Zelten, trinken, feiern
4. Juni 2012Die Namen der Bands auf den Plakaten lasen sich wie die Gästeliste für ein Rocklegenden-Treffen: Metallica, Soundgarden, Marilyn Manson, The Offspring, Linkin Park und viele andere gaben sich hier abwechselnd die Gitarre in die Hand und begeisterten über 87.000 Fans mit einer perfekten Soundwand, gigantischen Lichtshows und aufwändigem Bühnenequipment.
Allerdings ist für die Zuschauer nicht nur das außergewöhnliche Line-Up der Hauptgrund, jedes Jahr aufs Neue Deutschlands größtes Rockfestival am Nürburgring zu besuchen. Vor allem die Atmosphäre rund um das Spektakel sorgte auch diesmal dafür, dass es bereits fünf Monate im Voraus keine Tickets mehr zu kaufen gab - und das, obwohl noch nicht alle Bands bestätigt waren. Ein besseres Publikumszeugnis kann es nicht geben.
Mehr als nur Musik
Und das zeigt sich alljährlich: Abseits der drei Hauptbühnen gibt es auf dem Festivalgelände zahlreiche Möglichkeiten, Rock am Ring zu erleben. Überall schallt Musik über das Gelände und bringt die Fans zum Tanzen und Singen. Nicht nur die Konzerte, sondern auch Angebote wie ein Free-Fall Tower, Bungee-Jumping, Gitarrencontests, Tattooläden, Shisha-Zelte und zahlreiche Bars, in denen die Besucher feiern, machen das Festival besonders. Viele verkleiden sich in bunten Kostümen und verrückten Outfits und verbreiten gute Laune. Da kann selbst der Regen die Atmosphäre nicht trüben.
Auch auf den Campingplätzen herrscht ausgelassene Stimmung. Es wird gegrillt, Musik dröhnt aus zahlreichen Boxen, literweise wird Bier getrunken, und Feierwütige tanzen wild im Schlamm zu den Sounds ihrer Lieblingsband. Die meisten sind schon Tage vor Festivalbeginn aus ganz Europa angereist. Über den Zeltstädten wehen Flaggen aus Ländern wie Italien, Schweden, Frankreich und Spanien – auch international zählt Rock am Ring zu den außergewöhnlichsten Festivals der Welt.
Für viele ist die "Pilgerfahrt" in die Eifel in den 27 Jahren Festivalgeschichte zur Tradition geworden. Auch ohne Ticket reisen die Musikfans in ihren geschmückten Autos und Campern an, um die Stimmung und Impressionen aufzusaugen. All die kleinen bunten Geschichten, die abseits des Bühnenprogramms passieren, verwandeln das Festival in einen riesigen Rockzirkus und lassen die Bands schon fast zur Nebensache werden.
Hier werden Legenden zu Menschen
Nicht nur für die Besucher ist Rock am Ring ein ganz besonderes Festival. Vor diesem Publikum zu spielen, kommt für die Künstler einem musikalischen Ritterschlag gleich. Deshalb schaffen es die Veranstalter immer wieder, Rockgrößen wie Chris Cornell und seine wiedervereinten "Soundgarden" oder die Metal-Legende "Metallica" zu buchen. Diese performten diesmal neben sämtlichen Klassikern ihrer Bandgeschichte ihr komplettes "Black Album", boten eine atemberaubende Pyro-Show und betonten, dass sie sich in der Eifel wie zuhause fühlen.
Hier werden selbst diese Rocklegenden zu Menschen: James Hetfield trug während des Auftritts durchgehend ein Lächeln auf den Lippen, Benjamin Kowalewicz Sänger von der Band „Billy Talent“ schaute vor seiner Ansage verlegen zu Boden, während 80.000 Fans seinen Bandnamen riefen, und auch der sonst so abgebrühte Chris Cornell wirkte angesichts der Menschenmassen hilflos. Erst bei dem Grunge-Klassiker "Black Hole Sun" taute das Publikum ihm gegenüber auf.
"Die Musik muss rockbar sein, aber nicht unbedingt Rockmusik"
Neben Soundgarden markierten Linkin Park den musikalischen Höhepunkt am Freitagabend: Sie spielten sämtliche Hits und zollten dem verstorbenen Beastie Boys-Sänger Adam Yauch mit einer Coverversion von "Sabotage" Tribut.
Mit dem Late Night Special in der Nacht zum Sonntag bewiesen die Veranstalter Mut. Der Dubstep-DJ Skrillex sorgte für elektronisch ungewohnte Klänge beim Rockpublikum. Auch Veranstalter Marek Lieberberg war skeptisch und fragte seinen Sohn André, der für das Booking zuständig ist: "Wer ist dieser Skrillex, und warum zahlen wir dem soviel Geld?" Dass sich das Experiment gelohnt hat, zeigen die 50.000 Fans, die zur späten Stunde bis tief in die Nacht tanzten. Das machte den DJ zum heimlichen Headliner am Samstagabend. André Lieberberg betont: "Die Musik muss rockbar sein, aber nicht unbedingt Rockmusik. Wichtig ist Kredibilität."
Sprechchöre und Bier für den Beleuchter
Keine Band wurde so überschwänglich empfangen wie "Tenacious D" mit Hollywood-Schauspieler Jack Black. Diese sehnsüchtig erwartete Show war ihre erste in Deutschland überhaupt und bot musikalische und komödiantische Unterhaltung par excellence. Über Metallica sagte Jack Black: "Gebt ihnen eine Chance. Aus denen wird noch mal was." Das muss man sich erst mal trauen. Die Zuschauer dankten es den Entertainern und verneigten sich vor ihnen. Auch sonst wurde jeder Song mit frenetischen Sprechchören gefeiert. Legenden treten hier nicht nur auf, sondern werden auch geboren.
Den krönenden Abschluss des dreitägigen Bandmarathons bildete der Auftritt der deutschen Punkrocker "Die Toten Hosen". Mit 87.000 Fans feierten sie ihr 30-jähriges Bestehen und machten aus dem Ring einen wahren Hexenkessel. Wie immer legte Sänger Campino mehrere Kilometer auf der Bühne zurück und kletterte sogar auf den Beleuchtungsturm, um dem Beleuchter ein Bier zu bringen.
Rock am Ring ist immer ein Erlebnis. Das weiß jeder, der die drei Tage in der Eifel schon mal miterlebt hat. Deshalb werden die meisten von ihnen nächstes Jahr wiederkommen. Auch ohne Ticket, denn was zählt, ist das Gefühl "Rock am Ring".