Wirrwarr um Lukaschenkos Flieger
16. Oktober 2020Die Nachricht schlug wie eine Bombe in den russischsprachigen Medien und sozialen Netzwerken ein: "Arbeiter der Lufthansa Technik in Hamburg weigern sich, das Flugzeug von Alexander Lukaschenko zu warten". Mit solchen oder ähnlichen Schlagzeilen rangen ukrainische, regierungskritische belarussische sowie russische Internet-Portale und TV- und Radiosender um die öffentliche Aufmerksamkeit.
Welcher Sender die Nachricht zuerst gebracht hat, ist nicht mehr auszumachen. Aber die ursprüngliche Quelle steht fest: es ist ein Flugblatt der örtlichen Verdi-Gewerkschaft, das der DW vorliegt. Der Haken dabei: von einer Weigerung, das Flugzeug des belarussischen Machthabers zu warten, ist in dem Protestschreiben keine Rede.
Was steht im Verdi-Flugblatt?
Der Protest richtet sich vielmehr gegen den belarussischen Machthaber Lukaschenko selbst. "Es ist das Flugzeug von Lukaschenko, der zur selben Zeit auf Demonstranten schießen lässt", schreibt Verdi über die belarussische Boeing 737 mit der Kennung EW-001PA, die zur Wartung nach Hamburg geflogen ist.
Die Gewerkschaft informiert ihre Mitglieder ausführlich über die Lage in Belarus und nennt die Zustände im Land "absolut inakzeptabel": "Die Arbeitnehmer in Belarus werden systematisch in ihren Rechten eingeschränkt. Regelmäßig werden Gewerkschafter und andere Oppositionelle inhaftiert und sind anschließend Demütigungen und Gewalt ausgesetzt (...). Sowohl das Recht auf freie Meinungsäußerung als auch das Recht, sich in unabhängigen Gewerkschaften zu organisieren, und auch das Streikrecht sind stark eingeschränkt."
Forderungen an Lukaschenko
Anschließend listet Verdi auf deutsch und belarussisch Forderungen an Lukaschenko auf: Ende der Gewalt, Recht zu streiken und sich in unabhängigen Gewerkschaften zu organisieren, Freilassung aller politischen Gefangen, echte demokratische Wahlen und Rücktritt von Lukaschenko.
Und was ist mit der Weigerung, sein Flugzeug zu warten? Verdi erinnert an die Ereignisse vor knapp 31 Jahren, als Nicolae Ceausescu die Proteste in Rumänien niederschlagen ließ, während sein Flugzeug in Hamburg zur Reparatur stand. "Gemeinsam legten wir damals die Schraubenschlüssel nieder, um gegen dieses Vorgehen zu protestieren", berichtet Verdi.
Doch diesmal gibt es keinen Aufruf zur Arbeitsniederlegung, nur die Erwartung, dass die Geschäftsleitung der Lufthansa Technik so wie damals auf jegliche Sanktionen verzichtet, "falls Kolleginnen und Kollegen sich weigern, an dem entsprechenden Flugzeug zu arbeiten".
Lufthansa Technik: Wartung verläuft planmäßig
Einige in Deutschland lebende Belarussen gingen auf die Straße, um gegen die Wartung von Lukaschenkos Flieger zu demonstrieren. Eine kleine Protestaktionen fand am Mittwochnachmittag vor dem Lufthansa-Standort in Hamburg statt, noch eine - am Donnerstag in Köln - vor dem Lufthansa-Büro auf der Venloer Straße.
Auf Anfrage der DW hat auch Wolfgang Reinert, Head of External Communications der Lufthansa Technik AG in Hamburg, bestätigt: "Unsere Service-Arbeiten laufen an allen Kundenflugzeugen planmäßig, die wir zur Zeit in Hamburg haben".