Wo ist die Grüne Bewegung?
17. Juni 2013"Wo ist meine Stimme" und "Nieder mit der Diktatur" – das waren 2009 die Schlachtrufe der "Grünen Bewegung" auf den Straßen Teherans und anderer Städte des Landes. Die Bilder von Frauen und Männern mit grünen Stirnbändern, Halstüchern und Bannern gingen vor vier Jahren um die Welt.
Auslöser der Proteste war die Bekanntgabe der Wahlergebnisse nach der Abstimmung über einen neuen iranischen Präsidenten. Vor Sonnenaufgang des 23. Juni 2009, als der Wahlausschuss noch immer Stimmen auszählte, trat der Leiter des Wahlausschusses, Kamran Daneshjoo, vor die Fernsehkameras. Er verkündete, Mahmud Ahmadinedschad sei mit 63 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Unterstützer der beiden iranischen Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karoubi glaubten an Wahlbetrug. Sie beschuldigten öffentliche Stellen und Behörden, das Wahlergebnis gefälscht zu haben, um den bisherigen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad an der Macht zu halten.
Verhaftungen während der Demonstrationen
Nur wenige Stunden nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse beanspruchte Mussawi in einer ersten Stellungnahme den Sieg für sich und bezeichnete die Abstimmung als "inszeniert und manipuliert". Zur gleichen Zeit ließ das Regime die ersten Reformpolitiker und Journalisten festnehmen. Diese Ereignisse bildeten den Auftakt für wochenlange Demonstrationen im ganzen Land, die als "Grüne Bewegung" des Iran bekannt wurden. Hunderttausende gingen auf die Straße, und das Regime reagierte auf den öffentlichen Protest mit aller Härte. Tausende wurden festgenommen und zu Gefängnisstrafen verurteilt; über 70 Menschen kamen durch das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte oder im Gefängnis unter Folter ums Leben. Hunderte von Journalisten und Aktivisten mussten aus dem Land flüchten.
Arjoumand: "Die 'Grüne Bewegung' lebt!"
Vier Jahre ist das nun her, und auch im Vorfeld der diesjährigen Präsidentschaftswahlen hatten sich die Spannungen zwischen Regierung und Opposition wieder verstärkt. Die Meinungen darüber, ob die "Grüne Bewegung" wieder an Schlagkraft gewinnen und aktiv werden würde, sind geteilt. "Die andauernde illegale Festsetzung von Karoubi, Mussawi und seiner Frau Zahra Rahnavard trotz internationalen Drucks ist ein klares Zeichen dafür, dass die Grüne Bewegung noch lebt", meint der Mussawi-Berater Ardeshir Amir Arjomand im Gespräch mit der Deutschen Welle. Alle drei stehen, seit sie ihre Anhänger zum Solidaritätsprotest für den Arabischen Frühling aufgerufen hatten, seit zwei Jahren unter Hausarrest.
"Die Autoritäten wissen, dass die Anhänger von Mussawi und Karoubi sich nach Ende des Hausarrests wieder organisieren würden", meint Arjomand, der heute im europäischen Exil lebt. "Ich denke, die Grüne Bewegung existiert trotz der extremen Unterdrückung noch immer."
Neben den Repressalien gegen die beiden Köpfe der "Grünen Bewegung" Mussawi und Karoubi hatte das Regime tatsächlich in den Monaten vor der Wahl den Druck auf Journalisten und Aktivisten im Land verstärkt. Im Februar 2013 verhängte das iranische Informationsministerium eine Nachrichtenblockade. Außerdem wurden dutzende Reporter verhaftet und der Spionage bezichtigt.
Abdi: "Kein Demonstrant weit und breit"
Andere sind jedoch der Meinung, dass die "Grüne Bewegung" im Iran schon längst nicht mehr existiert. So etwa der Soziologe Abbas Abdi: "Eine politische Bewegung zeichnet sich durch die Präsenz ihrer Anhänger im öffentlichen Raum aus. Am 25. Juni 2009 waren rund zwei Millionen Demonstranten auf der Straße. Und was ist heute? Kein einziger Demonstrant weit und breit." Abbas Abdi bezeichnet sich selbst als Reformer und politischen Aktivisten. Er gehörte zur Gruppe der Geiselnehmer, die 1979 monatelang US-Bürger in der Botschaft in Teheran gefangen hielt.
Abdi beschuldigt die Anhänger der "Grünen Bewegung", sie hätten den Sieg ihres Kandidaten nach der Wahl 2009 ohne jeden sicheren Beleg eingefordert. "Ich glaube nicht, dass es damals zu einem entscheidenden Wahlbetrug kam. Auch Mussawis und Karoubis Wahlbeobachter im damaligen Wahlkomitee konnten keinen eindeutigen Nachweis erbringen, dass es bei der Endauszählung der Stimmen zu Betrug kam." Tatsächlich hatten die Wahlbeobachter der Kandidaten ein paar Tage nach der Wahl angegeben, ihnen sei der Zugang zu allen erforderlichen Dokumenten verwehrt worden.
Wie geht es für Karoubi und Mussawi weiter?
Die Präsidentschaftswahl 2013 erlebten die beiden Reformer Karoubi und Mussawi im Hausarrest mit. Doch die Chancen, dass dieser Hausarrest nach dem Amtsantritt des neuen Präsident im August aufgehoben wird, sind gestiegen.