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Wirecard: Wer kontrolliert die Kontrolleure?

Mischa Ehrhardt
26. Juni 2020

Nach der Pleite von Wirecard stehen Anleger und Beschäftigte vor einem Scherbenhaufen. Klar ist, dass in diesem Fall des Milliardenbetrugs alle Aufsicht versagt hat. Nationale Lösungen dürften nicht ausreichen.

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Wirecard-Zentrale in Aschheim  bei München
Bild: Imago Images/Sven Simon/F. Hoermann

Nach der Pleite des Dax-Konzerns Wirecard stellt sich nun die Frage, was alles schief gelaufen ist, dass es zu solche einer Situation kommen konnte. "It takes two to Tango - einen Betrüger und einen, der es nicht bemerkt", bringt der Aktienstratege der Baader Bank, Robert Halver, es auf den Punkt. Die Blicke richten sich auf die Verantwortlichen im Konzern - hier agiert nun vor allem die Staatsanwaltschat in München.

Sie richten sich aber auch auf den langjährigen Wirtschaftsprüfer des Konzerns, EY (ehemals Ernst & Young).Und auf die Aufsichtsbehörde Bafin. "Ein solcher Skandal sollte ein Weckruf sein, dass wir mehr Aufsicht brauchen", mahnte Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Das sei man den Beschäftigten, Aktionären und dem Finanzplatz Deutschland schuldig. Das Bundesfinanzministerium prüfe nun die vorhandenen Aufsichtsstrukturen und werde in den kommenden Tagen ein Konzept ausarbeiten.

Ein "Desaster" - auch für die Aufsicht

Viele Kleinanleger hatten ihr Geld in das vermeintliche Börsenwunderkind gesteckt, das vor zwei Jahren die  Deutsche Bank nach Börsenwert überholte und die altehrwürdige Commerzbank aus dem Deutschen Aktienindex stieß. Der Präsident der Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin, Felix Hufeld, spricht von einem "Desaster" und räumt Versäumnisse seiner Behörde ein. Am kommenden Mittwoch soll Hufeld im Finanzausschuss Rede und Antwort stehen.

Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende kritisiert, dass vor allem der Blick der Aufsicht in den vergangenen Jahren zu beschränkt blieb. "Das Problem war vor allem, dass man nur formal jeweils auf die Wirecard-Banktochter geschaut hat. Niemand kam auf die Idee, sich diesen großen Finanzkonzern mal insgesamt anzuschauen. Das aber wäre auch bei gegebenen Regeln möglich gewesen."

Gerade in Zeiten, wo im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung neue Spieler wie sogenannte Fintechs als Finanzdienstleister entstehen, die im Zweifel schnell wachsen und global agieren, sei eine entsprechende Antwort der Aufseher notwendig. "In der Bankenkrise haben wir festgestellt, dass es falsch ist, wenn nur nationale Aufseher so große Konzerne wie etwa die Deutsche Bank oder Barclays anschauen. Meine Forderung wäre, dass so große Finanzdienstleister in Zukunft von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt werden."

Die falschen Leute im Visier? Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in Bonn
Die falschen Leute im Visier? Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in BonnBild: picture-alliance/Bildagentur-online/Schoening

Die Falschen im Visier

Die Bürgerbewegung Finanzwende fordert eine unabhängige Untersuchung des Falls. Unrühmlich ist die Rolle der Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin im Fall Wirecard auch deswegen, weil es seit langem viele Hinweise gab, dass es in der Wirecard-Bilanz und bei Töchtern im asiatischen Raum nicht mit rechten Dingen zugehe. Die Financial Times hatte das in einer Serie von Artikeln beschrieben. Statt diesen Hinweisen nachzugehen, hatte die Bafin Anzeige auch gegen die Journalisten der Zeitung wegen des Verdachtes auf Marktmanipulation erstattet. "Es ist wirklich skandalös. Wo die Bafin etwas gemacht hat, ist sie in der falschen Richtung tätig gewesen. Sie hat die Aufklärer angegriffen, anstatt den Vorwürfen wirklich nachzugehen."

Doch auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY hat es offenbar lange Zeit nicht für nötig befunden, den Vorwürfen gegen Wirecard auf den Grund zu gehen. Rund zehn Jahre hat sie die Wirecard -Bilanzen als einwandfrei testiert. Erst vor wenigen Tagen haben sich die Prüfer geweigert, ihren Stempel unter die Bilanz zu setzen. "Die Prüfungsgesellschaft EY, die hier doch seit längerer Zeit tätig ist, hätte dem intensiver nachgehen müssen und hat die Luftbuchungen nicht genug hinterfragt", sagt Professor Wolfgang Gerke vom Bayerischen Finanzzentrum.

Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger hat am Freitag bekannt gegeben, Strafanzeige gegen zwei amtierende und einen ehemaligen Abschlussprüfer von Ernst & Young zu stellen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft selbst spricht dagegen von einem ausgeklügelten, weltumspannenden Betrugssystem, mit dem sie und die Anleger hinters Licht geführt worden seien. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass knapp zwei Milliarden Euro oder ein Viertel der Bilanz in den Büchern bei Wirecard nicht vorhanden sind, hatte das Unternehmen am Donnerstag einen Antrag auf Insolvenz gestellt.

Nach dem Zusammenbruch von Wirecard nimmt nun der Druck auf die Kontrolleure zu. So will die EU-Kommission prüfen lassen, ob die deutsche Finanzaufsicht BaFin bei der Kontrolle über den Zahlungsdienstleister versagt hat. Diesen ungewöhnlichen Schritt hat die Kommission am Freitag mitgeteilt. Die Bundesregierung sprach von einem "besorgniserregenden Fall". