Zeit für Nahost-Lösung wird knapp
17. März 2014Das Zeitfenster für die neue Runde der Nahost-Friedensgespräche schließt sich langsam. Bis zum 29. April sollen die Eckdaten für eine Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern feststehen. Doch bislang scheint ein Durchbruch in weiter Ferne. Deshalb wird die Pendeldiplomatie immer hektischer. Am Montag (17.03.2014) empfängt US-Präsident Barack Obama Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Washington (Foto von einem Treffen von 2013). Beobachter rechnen jedoch nicht mit greifbaren Ergebnissen. Die ohnehin schwierigen Gespräche wurden in den vergangenen Tagen vom Feuerwechsel zwischen Israelis und radikalen Palästinensern im Gaza-Streifen überschattet. Abbas hatte die Raketenangriffe der Gruppe Islamischer Dschihad verurteilt.
Nach drei Jahren Stillstand hatten sich Israelis und Palästinenser am 29. Juli 2013 erstmals wieder an einen Tisch gesetzt. Damals hatte US-Außenminister John Kerry optimistisch verkündet, er wolle binnen neun Monaten eine umfassende Lösung erreichen. Seitdem versuchen Amerikaner und Europäer, die Konfliktparteien zu einer Einigung zu drängen. Kerry und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton reisen unermüdlich in die Region. Doch sie stoßen sowohl in Jerusalem als auch in Ramallah auf Zurückhaltung. "Die Mehrheit der Israelis ist verärgert über die Art, wie John Kerry und Catherine Ashton sich verhalten", meint Alan Baker, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte am Jerusalem Center for Public Affairs. "Das andauernde Pochen auf die Illegalität der Siedlungen ärgert sie." Auch Abbas sei mehrfach aus Gesprächen mit Kerry herausgestürmt, weil er über dessen Beharren erbost gewesen sei.
Knackpunkte in den komplizierten Gesprächen gibt es genug. Die Palästinenser verlangen eine Räumung jüdischer Siedlungen in den israelisch besetzten Gebieten. Israel erlaubt derweil den Ausbau von Siedlungen. Außerdem wollen die Palästinenser den Ostteil von Jerusalem als Hauptstadt eines künftigen Staates Palästina. Für viele Israelis ist Jerusalem dagegen ihre unteilbare Hauptstadt. Die rechtsgerichtete Regierung von Benjamin Netanjahu fordert ihrerseits Sicherheitsgarantien und eine Anerkennung Israels als jüdischer Staat.
Anerkennung Israels als jüdischer Staat umstritten
Der Streit um den jüdischen Charakter Israels ist immer mehr in den Vordergrund gerückt. Dabei geht es nach Ansicht des Konfliktforschers Hasan al-Momani von der University of Jordan um die Rückkehransprüche von Palästinensern. Hunderttausende waren nach der Gründung Israels 1948 und nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 aus ihrer Heimat geflohen. "Sie fürchten, dass eine Anerkennung des Staates als jüdisch für sie bedeuten würde, auf das Recht auf Rückkehr zu verzichten", erklärt Al-Momani die palästinensische Ablehnung. Die Israelis hätten klargemacht, dass sie eine Rückkehr von heute vier bis fünf Millionen Palästinensern auf gar keinen Fall akzeptieren würden. Allerdings habe Palästinenserpräsident Abbas in diesem Punkt schon Kompromissbereitschaft angedeutet. So habe er erklärt: " Wir werden Israel nicht mit Flüchtlingen überfluten."
Für Daniel Levy, Direktor des Nahostprogramms bei der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR), sind es nicht die Detailfragen, die eine Einigung erschweren. "Das Haupthindernis ist die Frage: Wird Israel die Besatzung so beenden, dass ein palästinensischer Staat möglich wird?", meint Levy. Aus Sicht der Palästinenser hätten es die US-Amerikaner nicht geschafft, die Israelis zu einer Antwort zu drängen. Deshalb seien die bisherigen Gespräche für viele Palästinenser reine Zeitverschwendung gewesen.
Nach Einschätzung von Levy werden die US-Amerikaner vermutlich zu den Palästinensern sagen: " Wenn ihr uns bei den Themen Sicherheit und jüdischer Staat mehr entgegenkommt, dann können wir Netanjahu vielleicht sagen: Keine weiteren Ausreden mehr, lass uns über die Gebiete reden." Dem ECFR-Progammleiter zufolge hat die US-Regierung entschieden, ihren Einfluss auf die Konfliktparteien nicht voll auszuspielen. "Deshalb stecken wir fest", so Levy.
Palästinenser wollen Ergebnisse sehen
Abbas ist wegen der ausbleibenden Fortschritte Kritik aus den eigenen Reihen ausgesetzt. Seine Fatah-Bewegung und die palästinensische Öffentlichkeit wollten Ergebnisse sehen, beschreibt Levy die Stimmung. "Er ist unter großem Druck", kommentiert der in London arbeitende Forscher. Zwar habe Abbas einige Palästinenser aus israelischen Gefängnissen frei bekommen, doch im Gegenzug seien die Siedlungen immer weiter ausgebaut worden. "Seit Jahren verliert er an Glaubwürdigkeit", sagt der Nahost-Experte über Abbas.
Angesichts der tiefen Kluft zwischen den beiden Seiten rechnet keiner der Experten mit einem nennenswerten Fortschritt durch den Abbas-Besuch im Weißen Haus. Baker erwartet lediglich nichtssagende Statements. "Kerry wird wohl etwas Nettes sagen, das den Palästinensern gefällt. Abbas wird etwas Beleidigendes sagen, das den Israelis nicht gefällt", prophezeit der Israeli. Auch Al-Momani ist skeptisch. Je näher die Deadline rückt, desto niedriger scheint die Messlatte für die Verhandlungen zu hängen. Es sei schon ein Erfolg, wenn die Frist für die Gespräche um weitere neun Monate verlängert werde, urteilt der Dozent der University of Jordan.