"Zeit": Kein US-Veto gegen Blick in Spähliste
12. August 2015Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!
Das Weiße Haus hat der Bundesregierung laut einem Bericht der "Zeit" selbst die Entscheidung überlassen, ob sie die NSA-Spählisten deutschen Abgeordneten zeigt. Die Zeitung berichtete unter Berufung auf ungenannte Mitarbeiter der US-Regierung, die Administration von US-Präsident Barack Obama habe der Bundesregierung nicht untersagt, Parlamentariern die Listen vorzulegen. Das Weiße Haus habe zwar Bedenken geäußert, die letzte Entscheidung aber Berlin überlassen.
Die US-Regierung widerspricht laut dem Bericht auch der Behauptung deutscher Sicherheitskreise, die Amerikaner hätten bei einer Veröffentlichung der so genannten Selektorenlisten mit einer Einschränkung der Geheimdienstkooperation gedroht. Das sei "eine absolute Mär", zitierte das Blatt einen Mitarbeiter der US-Regierung.
Abhörstation in Bad Aibling beauftragt
Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll dem US-Geheimdienst NSA über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Die NSA lieferte dem BND demnach für die Überwachung des Datenverkehrs in seiner Abhörstation in Bad Aibling viele Tausend Suchmerkmale (Selektoren) wie Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern.
Als dies bekannt wurde, verweigerte die Bundesregierung unter anderem der G-10-Kontrollkommission des Bundestags zur Geheimdienstarbeit die Einsicht in die Liste. Sie begründete dies damit, dass eine Offenlegung ohne Zustimmung der USA ein Verstoß gegen das geltende Völkervertragsrecht sei. Stattdessen ernannte sie den ehemaligen Bundesrichter Kurt Graulich zum Sonderbeauftragten, um für die Parlamentarier die NSA-Selektoren zu sichten. Graulich soll feststellen, in welchem Umfang der BND der NSA bei Spionage-Einsätzen gegen europäische Partnerländer half.
Grüne und Linke verärgert
Die Opposition reagierte nach der Veröffentlichung des "Zeit"-Berichts empört. Die Linken-Obfrau im NSA-Untersuchungsausschuss, Martina Renner, erklärte: "Die Bundesregierung kann sich nicht länger hinter der US-Regierung verstecken." Sie forderte das Kanzleramt auf, dem Ausschuss die hierzu mit der US-Regierung geführte Kommunikation zur Verfügung zu stellen.
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz erklärte: "Sollte sich herausstellen, dass die Herausgabe der Selektoren-Liste von US-amerikanischer Seite explizit der Bundesregierung überlassen wurde, wäre dies ein weiterer handfester Skandal in einer ganzen Reihe von Ungeheuerlichkeiten, die sich die Bundesregierung in der Affäre bis heute erlaubt hat."
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, zur Offenlegung der Dokumente gebe es keinerlei neuen Stand. Zu vertraulichen Gesprächen der Bundesregierung mit anderen Regierungen könne er keine Auskunft geben. Es sei immer klar gewesen, dass die Bundesregierung ihre eigene Entscheidung zu treffen habe "und das hat sie getan", fügte Seibert mit Blick auf die Liste hinzu. Die Bundesregierung habe gegenüber dem Bundestag das Angebot gemacht, eine Vertrauensperson zu benennen, die den Auftrag nun erfüllen werde.
ago/uh (dpa, afp)