Wohin steuert Thailands Wirtschaftspolitik?
23. Januar 2017Drei Jahre nach dem jüngsten Militärputsch in Thailand wird immer deutlicher: Die Rückkehr zur Demokratie wird auf unbestimmte Zeit vertagt. Mehrfach wurde der Termin für in Aussicht gestellte Wahlen verschoben. Jetzt hat die Militärführung die Einberufung eines "Rates der nationalen Aussöhnung" angekündigt. Drei Monate lang sollen dort angeblich alle Themen, "egal, ob Politik, Reformen, oder Bildungswesen" zwischen der Armeeführung und zivilen Experten besprochen werden, um einen "friedlichen demokratischen Übergang" zu gewährleisten. Allgemein wird aber mit einer Abhaltung von Wahlen erst 2018 gerechnet. Kritische Journalisten wie Pravit Rojanaphruk bezichtigen die Militärführung auf der englischsprachige Webseite Khaosod der Lüge.
Die Generäle hatten 2014 nicht nur versprochen, wieder stabile demokratische Verhältnisse einzuführen, sondern alles zu tun, um die thailändische Wirtschaft zu stärken. Schon vor dem Putsch war es Thailand – 2012 und 2010 ausgenommen – nicht gelungen, über drei Prozent Wirtschaftswachstum zu erzielen. "Das ist für eine Volkswirtschaft auf dem Entwicklungsstand von Thailand relativ wenig", urteilt Daniel Müller vom Ostasiatischen Verein in Hamburg, einem Wirtschaftsverband, der den wirtschaftlichen Austausch mit der Region Asien-Pazifik fördert.
Kritik an Schuldenpolitik des Militärs
Hinzu kommt das Haushaltsdefizit. "Man muss sich Sorgen machen", schreibt dazu eine der bekanntesten Bloggerinnen des Landes, die unter dem Pseudonym Mae Luk Chan publiziert. Ihre Kolumne "Die grüne Nachrichtenagentur", die als Stimmungsbarometer der thailändischen Gesellschaft gilt, wird teilweise auch auf Deutsch im Blog Passau Watching Thailand"verbreitet.
Die Kolumnistin setzt sich kritisch mit dem neuen Haushaltsplan der Regierung auseinander. Für 2018 plant der nach dem Putsch eingesetzte Nationale Rat für Frieden und Ordnung (NCPO) ein Defizit von zwölf Milliarden US-Dollar ein. Seit die Militärs an der Macht sind, war jeder Staatshaushalt defizitär. Die aktuelle Staatsschuldenquote liegt bei rund 50 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Im internationalen Vergleich liegt Thailand damit ziemlich genau im Mittelfeld, nähert sich aber der selbstgesetzten Schuldenobergrenze von 60 Prozent an.
Ambitionierte Zukunftspläne
Das Militär will das Geld unter anderem nutzen, um seine auf 20 Jahre angelegte "Nationale Strategie" und die Wirtschaftsinitiative "Thailand 4.0" auf den Weg zu bringen. Beide wurde erstmalig 2016 vorgestellt. Damit soll Thailand vor der Stagnation als Land mittleren Einkommens („middle income trap") bewahrt werden und binnen fünf Jahren zu den Ländern mit hohem Einkommen aufrücken. Dazu rechnet die Weltbank alle Länder, bei denen das Pro-Kopf-Einkommen über 12.700 US-Dollar liegt. Aktuell liegt Thailands Pro-Kopf-Einkommen bei knapp 5.800 US-Dollar.
Die Regierung hofft, mit staatlichen Investitionen den niedrigen Konsum und die große Zurückhaltung von privaten Investoren zu beenden. Doch Kommentatorin Mae Luk Chan ist besorgt, dass bei ausbleibendem Erfolg Thailand seine wirtschaftliche Stabilität aufs Spiel setzt. Auch die "Bangkok Post" formuliert ähnliche Bedenken: "Das größere Defizit gefährdet die Stabilität der Staatsfinanzen, falls die gewünschten Resultate nicht erzielt werden."
Strukturelle Probleme
Daniel Müller vom Ostasiatischen Verein sieht aber die eigentlichen wirtschaftlichen Probleme Thailands woanders. Das Land sei eine der am schnellsten alternden Gesellschaften in Asien. Das Durchschnittsalter liege schon jetzt bei 38,5 Jahren. Die Zahl der Erwerbstätigen werde künftig sukzessive abnehmen. Das Land habe zudem beim wichtigen Export von Elektronikgeräten den Anschluss an den "smart trend" verpasst, da notwendige Modernisierungen und Investitionen ausgeblieben sind. Auf längere Sicht, vermutet Müller, wird Thailand kaum mehr über drei Prozent Wirtschaftswachstum erzielen.
Um dem zu begegnen, müsse in die Bildung und Infrastruktur investiert werden und die Unterschiede der Einkommen müssten verkleinert werden. "Das sind alles objektive Dinge, die getan werden müssen. Demgegenüber ist die relativ begrenzte staatliche Verschuldung eigentlich noch kein drängendes Problem, wenn das Geld in die richtigen Kanäle fließt."
Gelenkte Marktwirtschaft
Die Militärregierung hat das nach Ansicht Müllers durchaus erkannt und Maßnahmen ergriffen, um etwa den Privatkonsum zu fördern und die Infrastruktur auszubauen. "Aber in beiden Bereichen haben die Maßnahmen nicht richtig gegriffen." Die Gründe: Es fehle auf Seiten der Militärs einerseits an fachlicher Expertise. Viel schwerer wiege aber die mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung. Der Kommentator der „Bangkok Post" sieht das ähnlich. Das nötige Vertrauen in die politische Führung wird durch die ständigen Änderungen an der "Road map für die Rückkehr zur Demokratie" untergraben.
Die auf 20 Jahre angelegte "Nationale Strategie" sei, so Müller, das wirtschaftliche Pendant zur gelenkten Demokratie. "Das Militär hat die Zügel in die Hand genommen und plant sehr langfristig. Nicht nur im politischen Bereich, wo die neue, im August angenommene Verfassung auf eine gelenkte Demokratie hinausläuft, sondern auch im wirtschaftlichen Bereich." Vieles deute darauf hin, dass Thailand sich dabei verstärkt am nördlichen Nachbar China orientiert.