Verbandsumfrage 2012
27. Dezember 2011Die Schuldenkrise geht auch an den stärksten Unternehmen nicht spurlos vorüber – so das Ergebnis einer aktuellen Studie: Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln befragt am Ende jeden Jahres die Verbände der 46 wichtigsten Branchen nach ihren Erwartungen für das kommende Jahr. Fest steht: Die Stimmung ist derzeit schlechter als vor zwölf Monaten. Dieser Meinung sind die Mitglieder von 23 der 46 befragten Wirtschaftverbände. "Was in dieser allgemein getrübten Stimmung sichtbar wird", sagt IW-Direktor Michael Hüther im Gespräch mit DW-WORLD.DE, "steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den konkreten, robusten Aussagen für die Entwicklung der einzelnen Branchen."
Was der Fachmann damit sagen will: Bei genauerem Hinsehen zeigt sich ein optimistischeres Bild, als man angesichts drastisch gesenkter Wachstumsprognosen für 2012 erwarten durfte. Denn gerade die deutschen Schlüsselindustrien sind eher zuversichtlich: Automobil- und Maschinenbau, die Chemie, das Handwerk und das Baugewerbe erwarten steigende oder zumindest gleichbleibende Umsätze. Insgesamt sind sich 26 von 46 Verbänden in dieser positiven Grundhaltung einig. Sie rechnen mit höheren Umsätzen beziehungsweise höherer Produktion als im Jahr 2011. Weitere neun Branchen erwarten konstante Zahlen.
Krise bremst Konjunktur
Nach allgemeiner Übereinstimmung werden die Schuldenkrise und ihre Folgen die Konjunktur weiter bremsen – auch die Branchen mit Rekordumsätzen sind davon überzeugt. Wird da lediglich auf hohem Niveau geklagt und gejammert? "Auf keinen Fall", meint Michael Hüther. Es spiegele sich lediglich eine "Verunsicherung" wider angesichts der Fragen, wohin die Krise noch eskalieren könne und ob die Politik alles im Griff habe.
Die deutsche Wirtschaft hat im Jahr 2011 gut verdient und will diese Gewinne nicht im Sparstrumpf verschwinden lassen. Mit 29 Verbänden erwartet die Mehrheit ein gleichbleibendes Investitionsvolumen ihrer Mitgliedsfirmen im neuen Jahr. Außerdem gehen 31 Branchen von stabilen Beschäftigungszahlen aus, nur acht befürchten einen Abbau von Arbeitsplätzen.
Arbeitsmarkt entspannt sich weiter
"Die Arbeitsmarktlage bleibt entspannt", so Hüther. Sie entspanne sich auch aufgrund des demographischen Wandels noch weiter. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit werde deutlich zurückgehen, auch wenn der Anstieg der Erwerbstätigkeit nicht mehr so deutlich sein werde. "Aber es bleibt ein robustes, gutes und Zuversicht gebendes Bild des Arbeitsmarktes", ist sich der IW-Chef sicher. Und das passe ja auch wieder zusammen mit dem, "was wir schon 2011 beim privaten Konsum erlebt haben". Denn das dominante Thema der Menschen sei die Sorge um den Arbeitsplatz, und wenn diese Sorge nicht da sei, "haben wir auch einen besseren Hintergrund für den privaten Konsum."
Pessimismus in der Finanzbranche
Pessimistisch blicken vor allem die Finanzbranche und die Energiewirtschaft dem neuen Jahr entgegen: Banken und Versicherungen leiden am meisten unter der Schuldenkrise und den schlechten Bewertungen von südeuropäischen Euro-Staatsanleihen, die sie massenhaft in den Depots haben. Außerdem müssen sie aufgrund neuer Bestimmungen ihre Eigenkapitalbasis stärken.
Die Energieproduzenten müssen den Ausstieg aus der Kernenergie nach der Atomkatastrophe in Japan verkraften. Kraftwerke werden nach und nach stillgelegt. Erneuerbare Energien gilt es auszubauen, Stromnetze müssen modernisiert werden.
Schlüsselindustrien prägen den Trend
Trotz aller Eintrübungen leitet Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft aus der aktuellen Verbandsumfrage für 2012 ein hoffnungsvolles Gesamtbild ab. Es zeige sich, dass vor allem die für die deutsche Wirtschaft so wichtigen export-orientierten Branchen sehr solide da stünden. Daraus folge, so Hüther, trotz aller Verunsicherungen "ein Bild nach vorne", das unverändert in Einklang stehe mit der aktuellen Konjunktur-Prognose seines Instituts für das kommende Jahr: "Ein Prozent Anstieg des Bruttoinlandsprodukts 2012 – das ist nicht viel, aber das ist eher so etwas wie eine robuste Entwicklung."
Allerdings seien Unternehmen wie auch private Haushalte derzeit stark verunsichert: Die anhaltenden Diskussionen um die staatlichen Schuldenprobleme und die Zukunft des Euro könnten die Perspektiven eintrüben.
Autor: Klaus Ulrich
Redaktion: Rolf Wenkel