Wohlhabende Griechen in der Krise
26. Juni 2011Giorgos Flessas ist ein Vorzeigeunternehmer und Selfmademan. Er hat sich aus eigener Kraft hochgearbeitet und eine eigene Unternehmensgruppe aufgebaut, die in allen Bereichen der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit tätig ist und auch in Südosteuropa expandiert.
Auch er hat von der Krisenfront nur Hiobsbotschaften zu überbringen: Mindestens fünf bis zehn Jahre werde der wirtschaftliche Ausnahmezustand in Griechenland noch dauern, befürchtet Flessas, denn erstens fehle es an Wachstumsimpulsen und zweitens seien die Krisenlasten ungerecht verteilt.
Wer ist nun schuld an der Misere?
Die allergrößte Ungerechtigkeit sei die Ohnmacht des Staates vor der Steuerflucht, beklagt der Athener Unternehmer. Während Beamte, Rentner und Privatangestellte gar nicht anders können, als ihr gesamtes Einkommen zu versteuern, würden andere Berufsgruppen, etwa viele Freiberufler, weiterhin verschont. Daran seien die kleinen Leute auch nicht ganz unschuldig, denn vor allem Kleinunternehmer und Alleinverdiener würden sich steuerrechtlich in der Grauzone bewegen. Dagegen führten Großfirmen ihre Bücher richtig und ließen sie auch von qualifizierten Auditoren prüfen, behauptet Giorgos Flessas.Die Wohlhabenden sollen also doch nicht schuldig sein an der Wirtschaftsmisere des Landes, auch wenn die frustrierte „700-Euro-Generation" im Land genau dies behauptet. Und was ist eigentlich mit dem ausufernden Athener Nachtleben oder den Luxusbooten am Yachthafen von Piräus, die auch den deutschen Besuchern immer wieder auffallen in Griechenland?
Reich ist nicht gleich reich
Flessas warnt vor voreiligen Schlüssen - die Wahrheit liege auch hier in der Mitte. Natürlich sei das alles ein Indiz für das Ausmaß der Schattenwirtschaft, aber man müsse auch zweierlei bedenken: Die Mentalität der Griechen sei nun mal so, dass sie lieber am Essen oder bei der Kleidung sparen, um sich doch noch einen Drink mit guten Freunden zu gönnen. Und was die Yachthäfen betrifft: Aufgrund seines großen Inselreichtums würde Griechenland Yachten aus aller Welt anlocken und viele davon müssten eben in Piräus anlegen, weil die Yacht-Marinen hierzulande schlecht organisiert seien.
Zu den Wohlhabenden im Land dürfte auch Panagis Karellas zählen, Spross einer namhaften Unternehmerfamilie, die ihr Geld in der Textilwirtschaft gemacht hat. Heute führt er die Athener Handelskammer und sucht zudem einen beruflichen Neuanfang im Dienstleistungsbereich. Schon vor der Krise war die einst florierende griechische Textilindustrie ohnehin nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Rezession habe jetzt auch den Einzelhandel erwischt, erklärt Karellas.
Die Politik verdirbt das Geschäft
Im Zentrum von Athen habe bereits fast jedes vierte Geschäft schließen müssen, weil den Verbrauchern kaum mehr Geld zum Einkaufen bleibe. Und auch das gesamte Straßenbild der griechischen Hauptstadt lade im Moment nicht unbedingt zum Einkaufsbummel ein, denn überall stoße man auf illegale Händler und Bettler. Das sei alles nicht sehr ansprechend für eine Familie mit Kindern, beklagt der Athener Unternehmer.Der studierte Ökonom Karellas nimmt sich selbst nicht allzu wichtig. Wirtschaft sei eigentlich gar keine Wissenschaft, pflegt er zu sagen. Für ihn hängt viel von der Politik ab, aber die Politiker hätten den Ernst der Lage überhaupt nicht erkannt.
Diese Personen träfen Entscheidungen, die alle betreffen könnten, aber sie würden entweder die Realität verdrängen oder bewusst die Wahrheit vorenthalten, mahnt Karellas. Und das gelte leider für alle Politiker, denen der Kampf um die Macht das Wichtigste sei.
Autor: Jannis Papadimitriou
Redaktion: Blagorodna Grigorova