Dubais trügerische Glitzerwelt
21. Februar 2021Der Emir von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid al-Maktum, hat sehr viel investiert, um sein Land von einem staubigen, öl-abhängigen Flecken mitten in der Wüste zu einem modernen, superreichen, innovativen und attraktiven Ziel für Unternehmen und Touristen gleichermaßen zu entwickeln. Erst in der vergangenen Woche machten die Vereinigten Arabischen Emirate, zu denen auch Dubai gehört, Schlagzeilen damit, dass sie mit ihrer eigenen Weltraummission den Mars erreichten.
Einige Tage später jedoch geriet der 71-jährige Milliardär, seit 2006 Vizepräsident und Premierminister der Emirate, auf eine andere Art in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Auf eine Art, die er selbst sicher lieber vermieden hätte. Denn die Vereinten Nationen, internationale Politiker und verschiedene Menschenrechtsorganisationen richteten ihren Blick auf das Schicksal einer seiner Töchter, Prinzessin Latifa bint Mohammed al-Maktum.
Die dunkle Seite eines strahlenden Bildes
Prinzessin Latifa ist eine von rund 30 Kindern des Scheichs und hat zwei Schwestern, die denselben Vornamen tragen. Im März 2018 war sie mit einem Segelboot Richtung Indien geflohen, dann aber zur Rückkehr gezwungen worden. Seitdem wird sie in einer "Gefängnisvilla" festgehalten. Tiina Jauhiainen und David Haigh, Mitbegründer der Kampagne "Befreit Latifa!", haben nun heimlich aufgenommene Videos aus dieser Villa veröffentlicht, nachdem sie über sechs Monate lang nichts mehr von Latifa gehört hatten.
"Wir haben den Kontakt zu ihr verloren", sagt Tiina Jauhiainen gegenüber der DW, "doch ich bin sicher, dass sie noch lebt." Die finnische Fitneßtrainerin ist eigenen Angaben zufolge Latifas beste Freundin. Sie setzt nun alle Hoffnungen auf US-Präsident Biden, nachdem dieser auch schon seinen Einfluss für die Freilassung der saudi-arabischen Menschenrechtsaktivistin Ludschain al-Hathlul geltend gemacht haben soll. Ihr Kollege David Haigh ist Latifas Anwalt und arbeitet für "Detained International", eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Großbritannien, die Flüchtlingen weltweit Rechtsbeistand anbietet. Er appellierte auch an den Staatschef der Vereinigten Arabischen Emirate, Präsident Scheich Khalifa bin Zayid al-Nahyan und an seinen Kronprinzen Scheich Mohammed bin Zayed bin Sultan al-Nahyan, den Vizepräsidenten Scheich Al-Maktum "anzuweisen, seine in Geiselhaft gehaltene Tochter unverzüglich freizulassen und so die schreckliche Zeit des elterlichen Machtmißbrauchs und der Menschenrechtsverletzungen zu beenden, die den Ruf der Vereinigten Arabischen Emirate schwer beschädigt und die Welt entsetzt" habe.
Bereits die zweite verschwundene Prinzessin
Amnesty International, Human Rights Watch, die Vereinten Nationen und zahlreiche Politiker folgten diesem Aufruf und forderten Scheich Al-Maktum auf, Beweise vorzulegen, dass Prinzessin Latifa noch am Leben sei.
Hiba Zayadin, Expertin für die Golfregion bei Human Rights Watch, weist darauf hin, dass auch Latifas ältere Schwester, Prinzessin Schamsa, "nicht mehr gesehen wurde, seit sie im Jahre 2000 auf offener Straße in Cambridge gekidnapped wurde." Im Jahr 2019 kam eines der obersten Gerichte Großbritanniens, der High Court of Justice in London, zu dem Schluss, dass die jetzt rund 40-jährige Schamsa entführt, nach Frankreich geflogen und mit Gewalt zur Rückkehr nach Dubai gezwungen worden sei. "Damit warf das Gericht ein Licht darauf, wie die Vereinigten Arabischen Emirate die Rechtsstaatlichkeit grob missachten - sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Landesgrenzen", so Zayadin.
"Dubai profitiert von einem repressiven Umfeld, so dass es sich selbst als Bastion des Liberalismus darstellen kann. Aber hinter dieser glitzernden Fassade steckt eine deutlich hässlichere Realität, in der Kritiker eingesperrt und die Rechte von Arbeitsmigranten eingeschränkt werden", erklärt Kenneth Roth, Geschäftsführer von Human Rights Watch, gegenüber der DW: "Und eine Realität, in der der Herrscher von Dubai seine erwachsene Tochter einsperrt, weil sie einem Leben unter seiner strenger Kontrolle entfliehen wollte. Und UNHCR-Sprecher Rupert Colville bestätigte, dass "wir diese neuen Entwicklungen innerhalb der Vereinigten Arabischen Emirate sicherlich zur Sprache bringen werden".
Schein und Wirklichkeit
Mit großer Sorgfalt und viel Geld hat Dubai sich seinen Ruf als weltoffene Metropole am Golf geschaffen, als Steuerparadies für Unternehmen und als globales Finanzzentrum - und das Emirat präsentiert sich als deutlich liberaler als seine Nachbarn Saudi-Arabien, Oman oder Katar. Luxushotels und zahlreiche Attraktionen verwandelten das Emirat in einen Touristenmagneten. Der Tourismus machte im Jahr 2019 rund zwölf Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus - Tendenz steigend.
Dabei setzt Dubai - weil es an geschichtsträchtigen oder landschaftlichen Höhepunkten fehlt - voll auf Konsum. Und das Emirat ist offen für Online-Influencer, die gerne im Emirat leben wollen. Diese profitieren durchaus von den jüngsten Gesetzesreformen im Land, nach denen so genannte "Ehrenmorde" nun unter Strafe gestellt werden, unverheiratete Paare zusammen leben dürfen und Personen über 21 Jahren Alkohol kaufen und nach Hause mitnehmen dürfen. Dennoch müssen sie sich an die Gesetze des Landes halten, wenn sie auf Instagram oder Twitter über ihr Leben berichten. Küssen, fluchen oder das Unterstützen von LGBT-Rechten ist nicht erlaubt. Und auch das Schicksal von Prinzessin Latifa wird seinen Weg in die Instagram-Stories der Internet-Sternchen nicht finden. Eine Prinzessin - oder zwei - in einer Gefängnisvilla? Das passt sicher nicht in das Bild, das der Emir von Dubai gerne von seinem Emirat in die Welt transportieren möchte.