Woher kommen Russlands Drohnen?
17. Oktober 2022Sie sind zermürbend und heimtückisch: Russland setzt im Krieg gegen die Ukraine auch Drohnen ein, mutmaßlich auch aus dem Ausland. Mit einer Geschwindigkeit von rund 200 Kilometern pro Stunde fliegen sie durch die Luft und dröhnen dabei so laut, dass sie auch von Weitem zu hören sind - bevor sie zum Angriff übergehen.
Eine Woche nach schweren russischen Luftangriffen am 13. Oktober waren laut Agenturberichten am 17. Oktober in der Stadt erneut Explosionen zu hören. Laut Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sei davon der Innenstadtbezirk Schewtschenkiwskyj betroffen. Mehrere Wohnhäuser seien beschädigt worden.
Der Stabschef von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Andrij Jermak, sprach auf dem Kurznachrichtendienst Telegram von Angriffen mit sogenannten Kamikaze-Drohnen. "Die Russen glauben, das werde ihnen helfen, aber es zeigt nur ihre Verzweiflung", erklärte Jermak.
Stammen Kamikaze-Drohnen aus dem Iran?
Welchen Schaden die Drohnen anrichten können, zeigte sich bereits am 5. Oktober, als nach ukrainischen Angaben die russische Armee erstmals auch Ziele nahe der Hauptstadt Kiew mit Kamikaze-Drohnen aus dem Iran angegriffen hatte.
Dabei hatte es sechs Einschläge und Explosionen gegeben, so der Gouverneur des Gebiets Kiew, Olexij Kuleba, im Nachrichtendienst Telegram. Insgesamt wären zwölf iranische Drohnen aus südlicher Richtung gekommen, wohl um die Infrastruktur zu zerstören.
Unter Kamikaze-Drohnen versteht man laut der Webseite "Military Factory" mit Sprengköpfen bestückte unbemannte Flugkörper. Mitte September soll das ukrainische Militär nach eigenen Angaben die erste Drohne iranischer Herkunft abgeschossen haben.
Seither seien etwa zwei Dutzend weitere in der Südukraine gesichtet worden, sagte Militärsprecherin Natalia Humeniuk laut AFP Ende September. Die Hälfte von ihnen sei abgeschossen worden. Vor allem Odessa wurde jedoch auch immer wieder von Drohnen angegriffen, dabei starben auch Zivilisten.
Dass der Iran Russland mit Drohnen beliefern soll, wurde schon vor Monaten kommuniziert. Ende August hatte die US-Regierung unter Berufung auf Geheimdienstinformationen berichtet, dass Russland im Iran unbemannte Drohnen für seinen Krieg in der Ukraine kaufen wolle - vor allem auch deshalb, weil die russische Industrie wegen der Sanktionen keine Drohnen mehr produzieren könne. Die Beschaffung von einzelnen Komponenten und Ersatzteilen hat sich dadurch stark erschwert.
Laut der Nachrichtenagentur AFP hat Russland nun Drohnen vom Typ Mohajer-6 angeschafft. Die Kampfdrohne kann 40 Kilogramm an Nutzlast tragen und erreicht eine Geschwindigkeit von 200 Stundenkilometern. Außerdem sei die Schahed-136, eine kleine Kamikaze-Drohne mit einer Reichweite von bis zu 2500 Kilometern, gekauft worden. Der Iran hatte eine Lieferung offiziell bestritten.
Wie gefährlich sind die Drohnen?
Auch wenn es immer wieder zu tödlichen Angriffen kommen soll: Laut Experten seien die Drohnen nicht sehr effektiv. Jeremy Binnie vom britischen Analyse-Unternehmen Janes berichtet gegenüber AFP von hohen Ausfallraten, weil die Systeme nicht besonders hochwertig hergestellt worden seien. Zudem sei die Sprengkraft "relativ gering." Die Drohnen hätten deshalb nach seiner Einschätzung keinen großen Einfluss auf den Verlauf des Krieges.
Das Fatale aber: Auf einem Radar seien sie sehr schwer zu entdecken, so eine Unteroffizierin gegenüber dem US-amerikanischen Magazin "Politico". Ihre Einheit bei Cherson hatte durch einen Angriff zwei Panzer samt Crew verloren. Zudem würden sie "psychologischen Druck" auf die Bevölkerung aufbauen, so Militärsprecherin Natalia Humeniuk. Das laute Dröhnen dürfte bei den ohnehin schon belasteten Menschen Angst auslösen.
Türkische Drohnen made in Ukraine?
Russland zeigte während des Sommers auch Interesse an türkischen Kampfdrohnen. Die Hersteller der Bayraktar-Drohnen stellten jedoch Ende August klar, dass sie Moskau nicht beliefern würden.
"Ganz gleich, wie viel Geld sie uns anbieten, in dieser Situation kommt es nicht in Frage, ihnen Drohnen zu überlassen. Im Moment unterstützen wir voll und ganz die ukrainische Seite", sagte Haluk Bayraktar, der Geschäftsführer des türkischen Rüstungs-Unternehmens, in der BBC.
Die Bayraktar-TB2 werden derzeit erfolgreich vom ukrainischen Militär eingesetzt. Die TB2-Drohne von Baykar ist in der Ukraine sehr beliebt, nachdem sie zur Zerstörung zahlreicher russischer Artilleriesysteme und gepanzerter Fahrzeuge beigetragen hat.
Nun plant das türkische Rüstungsunternehmen laut Agenturangaben sogar den Bau einer Fabrik in der Ukraine. Dies hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach einem Treffen mit dem Chef des Konzerns am 9. September bekannt gegeben.
Die Drohne ist 6,50 Meter lang und besitzt eine Spannweite von zwölf Metern. Sie kann mehr als 24 Stunden in der Luft bleiben und hat eine maximale Geschwindigkeit von rund 220 Kilometern pro Stunde. Und: sie sei preiswerter als die westliche Konkurrenz, berichten Experten.
Drohne israelischer Herkunft?
Auch über eine mögliche Beteiligung Israels gab es zu Beginn des Ukraine-Krieges Spekulationen. Mitte März kursierten laut "The Times of Israel" in digitalen Medien Fotos, die angeblich die Überreste einer in der Ukraine abgeschossenen russischen Drohne zeigen, die von einem israelischen Flugobjekt stammen soll.
Die Fotos, deren Echtheit nicht überprüft wurde, zeigen die Überreste einer Forpost-Drohne, einschließlich einer Plakette mit dem Namen der Israel Aerospace Industries (IAI), einer israelischen Flugzeug- und Raketenbaufirma. Die Forpost ist allerdings eine Aufklärungsdrohne, die von Russland hergestellt wird. Sie ist eine lizensierte Kopie des israelischen IAI Searcher. Die Lizenz wurde schon vor Jahren an Russland verkauft.
Dieser Artikel ist erstmals am 5. Oktober erschienen und wurde nun aktualisiert.