-Joachim Voth von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona. "Im Rahmen der Weltwirtschaftskrise hat Glass die Chance gesehen, endlich eine klare Trennung zwischen Geschäftsbanken auf der einen Seite und den Investmentbanken auf der anderen Seite durchzusetzen."
Reformeifer damals, Reformangst heute
Der Glass-Steagall-Act bleib nicht die einzige große Reform. Ein Jahr später wird die Börsenaufsicht SEC gegründet, die seitdem den Wertpapierhandel kontrolliert. Auch die Versicherung für Bankeinlagen stammt aus dieser Zeit.
Im Vergleich dazu hat die Politik heute, knapp vier Jahre nach der Pleite von Lehman Brothers, keine wesentliche Reform vorzuweisen. "Auf eine fast kriminelle Art haben wir aus der Krise von 2007 keine Lehren gezogen und eigentlich überhaupt keine Verbesserungen bei der Regulierung bewirkt", so Voth. "Ich glaube, das hat auch etwas mit intellektuellem Versagen zu tun." Das Bankgeschäft, die komplizierten Finanzprodukte, die Verflechtungen mit der normalen Wirtschaft - all das erscheine Politikern so komplex, dass sie Angst hätten, etwas falsch zu machen.
"Sie hören dann erstmal den Experten der Finanzbranche zu und lassen dann alles so, wie es vorher war", so Voth. Die bisherigen Reformen beschränkten sich auf kleine Änderungen bei den Eigenkapitalregeln. "Damit werden wir die nächste Krise garantiert nicht verhindern", so der Wirtschaftshistoriker.
Zumal die neuen Eigenkapitalregeln, Basel III genannt, noch nicht einmal in Kraft sind. In den USA ist der Versuch, Banken die Spekulation auf eigene Rechnung zu verbieten, erst einmal verschoben worden. Großbritannien plant eine Reihe von Reformen, doch vor Sommer 2015 ist auch hier kein Gesetz zu erwarten.
Der Charme der alten Lösung
Kein Wunder also, dass sich mancher nun die große Reform von früher zurückwünscht, die Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken von 1933. Die war 1999 unter Präsident Bill Clinton schließlich wieder aufgehoben worden. Die Entscheidung passte in ihre Zeit: Deregulierung war das Zauberwort der Stunde.
Schon vor 1999 war die gesetzliche Bankentrennung schrittweise verwässert worden. So wurde dem 1998 aus einer Fusion entstandenen Finanzriesen Citigroup erlaubt, die Investmentbank Salomon Brothers zu besitzen.
Ausgerechnet Sandy Weill, bis zum Ausbruch der Finanzkrise Chef der Citigroup und einer der großen Profiteure der Deregulierung, fordert nun, die Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanken wieder einzuführen. Auch die New York Times, die den Glass-Steagall-Act jahrelang publizistisch bekämpft hatte, gibt sich inzwischen geläutert. "Wir sehen nun die Ergebnisse dieser umfangreichen Deregulierung", so die Zeitung in einem Leitartikel. "Heute denken wir, es war ein Fehler, das zu unterstützen."
In Deutschland haben sich SPD-Chef Sigmar Gabriel, sein Parteikollege, der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und jüngst auch Nikolaus von Bomhard, der Vorstandsvorsitzende der Rückversicherung Munich Re, für die Bankentrennung ausgesprochen. Es dürfe keine Banken geben, die so bedeutend für ein Land sind, dass sie durch Steuergelder gerettet werden müssen. "Wenn etwas systemrelevant ist, stimmt etwas mit dem System nicht", so von Bomhard.
Größe ist nicht entscheidend
"Ich bin kein großer Freund einer Schwarz-Weiß-Politik, die sagt: Wir zerschlagen jetzt die Banken und führen sie auseinander", sagt dagegen Georg Fahrenschon, der Präsident des deutschen Sparkassenverbandes. Er verteidigt Universalbanken, die alles machen - Kontoführung, Kreditvergabe, Wertpapierhandel und Devisengeschäfte. "Wir haben in den letzten drei Jahren erlebt, wie wichtig es war, dass wir Regionalbanken hatten, die auch dem Mittelstand bei Geschäften zur Währungsabsicherung helfen konnten."
Auch der Wirtschaftshistoriker Hans-Joachim Voth glaubt nicht, dass ein Trennbankensystem die Finanzkrise verhindert hätte. Trotzdem hält er eine Trennung für nötig, um Banken wieder auf eine Größe zurechtzustutzen, die nicht gleich ganze Volkswirtschaften gefährdet. Bis zum Beginn der Liberalisierung in den 1980er Jahren sei die Welt sehr gut ohne Banken ausgekommen, die "too big to fail" waren, die Wirtschaft wuchs kräftig.
Die Argumentation, Wachstum sei ohne große, international tätige Finanzkonzerne nicht möglich, hält Voth für ein Märchen. "Nichts, was volkswirtschaftlich wichtig ist, war wirklich schlechter vor 20 oder 30 Jahren. Nichts von dem, was Investmentbanken durch ihre Größe heute an wirtschaftlichen Funktionen erfüllen, würden wir tatsächlich vermissen."
Auch die Deutsche Bank sei wegen ihrer Größe "ein Risiko für Deutschland, das eigentlich kaum zu tragen ist", so Voth. "Ich weiß nicht, wie viele Krisen wir uns noch leisten müssen, bis wir dazu kommen, gut zu regulieren."
Europas Politiker sind im Moment allerdings vor allem mit der Schuldenkrise beschäftigt sind. "Das ist ein bisschen so, als wenn man ein Schiff umbaut, während man auf hoher See ist", sagt Voth. Trotzdem könne man es sich nicht leisten, dass sich bei den Banken wieder Risiken ansammeln, die irgendwann die nächste Rettungsaktion nötig machen. Das sei kein Grund, die Bankenregulierung zu verschieben. "Eine Regierung muss in der Lage sein, mehr als einen Ball im Blick zu halten und arbeitsteilig vorzugehen", so der Wirtschaftshistoriker.