Wirtschaft warnt vor schärferen Sanktionen
18. März 2014Die am Montag (17.03.2014) beschlossenen Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland verstärken in der deutschen Wirtschaft die Furcht vor einer weiteren Verschärfung des Konfliktes. Wirtschaftlicher Schaden sei auch ohne Wirtschaftssanktionen längst entstanden, sagte der Chef des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, am Montag. Käme es zu harten Beschränkungen in Geschäftsverkehr, würden die russische und die europäische Wirtschaft geschwächt.
Die EU-Außenminister hatten nach der Volksabstimmung auf der Krim einstimmig Reisebeschränkungen und Kontensperrungen für 21 Ukrainer und Russen beschlossen. Diese Personen werden maßgeblich für das vom Westen als illegal betrachtete Referendum verantwortlich gemacht. Allgemein wird dies als Signal an Russland gesehen, das aber alle diplomatischen Kanäle offen hält, sagt Tobias Baumann, Russlandexperte beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag DIHK: "Man darf bezweifeln, dass das die russische Führung besonders hart trifft. Dennoch ist es ein Signal, und wir müssen abwarten."
Investitionspläne neu bewertet
Psychologisch sei schon im Vorfeld der Sanktionen viel Schaden angerichtet worden, sagen Experten wie Tobias Baumann: "Einzelne Unternehmen stellen ihre Investitionen erst mal auf den Prüfstand, die Kapazitätsausweitung von Volkswagen in Kaluga zum Beispiel, oder andere Projekte. Die werden jetzt erst einmal neu betrachtet." Rund 6200 deutsche Unternehmen sind derzeit in Russland engagiert - sie haben dort rund 20 Milliarden Euro investiert.
"Das Ausmaß der Direktinvestitionen ist relativ gering", sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Das gilt sowohl für die deutschen Direktinvestitionen in Russland als auch für die russischen Direktinvestitionen hier in Deutschland. Einzelne Unternehmen sind sehr stark engagiert, aber insgesamt haben deutsche Unternehmen in China viel, viel mehr investiert oder in Westeuropa oder in den USA." Russland sei eine vergleichsweise kleine Wirtschaft: "Nur drei Prozent unserer Exporte gehen nach Russland."
Entsprechende Antwort?
Dennoch geht die Furcht um, dass sich Sanktionen und Gegensanktionen womöglich zu einem Sanktionskrieg aufschaukeln könnten: "Die russische Seite hat angekündigt, dass sie Maßnahmen mit entsprechenden Gegenmaßnahmen beantworten würde", gibt DIHK-Experte Baumann zu Bedenken. "Und das könnte bedeuten, dass es eben auch Kontensperrungen gibt, dass vielleicht Kredite nicht mehr bedient werden, dass möglicherweise deutschen Mitarbeitern die Ausweisung droht, dass vielleicht auch Enteignungen auf der Tagesordnung stehen. Die Unruhe unter den deutschen Unternehmen ist groß."
Eigentlich aber sind sich alle darüber im Klaren, dass Russland verschärfte Wirtschaftssanktionen weniger gut verkraften würde als Europa. "Die wirtschaftliche Situation in Russland zeigt Anzeichen einer Krise", so wird der stellvertretende Wirtschaftsminister Sergej Beljakow von der Nachrichtenagentur Reuters zitiert. Und auch Jörg Krämer hält Russland für "wirtschaftlich schwach, auch wenn es militärisch in einem Konflikt mit der Ukraine stark erscheint. Das Wachstum beträgt im letzten Jahr nur gut ein Prozent. Vergleichen Sie das mit den sieben Prozent in China!"
Der Mittelstand fehlt
Zudem sei die russische Wirtschaft immer noch sehr stark auf Energie basiert. Es habe sich nie ein richtiger Mittelstand entwickelt, sagt Krämer. "Wie sollte er das auch bei der Rechtsunsicherheit in dem Land? Russland ist wirtschaftlich schwach - es kann sich gar nicht leisten, sich seine Energiekundschaft im Westen zu vergraulen", so die Hoffnung des Commerzbank-Chefvolkswirts.
So sieht das auch mit der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes: "Russland ist immer ein außerordentlich verlässlicher Lieferant für Gas und Öl gewesen. Selbst in Zeiten des kältesten Kalten Krieges. Aus meiner Sicht haben wir keinen Anlass zu befürchten, dass Russland Öl und Gas als Waffe der Politik einsetzen wird. Oder einfacher formuliert: Russland wird genauso weiter liefern, wie es in den vergangenen Jahrzehnten geliefert hat."