Mit Xenon - Expedition auf Mount Everest in nur einer Woche?
22. Januar 2025Es klingt wie ein April-Scherz im Januar, ist es aber nicht. Im kommenden Frühjahr sollen vier britische Kunden des österreichischen Expeditionsanbieters Furtenbach Adventures in nur einer Woche den Mount Everest besteigen und wieder heimkehren. Die Inhalation von Xenon soll es möglich machen. Das Edelgas gehört zu den seltensten auf der Erde vorkommenden Elementen. Es ist zwar in der Atemluft enthalten, aber nur mit einem Anteil von 87 Milliardstel. Will man Xenon gewinnen, muss man es in einem aufwendigen Verfahren aus der Luft extrahieren. Das macht das Gas teuer.
Die vier Briten, die sich zu Hause mit Hypoxiezelten vorakklimatisiert haben, sollen bei der Ankunft in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu unter ärztlicher Aufsicht ein Xenon-Sauerstoff-Gemisch inhalieren. Anschließend sollen sie mit dem Hubschrauber ins Basislager auf rund 5300 Meter Höhe geflogen werden. Dort angekommen starten sie umgehend mit ihren Climbing Sherpas - zwei pro Person - und unter Einsatz von ausreichend Flaschensauerstoff Richtung Gipfel.
Drei Tage veranschlagt Furtenbach für den Aufstieg, einen für den Abstieg. Dann würden die Kunden mit dem Hubschrauber zurück nach Kathmandu geflogen und von dort aus die Heimreise antreten. Eine Woche nach dem Abflug könnten sie wieder in ihren Wohnzimmern sitzen.
In immer weniger Zeit auf den Everest
Lukas Furtenbach ist ein Spezialist dafür, kommerzielle Besteigungen von Achttausendern zeitlich zu straffen. Bereits seit einigen Jahren bietet sein Unternehmen für rund 100.000 Euro pro Person sogenannte "Flash-Expeditionen" zum Everest an. Den Begriff hat sich der Unternehmer sogar schützen lassen. Der Trip dauert rund drei Wochen.
Zum Vergleich: Eine herkömmliche kommerzielle Expedition auf den höchsten Berg der Erde ist auf sechs bis zehn Wochen veranschlagt. Die britische Expedition im Jahr 1953, bei der der Neuseeländer Edmund Hillary und der Nepalese Tenzing Norgay als erste Menschen den Gipfel auf 8849 Metern erreichten, nahm sogar vier Monate in Anspruch. Und jetzt - für 150.000 Euro pro Bergsteiger - das Ganze in nur einer Woche?
Vorakklimatisierung im Hypoxiezelt
Schon das Konzept der Flash-Expeditionen beruht wesentlich darauf, dass sich Furtenbachs Kunden zu Hause in Hypoxiezelten vorakklimatisieren. In einem solchen Zelt entzieht ein Generator der Atemluft einen bestimmten Anteil des Sauerstoffs. So wird die "dünne" Luft in großer Höhe simuliert. Am Gipfel des Mount Everest wird der Sauerstoff nur mit einem Drittel des Drucks in die Lungen gepresst wie auf Meereshöhe.
Bei einer klassischen Akklimatisation gewöhnt sich der Körper durch immer längere Aufenthalte in der großen Höhe langsam an diese Bedingungen. Er beginnt, zusätzliche rote Blutkörperchen zu produzieren, der wenige Sauerstoff wird besser transportiert. Diesen Effekt kann man auch mit Hypoxiezelten erreichen. Furtenbach spart damit zwei der üblicherweise drei für die Akklimatisation nötigen sogenannten "Rotationsrunden" am Everest: Aufstieg in immer höhere Lager, dann wieder Abstieg ins Basislager. Damit selbst die eine noch verbliebene Rotation hinfällig wird, will Furtenbach das Xenon einsetzen.
