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Wortwitz bei Ilses Erika

Ronny Arnold24. April 2006

Leipzig und Literatur - das passt zusammen. Nicht nur zur Buchmessse. Seit vielen Jahren ziehen alternative Literaturshows in Keller-Klubs junges Publikum an: zum Beispiel "Turboprop".

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Bild: www.turboprop.org

Singen gehört wahrlich nicht zu den Stärken von Christoph Graebel und Claudius Nießen. Doch den beiden Erfindern der Literaturshow "Turboprop" ist das reichlich egal. Die Starthymne gehört seit drei Jahren zu ihrer Show - und genau so lange stehen, oder besser sitzen, die beiden Moderatoren einmal im Monat auf der Bühne des Leipziger Tanzklubs Ilses Erika.

Kurzweil bei Flaschenbier

Auf dem Tisch vor ihnen liegen ein paar Bücher, daneben stehen zwei Flaschen Bier und ein goldener Osterhase. Ihre knapp zweistündige Literaturshow hat wenig von einer klassischen Lesung in einer Buchhandlung. Bei "Turboprop" gibt es Bier aus Flaschen, Schreibwettbewerbe fürs Publikum, eingespielte Kurzfilme und Ratespiele mit attraktiven Preisen. Die Show ist kurzweilig und lebt vom trockenen Wortwitz der Moderatoren Graebel und Nießen. Beide studieren am renommierten Deutschen Literaturinstitut Leipzig, kurz DLL. Und "Turboprop" hängt für Christoph Graebel auch indirekt mit dem DLL zusammen.

"Wir sind auf die Idee gekommen, weil wir als DLL-Studenten Lesungen besuchen dürfen bzw. müssen, und uns da recht bald aufgefallen ist, dass eine herkömmliche Wasserglaslesung, haben wir es dann genannt, durchaus sehr langweilig sein kann."

Langeweile kommt bei "Turboprop" nicht auf, denn jede Show hat einen Gast mit Buch oder zumindest mit ein paar selbst verfassten Zeilen. An diesem Abend müssen die Beiden allerdings improvisieren, denn der angekündigte Thomas Kapielski aus Berlin hat wenige Stunden vor der Show abgesagt. Kurzfristig eingesprungen ist der Leipziger Poetry-Slam-Meister Julius Fischer, der mit "Live-Lyrix" selbst einen Literaturabend im Ilses Erika bestreitet.

Sprungbrett für junge Autoren

Mit Poetry-Slam-Abenden, szenischen Lesungen und Literaturshows in Tanzklubs und Galerien entwickelt sich in Leipzig eine Literaturszene, die gezielt auf neue literarische Darstellungsformen setzt. Ihr Erfolg zeigt sich für Claudius Nießen nicht nur während der turbulenten Tage der Buchmesse, sondern vor allem in den ruhigeren Monaten dazwischen.

Die junge Leipziger Literaturszene ist Subkultur, weil sie sich gezielt abseits der klassischen Buchpräsentation bewegt. Das offizielle Leipzig registriert das wohlwollend, mehr nicht, betont Nießen:

"Leipzig ist Musikstadt, Leipzig ist Bachstadt. Das kann ich verstehen. Andererseits fände ich es natürlich auch schön, wenn Leipzig sich bemühen würde, nicht unbedingt als Buchstadt, aber vielleicht als Stadt der jungen Literatur stärker zu positionieren. Also Leipzig quasi als ungekrönte Königin der deutschsprachigen Literatur."

Doch Claudius Nießen und Christoph Graebel verzweifeln nicht daran, im Gegenteil. Sie nehmen mit "Turboprop" die Dinge selbst in die Hand und bieten jungen Autoren ein Sprungbrett zum Erfolg. Clemens Meyer beispielsweise, dessen Roman "Als wir träumten" auf der diesjährigen Buchmesse gefeiert wurde, bestritt seine ersten Lesungen schon vor zwei Jahren bei "Turboprop".