Yates: "Sicherheitsmängel in der indonesischen Luftfahrt"
29. Dezember 2014Deutsche Welle: Wie fällt die Sicherheitsstatistik bei AirAsia insgesamt aus?
Chris Yates: Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 2001 gab es bei AirAsia keinerlei Vorfälle. Die Fluggesellschaft hat einen rasanten Aufstieg hinter sich und beherrscht ihr Marktsegment. AirAsia fliegt heute ausschließlich den Airbus A320. Früher war die Flotte gemischt und umfasste auch die Boeing 737. Aber davon hat man wieder Abstand genommen, weil die Festlegung auf ein Serienmodell wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt.
Es gibt Stimmen, die das Verschwinden des AirAsia-Jets als jüngsten in einer ganzen Reihe von Zwischenfällen in der indonesischen Luftfahrt sehen. Wie beurteilen Sie das?
Es stimmt, dass die Sicherheitsbilanz der indonesischen Luftfahrt sehr schlecht ausfällt. Allein in diesem Jahr gab es neun Zwischenfälle, glücklicherweise ohne tödliche Folgen. Das schwerste Unglück der vergangenen Jahre ereignete sich 2007. Damals stürzte eine Boeing 737 der AdamAir 85 Kilometer westlich von Pambauang ab. Alle 102 Passagiere und die Crew-Mitglieder kamen dabei ums Leben.
Mit der Gründung des indonesischen AirAsia-Ablegers waren damals im Hinblick auf die Sicherheit viele Hoffnungen verknüpft. Nach dem Absturz jetzt sind viele Zweifel wieder da.
Sehen Sie denn eine Verbindung zwischen dem Verschwinden des AirAsia-Jets und der Sicherheit in der indonesischen Luftfahrtbranche insgesamt?
Im Moment gibt es keine Hinweise darauf. Nach allen Informationen, die wir bislang haben, sieht es so aus, als sei das Flugzeug aufgrund schlechten Wetters abgestürzt.
Die Region, in der die Maschine unterwegs war, liegt nah am Äquator und ist extremen Witterungen ausgeliefert. Wegen Regen- und Sturmwolken mit starken Böen und sintflutartigem Regen auf einer Höhe von 50.000 Fuß (umgerechnet gut 15.200 Meter) hatte der Pilot um eine Kursänderung gebeten. Er wollte weiter aufsteigen. Aufgrund der Verkehrslage wurde ihm diese Erlaubnis nicht erteilt. Meiner Meinung nach ist das Wetter die einzige Ursache für dieses Unglück.
Warum haben indonesische Fluggesellschaften solch gravierende Probleme mit der Sicherheit?
Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Zum Beispiel mangelhafte Wartung, Pilotenausbildung oder Flugüberwachung. Es ist nur menschlich, nach einer solchen Tragödie Antworten zu fordern. Aber diese Antworten können erst gegeben werden, wenn die Untersuchung des Unglücks abgeschlossen ist.
Im Fall von Flug QZ8501 geht es jetzt darum, das Wrack und die Blackbox zu finden und zu analysieren. Erst dann werden wir genau wissen, warum das Flugzeug abgestürzt ist. Noch können wir nichts mit Gewissheit ausschließen, auch wenn alles auf das Wetter als Grund für den Absturz hinweist.
Sind indonesische Fluggesellschaften aufgrund vergangener Vorfälle mit Restriktionen konfrontiert?
Ja. Im Jahr 2007 setzte die Europäische Union Indonesien aus diesem Grund auf eine schwarze Liste. Das Start- und Landeverbot galt für sämtliche indonesischen Airlines in der EU. 2010 wurde es dann für einige Gesellschaften wieder aufgehoben, nachdem Kontrollen ergeben hatten, dass sich die Sicherheitsvorkehrungen deutlich verbessert hatten.
Was kann die Luftfahrtbranche insgesamt tun, um die Sicherheit zu verbessern?
Das spurlose Verschwinden der Malaysia Airlines MH370 im März 2014 hat eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen, insbesondere was die Verfolgung der Flugroute anging. Im Zuge dessen wurde auch klar, dass das digitale Datenfunksystem ACARS (Aircraft Communications Addressing and Reporting System) zwischen Verkehrsflugzeugen und Bodenstationen aus den 70er Jahren, auf das die Branche weltweit gesetzt hat, nicht mehr zeitgemäß ist und zu diesem Zweck nicht ausreichend geeignet ist. Ziel ist es jetzt, nach einer alternativen Lösung zu suchen, mit der es gelingen kann, Daten im Fall eines Unglücks direkt an die Bodenstation und Fluglosten zu übertragen.
Wie könnte diese Lösung aussehen?
Eine ganze Reihe von Unternehmen arbeitet derzeit daran. Der tragische Verlust der AirAsia-Maschine könnte dazu führen, dass die Anstrengungen weiter intensiviert werden und in nicht allzu ferner Zukunft neue Technologien in den Maschinen eingesetzt werden.
Chris Yates ist freier Luftfahrtsicherheitsexperte. Er arbeitet in Großbritannien.