Furtenbach: "Kein gesundheitliches Risiko" durch Xenon
"Es gibt kein gesundheitliches Risiko", sagt der Bergunternehmer. "Zudem sind keine gesundheitsschädlichen Wirkungen von Xenon bekannt. Und es wird immerhin schon seit den 1950er Jahren als Anästhetikum eingesetzt und ist intensiv erforscht und medizinisch zugelassen." Er selbst habe es in den vergangenen fünf Jahren mehrfach an hohen Bergen ausprobiert, auch am Everest, so Furtenbach. Mit Erfolg, wie er sagt.
Xenon bewirkt, dass die Nieren sprunghaft mehr Erythropoetin, kurz EPO, produzieren. Das Hormon sorgt für deutlich mehr rote Blutkörperchen - und die braucht man in großer Höhe, um mit der Hypoxie, der Sauerstoff-Unterversorgung des Körpers, klarzukommen.
Die Bergsteiger sollen ein Gemisch mit deutlich weniger Xenon-Anteil als bei einer Narkose inhalieren. "Das Misch-Verhältnis wird durch das eingesetzte Gerät überwacht; ebenso die Anwendung durch einen Facharzt gewährleistet. Beide Komponenten sind essentiell", sagt Michael Fries. Der Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin am St. Vincenz-Krankenhaus in Limburg an der Lahn hatte Furtenbach vor einigen Jahren den Xenon-Tipp gegeben und ihn beraten. Wenn das entsprechende Equipment vorhanden sei und ein darin geschulter Arzt die Inhalation überwache, sei "der Einsatz in meinen Augen bedenkenlos", sagt Fries. Er macht aber auch klar, dass Xenon nur ein Bestandteil von mehreren sei, um sich auf große Höhen vorzubereiten.
Es gibt auch warnende Stimmen. So könne ein schneller Anstieg der roten Blutkörperchen infolge Xenon dazu führen, dass das Blut eindicke, "da der Hämatokrit [Anteil der Blutzellen in Relation zum gesamten Blutvolumen - Anm. d. Red.] unkontrolliert ansteigen kann und so Thrombosen und Lungenembolien vorprogrammiert sind", sagt Ulf Gieseler, Internist und Kardiologe aus Heidelberg. Er finde es "schon mehr als bedenklich, sich auf solche Experimente ohne irgendwelche Erfahrung einzulassen", so Gieseler, der selbst Bergsteiger ist und als Arzt an Expeditionen teilgenommen hat.
Doping oder nicht?
Xenon steht seit 2014 bei der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) auf der Liste der verbotenen Substanzen. Damals war bekannt geworden, dass in Russland flächendeckend Sportlerinnen und Sportler das Edelgas inhaliert hatten, um ihre Leistung zu steigern.
Furtenbach weist den Vorwurf, er unterstütze mit dem Xenon-Einsatz Doping am Berg, zurück: "Es stehen viele Substanzen und Praktiken auf der WADA-Liste, die regelmäßig von vielen Bergsteigern konsumiert bzw. praktiziert werden. Selbst Hypoxie-Zelte standen in Italien bis 2024 auf der Verbotsliste."
Es gehe auch um den Einsatzzweck, findet Furtenbach. "Wir verwenden diese Xenon-Behandlung zur Prävention von Höhenkrankheit, Höhenlungen- und Höhenhirnödem. Als eine zusätzliche Akklimatisation. Nicht zur Leistungssteigerung. Zudem befinden wir uns nicht im Wettkampfsport. Per Definition also kein Doping."
Lukrativer Markt
Obwohl der Mount Everest seit 1953 bereits fast 13.000 Mal bestiegen wurde, hat er offenbar nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Jahr für Jahr tummeln sich im Basislager mehrere hunderte Gipfel-Aspirantinnen und -Aspiranten aus aller Welt. Der Markt ist lukrativ und entsprechend hart umkämpft.
Furtenbach weist darauf hin, dass er im Gegensatz zu vielen Konkurrenten bei seinen Kunden hohe Anforderungen an Gesundheit, Fitness und Bergerfahrung stelle. "Wir sind der einzige Everest-Veranstalter, der noch nie einen Unfall hatte, und wir haben die mit Abstand beste Erfolgsquote in dieser Branche", sagt Furtenbach. "Wir machen offensichtlich vieles richtig."