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Zehn Jahre deutsches Terrorabwehrzentrum

Wolfgang Dick28. Oktober 2014

Vor zehn Jahren wurde das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum (GTAZ) gegründet, das Informationen von 40 Sicherheitsbehörden bündelt, um Attentate zu vermeiden. Zum Jubiläum gibt es auch Kritik.

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Satellitenschüssel des BND (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Stephan Jansen

Im Jahr 2011 erschoss ein damals 21-Jähriger mit kosovarisch-serbischer Staatsangehörigkeit auf dem Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten und verletzte zwei weitere Personen schwer. Es war der einzige islamistisch motivierte Anschlag in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren. Wenn Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Berlin jetzt die Institution des "Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums" würdigt, kann er auf einen unübersehbaren Erfolg verweisen.

Doch Fälle wie der am Frankfurter Flughafen zeigten auch die Machtlosigkeit von großen Institutionen, die viele Daten sammeln, aber präventiv nur wenig Deutungsmöglichkeiten hätten, meint Ulla Jelpke. Denn den Entschluss zum Anschlag fällte der Einzeltäter ganz spontan. Die Bundestagabgeordnete und innenpolitische Sprecherin der Partei "Die Linke" fragt auch, wie es geschehen konnte, dass sich - trotz der Arbeit des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums - am vergangenen Wochenende tausende Hooligans und Rechtsradikale in Köln Straßenschlachten mit der Polizei liefern und 40 Menschen verletzen konnten. Die Sicherheitsbehörden seien im Vorfeld der genehmigten Demonstration "Hooligans gegen Salafisten" nur von maximal 1500 Demonstranten ausgegangen. Dass es plötzlich fast 5000 gewaltbereite Personen wurden, habe niemand vorhergesehen. "Wo waren die Einschätzungen der Sicherheitsbehörden ? Ich sehe keine signifikanten Erfolge des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums", sagt Ulla Jelpke kurz. Sie steht mit ihrer Einschätzung nicht alleine da. Unter Politikern der Opposition in Berlin wie im Landtag von Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit eine heftige Debatte über die Erkenntnisse der Polizei.

Portrait Abgeordnete Ulla Jelpke
Kritikerin des GTAZ - Abgeordnete Ulla JelpkeBild: Deutscher Bundestag / Lichtblick/Achim Melde

Austausch hinter dicken Mauern

Schnelleren und besseren Informationsaustausch hatte sich der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) versprochen, als er in der Regierung von Gerhard Schröder (ebenfalls SPD) im Jahr 2004 das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum (GTAZ) ins Leben rief. Das GTAZ sollte keine neue Super-Behörde werden, sondern lediglich eine zentrale Informations-Austauschplattform bereits existierender Sicherheitsbehörden sein.

Auf dem Gelände einer ehemaligen preußischen Kaserne im Berliner Stadtteil Treptow wurde dafür ein Neubau errichtet, in dem sich zum Beispiel Vertreter von Bundespolizei, Bundesnachrichtendienst, den Landesämtern für Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt in einem Lagezentrum persönlich gegenübersitzen. In täglichen Lagebesprechungen tauschen sich die Vertreter der Sicherheitsbehörden unbürokratisch und schnell aus und arbeiten gemeinsam an Maßnahmen, um Gewalttaten vorzubeugen. Insbesondere im Bereich von islamistischem und rechtsradikalem Extremismus.

Terrorismusabwehrzentrum in Berlin, Foto: dpa
Informationsaustausch auf kurzen Wegen in täglichen LagebesprechungenBild: picture-alliance/dpa/Bernd Settnik

Bündelung der Kräfte

In der Zeit vor Gründung des GTAZ war es oft vorgekommen, dass die einzelnen Behörden aneinander vorbei arbeiteten oder wichtige Informationen auf langen Dienstwegen nicht rechtzeitig untereinander weiter gereicht wurden. Für die Arbeit der Polizei sind in Deutschland immerhin 16 Bundesländer zuständig. In jedem einzelnen Bundesland gibt es zudem noch ein Landesamt für Verfassungsschutz. Auf Bundesebene operieren der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst.

