Wachstumsprognose deutlich gesenkt
12. November 2014
Die sogenannten "Wirtschaftsweisen" geben der schwarz-roten Koalition eine gehörige Mitschuld an der Konjunkturschwäche in Deutschland. Der aktuelle wirtschaftspolitische Kurs stelle eine Belastung für die wirtschaftliche Entwicklung dar, schreiben die fünf Top-Ökonomen in ihrem am Mittwoch in Berlin an die Bundesregierung überreichten Gutachten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wies die Kritik am schwarz-roten Rentenpaket und am Mindestlohn umgehend zurück.
Streit um Mindestlohn
Sie wehrte sich gegen die Darstellung, die Politik von Union und SPD sei eine Ursache für die aktuelle Konjunkturflaute. "Wir sehen hierfür vor allen Dingen geopolitische Herausforderungen, die Deutschland zum Teil auch sehr stark treffen", sagte die Kanzlerin bei der Übergabe des Jahresgutachtens der fünf Wirtschaftsweisen in Berlin. Das Expertengremium macht unter anderem die für 2015 geplante Einführung des Mindestlohns für die schlechtere Wirtschaftslage mitverantwortlich. "Es ist nicht ganz trivial zu verstehen, wie ein Beschluss, der noch nicht in Kraft ist, jetzt schon die konjunkturelle Dämpfung hervorrufen kann", sagte Merkel. Ihre Regierung werde sich dennoch konstruktiv mit dem Gutachten auseinandersetzen.
Die Wirtschaftsentwicklung habe sich in den vergangenen Monaten und Wochen verlangsamt, erklärte Merkel, die dafür vor allem weltweite Krisen verantwortlich machte. Die Regierung werde einige Maßnahmen ergreifen, um gegenzusteuern. Dazu gehört ein neues 10-Milliarden-Investitionsprogramm. In ihrem Gutachten senken die Regierungsberater die Konjunkturprognose deutlich: Im nächsten Jahr erwarten sie in Deutschland nur noch ein Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent. Damit sind die "Wirtschaftsweisen" pessimistischer als die Regierung, die für 2015 ein Plus von 1,3 Prozent erwartet. Für 2014 senken die Ökonomen ihre Prognose deutlich von 1,9 auf 1,2 Prozent.
"Kein Aufbruchstimmung"
Der Vorsitzende des Rates, Prof. Christoph Schmidt, betonte, Deutschland sei trotz des Dämpfers in seinem Bestand und in seiner Leistungsfähigkeit immer noch stark. Die Wirtschaftspolitik sollte aber dazu beitragen, das Wachstum zu stärken. "Eine wirtschaftliche Aufbruchstimmung hat die Große Koalition jedenfalls bislang nicht erzeugt", heißt es in dem gut 400 Seiten langen Gutachten. Vielmehr zeichne sich bereits heute deutlich ab, dass die aktuellen Maßnahmen den künftigen Reformbedarf erhöht hätten.
Koalitionspartner SPD fand noch schärfere Worte: Das Gutachtender Ökonomen zeige erneut, "dass die Mehrheit der Sachverständigen nicht willens ist, sich von ihrer marktradikalen Ideologie zu lösen", sagte SPD-Finanzexperte Joachim Poß. Solche Berichte "helfen weder der Politik noch den Menschen in diesem Land".
Seit 1963 beurteilen die Ökonomen für die Regierung die gesamtwirtschaftliche Lage und machen Vorschläge zur Wirtschaftspolitik. In den vergangenen Jahren hat die Politik die Empfehlungen der Professoren jedoch weitgehend ignoriert.
hb/uk (dpa, rtrd)