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WM 2023: Wie der Hidschab turnierfähig wurde

24. Juli 2023

Nouhaila Benzina aus Marokko ist die erste Fußballerin, die bei einem WM-Spiel ein Kopftuch trägt. Bedanken kann sie sich dafür bei einer Kanadierin, die vor 16 Jahren für Schlagzeilen sorgte.

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Die Marokkanerin Nouhaila Benzina mit Hidschab beim WM-Spiel gegen Südkorea.
Nouhaila Benzina - die erste WM-Spielerin, die einen Hidschab trägtBild: Hannah Mckay/REUTERS

Nouhalia Benzina hat Fußballgeschichte geschrieben. Als erste Fußballerin trug die Marokkanerin bei einem Spiel einer Weltmeisterschaft einen Hidschab - im Vorrundenspiel gegen Südkorea. Im Auftaktspiel der Nordafrikanerinnen gegen Deutschland (0:6) hatte sie sich zwar vor dem Anpfiff warm gemacht, war aber nicht zum Einsatz gekommen. Dass die 25 Jahre alte Verteidigerin überhaupt die Chance erhielt, eine Weltmeisterschaft zu spielen, verdankt sie der Kanadierin Asmahan Mansour.

Protest einer Elfjährigen

2007 machte die damals Elfjährige weltweit Schlagzeilen. Mansour wollte mit ihrer Mannschaft aus Ottawa an einem lokalen Fußballturnier in der Stadt Laval teilnehmen. Als das Mädchen mit Hidschab auflief, forderte der Schiedsrichter sie unter Hinweis auf die Regeln des Fußballverbands FIFA auf, das Kopftuch abzulegen. Erst dann dürfe sie spielen. Mansour weigerte sich, ihre Mannschaft verließ aus Protest gegen den Ausschluss der Spielerin das Turnier.

Mansour und auch der kanadische Fußballverband wandten sich an die FIFA. Der Weltverband bestätigte daraufhin seinen Hidschab-Bann und führte dafür zwei Argumente an. Zum einen könne das Kopftuch zu Verletzungen führen und sei deshalb gefährlich, so die FIFA. Zum anderen verstoße es gegen die Regel, dass Ausrüstung und Kleidungsstücke frei "jeder politischen oder religiösen Stellungnahme" bleiben müssen.

Kappe statt Kopftuch

Kritiker wandten ein, dass es keine Belege für ein Sicherheitsrisiko gebe und dass die FIFA in Sachen Religion mit zweierlei Maß messe. So habe sie ja auch nichts gegen religiöse Gesten von Spielern, wie einem Kreuzzeichen vor Spielbeginn, vor einem Elfmeter oder beim Torjubel. Doch die FIFA blieb hart.

Vor den Olympischen Jugendspielen 2010 in Singapur untersagte sie einer iranischen Juniorinnen-Mannschaft den Start beim Turnier, weil die Spielerinnen mit Hidschab antreten wollten. Schließlich durften sie doch spielen - mit Kappen statt Kopftüchern. Auch 2011 untersagte die FIFA der iranischen Fußballnationalmannschaft der Frauen, mit Hidschab beim Olympia-Qualifikationsspiel in Jordanien aufzulaufen.

Hidschab-Premiere bei U17-WM in Jordanien

Zu jener Zeit deutete sich jedoch bereits ein Kurswechsel an. Verantwortlich dafür war der jordanische Prinz Ali bin al-Hussein, der Anfang 2011 als Vertreter Asiens zum FIFA-Vizepräsidenten berufen worden war. Mit ihm bekamen die Hidschab-Befürworter einen Fuß in die Tür der FIFA-Entscheidungsträger.

2012 beschloss das International Football Association Board (IFAB) - das internationale Gremium, das über die Fußballregeln entscheidet - eine zweijährige Probephase für Spiele mit einem "athletischen Hidschab". Designer aus der Sportartikelindustrie hatten ein eng anliegendes Kopftuch entwickelt, das die Sicherheitsbedenken der FIFA endgültig zerstreute. "Es gibt keine medizinische Literatur über Verletzungen als Folge eines Kopftuchs", urteilte das IFAB. Der Hidschab könne deshalb nicht - wie es die FIFA bis dahin getan hatte - als "gefährlich" eingestuft werden.

Nach Abschluss der Probephase ließ der Fußball-Weltverband 2014 den Hidschab für internationale Spiele zu. Bei der Weltmeisterschaft der U17-Juniorinnen im Oktober 2016 in Jordanien liefen mit Tasneem Abu-Rob and Rand Albustanji aus dem Team der Gastgeberinnen erstmals Fußballerinnen bei einem FIFA-Turnier mit Kopftuch auf.

Weiter Hidschab-Verbot in Frankreich

Untersagt ist der Hidschab nach wie vor im französischen Fußball. Noch Ende Juni erklärte der Staatsrat (Conseil d'État) das Kopftuch-Verbot bei Fußballspielen für rechtens. Die Vorgabe des Fußballverbands FFF, auf den Hidschab zu verzichten, sei "angemessen und verhältnismäßig", urteilte das oberste Verwaltungsgericht Frankreichs.

Sportverbände könnten ihre Athleten verpflichten, "bei sportlichen Wettkämpfen und Veranstaltungen neutrale Kleidung zu tragen, um einen reibungslosen Ablauf der Spiele zu gewährleisten und Zusammenstöße oder Konfrontationen zu vermeiden", so der Staatsrat. Geklagt hatten "Les Hijabeuses", eine 2020 gegründete Gruppe, die sich dafür einsetzt, dass Fußballerinnen in Frankreich den Hidschab tragen dürfen. Die Aktivistinnen werden unter anderem von französischen Ex-Stars der Männer wie Eric Cantona und Lilian Thuram unterstützt.

Der Artikel wurde nach Benzinas erstem WM-Auftritt im Spiel gegen Südkorea (30. Juli) aktualisiert. 

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter