Wohin mit dem Atommüll?
8. September 2014"Wir sind uns alle bewusst, dass wir eine der größten Herausforderungen der modernen Zivilisationsgesellschaft zu bewältigen haben", sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bei der Sitzung der Endlager-Kommission (08.09.2014) zur Suche eines atomaren Endlagers. Bis spätestens Mitte 2016 wollen die Mitglieder der Kommission Kriterien für eine solche Lagerstätte erarbeiten, wobei es die größte Herausforderung sei, einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen, betonte die Ministerin.
Eine große Herausforderung war es auch, erst einmal ein gemeinsames Gremium aus den Kontrahenten zu bilden. Die Mitglieder der 33-köpfigen Kommission aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften, Umweltverbänden und Religionsgemeinschaften konnten sich nicht einmal auf einen Vorsitzenden einigen. Jetzt übernehmen Ursula Heinen-Esser (CDU) und der SPD-Politiker Michael Müller abwechselnd den Vorsitz.
Organisationen wie Greenpeace haben ihre Mitwirkung von Beginn an verweigert. Sie befürchten, dass die Suche nicht transparent und ergebnisoffen verlaufe, sondern sich die Entscheider am Ende auf Gorleben einigen könnten.
Ergebnisoffene Suche oder doch Gorleben?
Von 1986 an wurde allein der Salzstock auf seine Tauglichkeit hin untersucht. Unter der rot-grünen Bundesregierung wurde ein Aufschub vereinbart, die Erkundungen auf Eignung von 2000 bis 2010 unterbrochen. Denn es gab Zweifel an der Tauglichkeit des Salzgesteins und vehemente Kritik der Atomgegner. Ihrer Meinung nach war der Standort im niedersächsischen Wendland aus rein politischen Gründen gewählt - weil im ehemaligen inner-deutschen Grenzgebiet gelegen.
Die Energiekonzerne haben in Bohrungen und Forschungsarbeiten im Salzstock des Erkundungsbergwerks bislang rund 1,6 Milliarden Euro investiert. Und während des Moratoriums müssen die AKW-Betreiber jährlich 22 Millionen Euro für die Unterhaltung aufbringen.
Ob sich der Salzstock überhaupt als Endlager für den strahlenden Kernbrennstoff eignet, der bei der Energieproduktion anfällt, ist selbst bei Experten höchst umstritten. Andererseits sollen sich die geologischen Gegebenheiten in Norddeutschland eher eignen als in anderen Regionen. Doch hat sich die Politik verpflichtet, auch andere Standorte auf ihre Eignung zu erkunden.
Lager für eine Million Jahre gesucht
Und so müssen die Mitglieder der Kommission nach Antworten auf Fragen wie diese suchen: Salz in Norddeutschland, Ton auf der Schwäbischen Alb oder Granit in den Bayerischen Alpen? Wo kann der hochgiftige Kernbrennstoff am besten isoliert werden? Wie tief müssen die Elemente unter der Erde gelagert werden? Soll das Lager möglichst für immer abgedichtet werden? Oder soll es Optionen geben, den Müll zurückzuholen, sofern Methoden und Mittel gefunden wurden, die tödliche Strahlung zu stoppen, die eine Million Jahre andauert? Allein der Prozess, welche Kriterien der Suche zugrunde gelegt werden sollen, wird die Kommission bis 2016 beschäftigen.
Nur scheinbar viel Zeit zur Endlagersuche
Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel bezweifelt, dass der im Endlagergesetz dokumentierte Termin - bis 2031 einen Endlagerstandort gefunden zu haben - zu realisieren sei. Bis dahin sei es unmöglich, hinreichend Forschungserkenntnisse für geeignete Standorte und Gesteinsarten zu gewinnen, sagte der Grünen-Politiker der Hannoverschen Neuen Presse.
Die vier Stromkonzerne, die AKW betreiben, haben indes Widerspruch eingelegt gegen ihre Kostenbeteiligungen von rund 230 Millionen Euro an den beiden niedersächsischen Atom-Endlagerprojekten Gorleben und Schacht Konrad. In Letztgenanntem sollen schwach- und mittelradioaktive Atomabfälle endgelagert werden. Bis 2022 sollen alle Atommeiler in Deutschland stillgelegt werden.
Ausstiegs-Strategie der AKW-Betreiber
Laut Atomgesetz müssen sich die Stromerzeuger an allen Kosten beteiligen, die für den Abriss der Reaktoren und die Endlagerung von Atommüll entstehen. RWE, Eon, EnBW und Vattenfall argumentieren allerdings, dass sie durch den von der Politik beschlossenen Atomausstieg Unsummen verlieren. Die Rücklagen, die sie bilden müssen, könnten nicht ausreichen. Auch erwägen die Energiekonzerne, die AKW in eine öffentlich-rechtliche Stiftung auszugliedern, um dadurch nicht mehr zur Kasse gebeten zu werden. Nach den Vorstellungen von Eon, RWE und EnBW soll die Stiftung die AKWs bis zum Ende ihrer Laufzeit betreiben, dann allerdings Abriss und Atommüll-Entsorgung übernehmen. Die bisher angelegten Entsorgungs-Rückstellungen von mehr als 30 Milliarden Euro sollen in die Stiftung fließen. Die neuerliche Endlagersuche wird nochmals auf zwei Milliarden Euro beziffert.
Bis das Endlager gebaut und die atomaren Altlasten dort eingelagert werden können, sollen nochmals 20 Jahre vergehen. Wolfram König, Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz, nannte dafür frühestens 2050 als realistisch. Bis 2100 soll es dauern, um alle Behälter mit radioaktivem Material eingelagert zu haben. Aber auch über Langzeitzwischenlager und Betonbunker wird diskutiert.
Deutschland steht mit seiner Suche nach einem geeigneten Endlager nicht allein da. Von allen rund 40 Ländern, die durch Atomkraft Strom erzeugen, hat nur Finnland angefangen, ein Endlager in Granit zu bauen, um den hochradioaktiven Uran-Schrott, der bis zu eine Million Jahre Mensch, Tiere und Pflanzen verstrahlen kann, sicher unter der Erde unterzubringen.
Dagegen konnte Bundesumweltministerin Hendricks verkünden, dass das Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle bis 2022 in Betrieb gehen soll. Im Schacht Konrad bei Salzgitter sollen 95 Prozent der radioaktiven Fässer aus deutschen Kernkraftwerken entsorgt werden. Diese vom Umfang her großen Mengen machen aber nur ein Prozent der Radioaktivität aus.