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Politik

Doch nicht reich durch Airbnb

13. Juni 2018

Rund 3,5 Millionen Besucher werden zur Fußballweltmeisterschaft in Russland erwartet. Irgendwo müssen sie unterkommen. DW-Korrespondentin Julia Vishnevetskaya bietet ihre Wohnung bei Airbnb an: Ein Erfahrungsbericht.

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Russland Fußball WM 2018 Maskottchen
Bild: picture-alliance/L. Perenyi

Die Idee, meine Wohnung während der WM 2018 zu vermieten, kam von meiner Freundin Marina. Sie bietet ihre Wohnung schon länger Touristen bei Airbnb an, dem größten Marktplatz für die Buchung und Vermietung von Privatunterkünften im Internet. Marina sagt, sie könne mit ihrer Familie immer aufs Land fahren. Die Vermietung sei eine Möglichkeit, etwas dazuzuverdienen. "Der Eigentümer der Wohnung weiß davon nichts. Ich denke, dass ihm das egal ist", sagt sie.

Normalerweise vermietet Marina einen Raum ihrer Zweizimmerwohnung für 4000 Rubel (rund 55 Euro) pro Tag. Den anderen Raum mit ihren persönlichen Gegenständen schließt sie ab. Als im Herbst 2017 die Nachfrage für den Sommer 2018 deutlich anstieg, erhöhte sie die Miete auf 5000 Rubel (circa 68 Euro) pro Tag. "Schon im Dezember war die Wohnung für die gesamte WM-Zeit ausgebucht", erinnert sich Marina. Mit etwas mehr Geduld hätte sie vielleicht deutlich mehr Geld bekommen: "Ich hätte alles stornieren und mehr Geld verlangen können, aber das hätte meiner Bewertung auf der Webseite geschadet."

Russland DW Korrespondent
Yulia Vishnevetskaya berichtet für die DW aus RusslandBild: DW/Y. Wyschnewezkaya

Tatsächlich war im Januar 2018 die Nachfrage nach Mietwohnungen an den WM-Austragungsorten stark gestiegen. Beispielsweise wurde auf Airbnb eine alte Einzimmerwohnung in Mytischtschi am Rande Moskaus für 250 Euro pro Tag angeboten. Im Zentrum von Moskau war kaum eine Wohnung unter 400 Euro zu finden. Schlafplätze in Hostels wurden für umgerechnet 160 bis 200 Euro pro Tag angeboten.

Was aus dem erhofften Geldsegen wurde

Also dachte ich mir: Um gutes Geld zu verdienen, könnte auch ich einen Monat auf dem Lande verbringen. Erst im Winter war ich mit meiner Familie in eine Mietwohnung im Zentrum Moskaus gezogen. Bei Airbnb habe ich mich aber erst im Frühjahr angemeldet. Denn es hieß, bis dahin würden die Mieten weiter steigen. Ich vereinbarte, die Einnahmen während der WM mit meinem Vermieter zu teilen, die über meine Miete von umgerechnet 700 Euro pro Monat hinausgehen. 

Doch es war ein Fehler, so lange zu warten. Sehr viele Moskauer kamen auf die Idee, ihre Wohnung an WM-Besucher zu vermieten. Als ich im April eine Anzeige bei Airbnb veröffentlichte, war die Tagesmiete in Moskau auf 150 bis 300 Euro gefallen. Ich verlangte 250. Die Wohnung war sofort für zwei Tage von einer Familie aus Kolumbien gebucht.

Danach wurde ich von einer Gruppe Franzosen angeschrieben. Sie wollten wissen, ob ich sie bei den Behörden vor Ort am Tag ihrer Ankunft anmelden könne. Früher mussten sich Ausländer in Russland innerhalb von sieben Tagen bei den Behörden am Aufenthaltsort registrieren lassen. Vor der WM wurde diese Pflicht verschärft. Ab dem 25. Mai müssen sich nun alle Ausländer im Laufe eines Tages beim Föderalen Migrationsdienst anmelden. Die Registrierung muss der Wohnungsbesitzer erledigen. Mein Vermieter dachte mehrere Tage nach und war schließlich bereit, mit den Pässen der Franzosen zur Behörde zu gehen. Doch die Franzosen hatten nicht so lange gewartet.

Die Preise purzeln plötzlich

Danach interessierte sich zwei Wochen lang niemand für meine Wohnung. In dieser Zeit fielen die Mieten noch weiter - auf durchschnittlich 165 Euro pro Tag. Zu etwa diesem Preis buchten sieben Argentinier meine Wohnung. Sie zahlen für fünf Tage 848 Euro. Davon gehen 50 Euro für die Reinigung drauf und 31 Euro bekommt automatisch Airbnb. Dann konnte ich meine Wohnung noch für die erste Juli-Woche für 638 Euro an vier junge spanischsprachige Männer aus San Francisco vermieten. Es laufen noch Verhandlungen mit anderen Argentiniern. Abzüglich unserer Monatsmiete, der Reinigung, der Steuern und des Anteils des Eigentümers der Wohnung, erwarte ich einen Nettogewinn von umgerechnet rund 680 Euro - also gar nicht so viel.

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Jetzt wieder günstiger - eine Wohnung in Moskau zur WMBild: AP

Inzwischen ist bei Airbnb eine Wohnung im Zentrum von Moskau während der WM ab 90 Euro pro Tag zu haben, was den üblichen Preisen entspricht. Die russische Maklerin Jekaterina Simarjewa sagt, auch sie habe inzwischen weniger Anfragen. Von den von ihr angebotenen 270 Wohnungen in Moskau seien nur 43 ausgebucht, obwohl sie über ein großes Kundennetzwerk verfüge und den Moskauer Immobilienmarkt seit vielen Jahren kenne. Über ihre Firma suchen aber meist keine Fußballfans eine Unterkunft, sondern Personal und Servicekräfte der WM.

Angst um die Wohnung

Übrigens ist es gar nicht so einfach, die Einnahmen über Airbnb ausgezahlt zu bekommen. Airbnb schickt dem Vermieter per Post eine amerikanische Payoneer-Karte, mit der man das Bargeld im Ausland abheben kann, aber je nach Betrag werden Gebühren von zwei bis vier Prozent fällig. Marina sagt, sie nutze die Karte lieber für Zahlungen im Internet. "Ich warte so lange, bis sich eine größere Summe anhäuft, und dann buche ich zum Beispiel Flugtickets", sagt sie. Von den Einnahmen während der WM will sie einen neuen Computer kaufen. 

Wir fragen uns beide, wie sich die WM-Gäste benehmen werden. Marina hat sie gleich vorgewarnt, dass die Nachbarn die Polizei rufen dürfen, sollten sie nach 23 Uhr Lärm machen. Ich drücke Argentinien die Daumen: Denn wenn Lionel Messis Mannschaft verliert, bleibt vielleicht von meiner Wohnung nicht mehr viel übrig. Ich hoffe mal, dass ich mit den Einnahmen aus den Vermietungen während der WM nicht meine Wohnung renovieren muss.