Zeitumstellung: So funktioniert unsere innere Uhr
28. März 20202017 erhielten drei US-Amerikaner den Medizin-Nobelpreis für ihre Forschung zum Bio-Rhythmus. Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young hatten herausgefunden, welche Rolle ein Gen und ein Eiweiß für unsere innere Uhr und für Phänomene wie Jetlag spielen.
Bereits im 18. Jahrhundert hatten Wissenschaftler entdeckt, dass Pflanzen einen Biorhythmus haben, der sie dazu bringt, ihre Blätter bei Abenddämmerung zu schließen und sie am nächsten Morgen wieder zu öffnen. Selbst Pflanzen, die in völliger Dunkelheit standen, behielten diesen 12-Stunden-Rhythmus bei. Damals konnte sich niemand den Grund dafür erklären.
Woher weiß eine Pflanze, dass es Tag ist?
In den 1970ern fanden Wissenschaftler um den US-Biophysiker Seymour Benzer heraus, dass ein Gen mitverantwortlich für den Bio-Rhythmus von Fruchtfliegen ist. In den 1980ern isolierten die diesjährigen Nobelpreisträger dieses Gen.
Hall und Rosbash, die gemeinsam an der Brandeis University arbeiteten, stießen dabei auf ein Protein, das Zellen während der Nacht anhäufen und das während des Tages langsam wieder abgebaut wird. "Das Protein hemmt seine eigene Produktion", erklärte Till Roenneberg, Chronobiologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München, nach der Preisvergabe im DW-Gespräch. "Sie haben gezeigt, dass Gene unsere innere Uhr steuern."
Das entscheidende Protein
Dieser Mechanismus gilt nicht nur für Fruchtfliegen, sondern auch für Menschen und Pflanzen. Sie "wissen", dass es Nacht sein muss, wenn viel von dem Protein vorhanden ist, und Tag, wenn die Zellen das meiste abgebaut haben. Dieser natürliche Kreislauf passt unseren Bio-Rhythmus an die Erdumdrehung an.
In dem relativ kleinen und jungen Forschungsfeld der Chronobiologie setzen sich Wissenschaftler mit wiederkehrenden Phänomenen in lebenden Organismen auseinander. Die Entdeckung der Nobelpreisträger in den Achtzigern verpasste der Forschung einen Schub nach vorn.
Wie funktioniert die biologische Uhr?
Unsere Innere Uhr lässt nachts den Blutdruck sinken und den Atem flacher werden. Zugleich gibt sie den Startschuss für die nächtlichen Reparatur- und Erholungsprogramme. Den absoluten Tiefpunkt erreicht unsere Leistungskurve zwischen 3 und 4 Uhr nachts. Gegen Morgen schaltet der Körper langsam wieder auf Aktivität um. Von 10 bis 12 Uhr vormittags und gegen 17 Uhr am Nachmittag sind die meisten Menschen am produktivsten. Gegen 14 Uhr hingegen fühlen sich ziemlich viele matt. Die Sonne sorgt jeweils dafür, dass unser interner Zeitmesser von außen getaktet wird. Das Sonnenlicht gibt der Uhr die Eich-Impulse von außen.
"Heute wissen wir, dass die innere Uhr ein hochkomplexes System ist", sagt Roenneberg. "Es gibt nicht nur eine Uhr im Gehirn, sondern eine Uhr in jeder Zelle unseres Körpers."
Ein Beispiel für unsere innere Uhr kann man an der Leber beobachten. Tagsüber baut sie Glykogen aus Glukose auf und abends baut sie es wieder ab, um den Körper so mit Glukose zu versorgen. "Wenn Aufbau und Abbau gleichzeitig stattfinden, ist das sinnlos", sagt Henrik Oster vom Institut für Neurobiologie an der Universität Lübeck, "es muss eine zeitliche Trennung geben."
Gesundheitliche Schäden
Wenn die innere Uhr aus dem Takt gerät, fühlen wir uns schwach und unwohl. Wenn sie länger nicht mit der "äußeren Uhr", also der tatsächlichen Tageszeit, harmoniert, können wir sogar krank werden.
Die innere Uhr sei "nicht überlebensnotwendig, aber wichtig, um Stoffwechselvorgänge und den Tagesrhythmus zu koordinieren", erklärt Henrik Oster.
Nach einem Flug von Los Angeles nach Frankfurt geht unsere innere Uhr nach. Bleierne Müdigkeit und Erschöpfung sind die Folge. Das normalisiert sich innerhalb kurzer Zeit wieder.
Bei Schichtarbeitern sieht das anders aus. Die andauernde Dissonanz zwischen innerer und äußerer Uhr hat negative Folgen wie zum Beispiel ein höheres Risiko, an psychischen Erkrankungen, Diabetes oder Krebs zu erkranken.
Langschläfer und Frühaufsteher?
Ob wir Langschläfer oder Frühaufsteher sind, ist also auch in unseren Genen verankert. Wer gegen seine Innere Uhr lebt und zum Beispiel seinen persönlichen Wach-Schlaf-Rhythmus oder seinen Schlafbedarf ignoriert, wird von der Natur früher oder später bestraft: mit Nervosität, Schlafstörungen, Magenproblemen oder Depressionen oder aber auch Herzkrankheiten.
"Die innere Uhr hat ein Händchen auf alles, was im Körper abläuft", sagt Roenneberg. Sie geht allerdings bei jedem anders. Davon können Nachteulen und Lerchen ein Lied singen. Forscher untersuchten Hautzellen von Menschen, die früh und solchen, die lieber später aufstehen. Sie fanden heraus, dass die innere Uhr bei den Frühaufstehern ein bisschen schneller geht.