Zankapfel Nahost-Konferenz
12. Februar 2019Wer könnte schon etwas gegen Frieden und Stabilität haben? Erst recht in einer von so vielen Konflikten zerrissenen Region wie dem Nahen Osten? Und doch provoziert die für diese Woche in Polens Hauptstadt Warschau angesetzte "Konferenz zur Förderung von Frieden und Stabilität" im Nahen Osten neue Spannungen, noch bevor sie begonnen hat.
Der Streit begann schon mit der Gästeliste: Unter den rund 70 Staaten, die nach Warschau eingeladen wurden, fehlte der Iran - das Land, das nach dem Willen von Mitveranstalter USA im Fokus der Veranstaltung stehen sollte. Teheran warf Polen vor, ein Anti-Iran-Treffen zu veranstalten. Diplomatische Spannungen folgten, Spekulationen über eine Absage der Konferenz machten die Runde.
"Wenn es dabei wirklich um Frieden im Nahen Osten ginge, sollte jeder eingeladen werden - natürlich auch Iran", sagt Robert Czulda, Iran-Experte an der Universität Lodz, im Gespräch mit DW. "Aber hier geht es nicht in erster Linie um Frieden. Hier geht es um die Bildung einer Allianz."
Der ehemalige polnische Außenminister Radek Sikorski befürchtet, die Konferenz könnte Polen schaden, vor allem in Europa. "Zuerst stimmen wir in Brüssel die Position gegenüber dem Iran gemeinsam ab und dann machen wir klar, dass wir damit nicht einverstanden sind" - kommentiert Sikorski. "So entsteht der Eindruck der Illoyalität".
Transatlantischer Streitpunkt Iran
Europa und die USA verfolgen grundlegend unterschiedliche Ansätze im Umgang mit dem Iran. Am deutlichsten wird das beim Atomabkommen mit Teheran. Die USA sind im Mai 2018 einseitig ausgestiegen und haben mit der Verhängung von Wirtschaftssanktionen eine Kampagne "maximalen Drucks" gegen Teheran entfesselt. Berlin, London, Paris wollen als Mitunterzeichner das Atomabkommen am Leben halten und setzen weiter auf Dialog.
Zwar haben die US-Sanktionen auch den europäischen Wirtschaftsaustausch mit dem Iran massiv getroffen. Aber die Europäer versuchen, an den USA vorbei, dem Iran Anreize zu geben, weiterhin seinen Teil des Deals zu erfüllen. Ende Januar wurde dazu "Instex" ins Leben gerufen. Dieser vom US-Dollar unabhängige Zahlungskanal soll trotz US-Sanktionen Geschäfte mit dem Iran ermöglichen.
Tatsächlich erfüllt der Iran bislang die Regeln des Atomabkommens. In mittlerweile 13 Berichten hat das die internationale Atomenergie-Organisation IAEA bestätigt, zuletzt im November 2018. Selbst Dan Coats, Direktor der nationalen Geheimdienste der USA, attestierte dem Iran Ende Januar, er "verfolge derzeit keine der Schlüsselaktivitäten, die zum Bau einer Atombombe notwendig seien" und halte sich an das Atomabkommen.
Trotz massiven amerikanischen Drucks zeigen sich die EU-Staaten in ihrer Verteidigung des Atomabkommens mit dem Iran bislang geschlossen - zuletzt am 4. Februar in einer Erklärung der EU-Kommission. Da wird das umständlich genannte Abkommen - Joint Comprehensive Plan of Action (JCPoA) - als Schlüsselelement im Kampf gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen bezeichnet und der amerikanische Rückzug aus dem Abkommen ausdrücklich bedauert.
Polen verfolgt eigene Ziele
Umso größer staunte man in Europa, als Warschau als Veranstaltungsort für die Nahost-Konferenz in Erscheinung trat. Am erstauntesten waren vielleicht sogar die Polen selbst. Wie polnische Medien berichteten, soll Warschau von der Bekanntgabe der Konferenz durch den US-Außenminister Mike Pompeo Mitte Januar überrascht worden sein. Zwar habe es solche Pläne gegeben, aber ohne konkretes Datum.
"Für Polen ist der Mittlere Osten nicht so wichtig, wir sind dort politisch kaum aktiv", kommentiert der polnische Iran-Experte, Robert Czulda. Der Politologe glaubt, Polen habe sich auf die umstrittene Konferenz aus ganz anderen Gründen eingelassen: "Wir wollen gerne US-Truppen permanent in Polen stationiert haben".
Das Land strebt eine ständige US-Militärbasis an. Zwei Milliarden Dollar will Warschau dafür bereitstellen. Um das Projekt für US-Präsident Trump noch attraktiver zu machen, hat Polens Präsident Andrzej Duda vergangenen September in Washington vorgeschlagen, den Stützpunkt "Fort Trump" zu nennen.
USA spaltet Europa
Das polnische Interesse an amerikanischem Schutz könnten die USA als machtvollen Hebel einsetzen. "Alle Staaten, die sich bedroht sehen, kennen letztlich nur eine Adresse, wo sie diese Sicherheit abrufen können: Das ist Washington", meint der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger. "Dort nutzt man das, um die Geschlossenheit der EU-Staaten in anderen Fragen aufzubrechen. Die Iran-Politik ist genau so eine Frage", analysiert der Experte für internationale Politik.
Entsprechend gering war die Begeisterung der Europäer. Nach einem diplomatischen Gerangel um die Inhalte der Konferenz wurde zumindest formal der Anti-Iran-Charakter durch die Erweiterung der Agenda abgeschwächt. Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini sagte trotzdem ihre Teilnahme ab.
Der britische Außenminister Jeremy Hunt bestätigte sein Kommen erst, nachdem auch der Jemen-Krieg auf die Tagesordnung gesetzt worden war. "Das Etikett hat sich geändert und wir haben jetzt ein thematisch viel breiteres Treffen zur Sicherheit im Nahen Osten", so Ellie Geranmayeh vom European Council on Foreign Relations, ECFR, "aber die Absicht Washingtons ist nach wie vor, hier Vorarbeit für eine internationale Allianz zu leisten, die sich Präsident Trumps 'Kampagne maximalen Drucks' auf den Iran anschließt" - erklärt Geranmayeh im Gespräch mit der DW.
USA erhöht Einsatz
Um Europas Außenminister doch noch zur Reise nach Warschau zu bewegen, hat Washington den Einsatz erhöht: Neben Außenminister Mike Pompeo werden auch Vizepräsident Mike Pence und Jared Kushner bei der Konferenz erwartet. Auch Israels Premierminister Benjamin Netanjahu kommt. In einigen europäischen Hauptstädten könnte man noch umdenken, erwartet Iran-Expertin Geranmayeh. "Kurz vor Torschluss werden einige Länder doch noch ihre Außenminister schicken - speziell Länder Osteuropas, die ihre guten Beziehungen zu Washington erhalten wollen".
Die Russen bleiben dagegen fern. Zeitgleich mit der Warschauer Konferenz treffen die Präsidenten Russlands, der Türkei und des Irans im russischen Sotschi zusammen, um über Syrien zu beraten. Fehlen wird in Warschau auch Deutschlands Chefdiplomat Heiko Maas. Er besucht stattdessen am Tag danach die Münchner Sicherheitskonferenz. Dort steht die Sicherheit des Nahen Ostens traditionell weit oben auf der Agenda.