Angesichts der Bedrohung durch internationalen Terror sollte die föderale Struktur in Deutschland in den Hintergrund treten und Polizei und Geheimdienste an einer zentralen Stelle zusammen arbeiten. "Das hat sich bewährt", sagt Stephan Mayer (CSU), der sich für die CDU/CSU Fraktion um das Thema Innere Sicherheit kümmert. "Inzwischen haben sich die Mitarbeiter der einzelnen Behörden persönlich besser kennen gelernt und vertrauen einander. Außerdem konnte Expertise in vielen Bereichen nachweislich vertieft werden", berichtet der Abgeordnete Stephan Mayer. Er weist darauf hin, dass im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum auch immer die gleichen Vertreter der Sicherheitsbehörden arbeiten. Das mache vieles einfacher und schneller.

Stephan Mayer
Zufrieden mit dem GTAZ - der Abgeordnete Stephan MayerBild: imago stock&people

Grenzen für Zentralismus

"Ausländische Geheimdienste lieben es, eine zentrale Ansprechstelle für den Informationsaustausch zu haben, statt undurchschaubarer Strukturen und Kompetenzwirrwarr" weiß der Terrorexperte Rolf Tophoven und bestätigt, dass sich die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im GTAZ bewährt habe. Der bekannteste Fall einer verhinderten Anschlagsserie sei die rechtzeitige Verhaftung der so genannten "Sauerland-Gruppe" gewesen, einer Vereinigung, die mehrere Bombenanschläge in Deutschland vorbereitet hatte. Der entscheidende Tipp auf die Terrorgruppe sei von amerikanischen Ermittlern gekommen, aber von den deutschen Sicherheitsbehörden gut erkannt und gut umgesetzt worden.

Was vielen Sicherheitsexperten am GTAZ gefällt, stößt allerdings auf große Bedenken bei Mitgliedern mehrerer Parteien. Dabei wird vor allem die Oppositionspartei "Die Linke" besonders deutlich. Für sie fasst die Bundestags-Abgeordnete Ulla Jelpke die Kritik zusammen. "Wir Abgeordnete haben keine Möglichkeit, die Arbeit des GTAZ zu kontrollieren und das GTAZ entspricht nicht dem deutschen Grundgesetz". Die deutsche Verfassung sieht aufgrund des Missbrauchs von Polizei und Geheimdiensten im zentralistischen Dritten Reich unter Adolf Hitler für die Bundesrepublik Deutschland ein striktes Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten vor. Wenn sich Polizei und Geheimdienste regelmäßig austauschen, sei dies ein Verstoss gegen das Trennungsgebot, meint auch der Münchner Staatsrechtler Matthias Becker.

Terrorismusabwehrzentrum in Berlin 02.10.2014, Foto: dpa
Das Gebäude in Berlin Treptow ist die Zentrale des GTAZBild: picture-alliance/dpa/Tim Brakemeier

Kein Zentralismus erkennbar

Die Kritik kann der Abgeordnete Stephan Mayer nicht nachvollziehen. "Das Trennungsgebot wird eingehalten und auch die Trennung von Aufgaben des Bundes und der Länder". Gefährlicher Zentralismus sei nicht erkennbar. Es seien schließlich mit der Gründung des GTAZ keine neuen Zuständigkeiten oder neuen Kompetenzen entstanden, die ein Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten aushebeln würden. So dürfe nach wie vor nur die Polizei Verhaftungen vornehmen. Es könne doch nichts dagegen sprechen, wenn sich einzelne Behörden einfach nur besser untereinander austauschen, so Mayer, dessen Ansicht die Regierung Merkel teilt.

Bleibt die einfache Erkenntnis: Das GTAZ als Informations-Plattform ist auch in Zukunft nur so effizient, wie die Arbeit der einzelnen Sicherheitsbehörden, die sich im GTAZ austauschen. "Wenn auch nur irgendwo geschludert wird, wie im Vorfeld der Hooligan-Ausschreitungen in Köln", dann wird das GTAZ wenig bringen", sagt die Linken-Politikern Ulla Jelpke. Stephan Mayer (CSU) kontert: "Das GTAZ ist nur eine Maßnahme gegen Terror und Extremismus. Man darf diese Institution auch nicht mit Erwartungen überfrachten." Entscheidend seien immer die Vorfeldermittlungen von Attentaten, nicht Spekulationen um mögliche Ausschreitungen bei Demonstrationen.