Wo bleiben die Mpox-Impfungen für Afrika?
30. August 2024Die ersten 10.000 Impfdosen im Kampf gegen die Virus-Epidemie Mpox haben Afrika erreicht. Doch anstatt in die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo), das Zentrum des Ausbruchs, ging die Spende aus den USA nach Nigeria. Damit ist das westafrikanische Land das erste, das eine Charge erhalten hat. Die nigerianischen Gesundheitsbehörden hatten bereits nach dem Ausbruch des Virus im Jahr 2022 eine frühzeitige Kampagne gestartet, um sich die Impfstoffe zu sichern. Das westafrikanische Land hat bisher keine Todesfälle und auch keine Infektionen der neuen Virusvariante Klade 1b registriert. Sie breitet sich derzeit vom Osten der DR Kongo auf die Nachbarländer aus.
Noch immer keine Impfungen für die DR Kongo
Die DR Kongo auf anderer Seite wird in dieser Woche nicht mehr beliefert. Hier wurden seit Jahresbeginn und bis zum 23. August mehr als 18.000 Verdachtsfälle von Mpox und 615 Todesfälle registriert. Unterstützung zugesagt hatte dafür die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAid) in Form von 50.000 Impfdosen, ein Liefertermin wurde jedoch nicht bekannt gegeben. Japan zog mit bis zu drei Millionen Dosen nach - versprochen, aber noch nicht geliefert.
Auch Deutschland, Frankreich, die EU und Spanien, sowie die Impfstoffhersteller Emergent BioSolutions und Bavarian Nordic, sicherten Spenden zu, sodass insgesamt maximal gut vier Millionen Imfpdosen zugesagt wurden (Stand 29.08.2024).
Die Europäische Kommission hat die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, bis Ende August mitzuteilen, ob sie beabsichtigen, Mpox-Impfstoffe für Afrika zu spenden. Einige Länder, darunter die Niederlande, haben entschieden, ihre nationalen Vorräte zu behalten.
"Gebt eure Impfstoffe ab"
"Die Anzahl der Dosen ist zu gering", kritisiert Fred Binka, Epidemiologe an der Universität für Gesundheit und verwandte Wissenschaften in Ghana. "Sie wird einfach keine Wirkung auf Mpox haben. Sehen Sie sich an, wie es sich allein in der DR Kongo ausgebreitet hat. Und es lohnt sich nicht, eine solche Anzahl von Dosen nach Nigeria zu schicken. Wenn wir überhaupt keine Impfstoffe haben, sollten wir die Impfstoffe zunächst in der DR Kongo konzentrieren, um die Ausbreitung von dort in andere Länder zu verhindern."
Laut Binka ist es Aufgabe der Afrikanischen Union und ihrer Gesundheitsbehörde Africa CDC, gleiche Bedingungen zu schaffen und die Verteilung der Impfstoffe zu organisieren. Er fordert: "Diejenigen, die ihren Impfstoff noch aufbewahren, sollten ihn abgeben, damit wir die Ausbreitung des Virus eindämmen können."
Mpox-Impfungen nicht für Kinder zugelassen
Bei der Impfung sollte priorisiert werden, fordert Placide Mbala, Virologe und Leiter der Abteilung für Epidemiologie und globale Gesundheit am Nationalen Institut für biomedizinische Forschung in der DR Kongo. Neben Kindern kämen "vor allem auch Sexarbeiterinnen, Teenager und andere Risikogruppen für diese Impfung in Frage", so Mbala.
Bei den Spenden handelt es sich um drei unterschiedliche Impfstoffe, die ursprünglich zur Bekämpfung der Pocken entwickelt wurden. Sie konnten während des letzten Mpox-Ausbruchs 2022 verwendet werden, da die Erreger miteinander verwandt sind.
Nach Angaben des amerikanischen Zentrums für Seuchenkontrolle und -prävention (CDC) besteht der "beste Schutz" gegen Mpox aus zwei Dosen des Jynneos-Impfstoffs des dänischen Herstellers Bavarian Nordic. Das Unternehmen wartet derzeit auf die Zulassung in Europa, um die Verwendung des Jynneos-Impfstoffs auf Jugendliche auszuweiten, und hat für später in diesem Jahr eine neue klinische Studie angekündigt, um die Sicherheit des Impfstoffs bei Kindern im Alter von zwei bis zwölf Jahren in der DR Kongo zu untersuchen. 75 Prozent der aktuellen Mpox-Fälle in der DR Kongo sind Minderjährige.
Der ghanaische Gesundheitsforscher Binka fordert, rasch Testreihen durchzuführen, um den Impfstoff auch bei Kindern einsetzen zu können.
Der von dem japanischen Pharmaunternehmen KM Biologics hergestellte LC16-Einzelimpfstoff ist zwar international noch nicht auf dem Markt, in Japan aber bereits zugelassen; im Juni erhielt er eine Notfallgenehmigung von der DR Kongo. LC16 ist bisher auch der einzige Impfstoff, der für Kinder zugelassen ist - allerdings nur in Japan. "Für die DR Kongo wird empfohlen, Kindern LC16 und Jugendlichen und Erwachsenen Jynneos zu geben," sagt Mbala im DW-Interview.
Ein dritter, von Emergent BioSolutions hergestellter Impfstoff, ACAM2000, wird gegen Mpox erprobt, obwohl er mehr Nebenwirkungen verursacht als die beiden anderen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO war bis Ende August keine dieser Impfstoffoptionen für Mpox getestet worden.
Ein Kampf an mehreren Fronten
Kritiker bemängeln das komplizierte Zulassungsverfahren der WHO, was den Kauf des Impfstoffs durch internationale Agenturen stark verlangsamt. Obwohl seit dem letzten Ausbruch in Nigeria bereits zwei Jahre vergangen sind, hat die WHO die verfügbaren Impfstoffe noch nicht offiziell zugelassen, da erforderliche Daten nicht vorlägen. Erst im August forderte die WHO die Impfstoffhersteller, ihr Interesse an einer Notlizenz für Mpox-Impfungen anzumelden. Dies würde es der WHO ermöglichen, Eilzulassungen durchzuführen - was voraussichtlich im September geschehen soll.
Der Kauf der Impfstoffe ist für viele afrikanische Länder allerdings unerschwinglich: Der Impfstoff von Bavarian Nordic kostet mindestens 100 US-Dollar pro Dosis, der Preis für den Impfstoff von KM Biologics ist nicht bekannt.
Binka wirft der WHO vor, sie habe den Startschuss vor zwei Jahren verschlafen: "Es ist noch nicht zu spät. Jetzt ist die WHO sich im Klaren, dass wir einen zweigleisigen Ansatz verfolgen müssen, um die Mittel für die Verteilung der Impfstoffe zu beschaffen, aber auch um die Grundlagenforschung zu betreiben, die zeigt, wie gut diese in unserem Teil der Welt funktionieren werden." So könnte ein größerer Ausbruch noch vermieden werden.
Die WHO hat nun erklärt, sie wolle ihr Personal in den betroffenen Ländern "erheblich" aufstocken. Dies sei Teil eines Sechsmonatsplans, der den Zugang zu Impfstoffen erleichtern und die Prävention und Reaktion verbessern solle. Was sie dafür braucht, sind 135 Millionen US Dollar - und das schließt nicht die Kosten für zwei Millionen Impfstoffdosen ein.
Für den kongolesischen Virologen Mbala sind diese Schritte nur Tropfen auf den heißen Stein, solange afrikanische Länder nicht die Mittel haben, "um selber Impfstoffe auf dem Kontinent herstellen zu können".
Mitarbeit: Adjoa-Sika Assignon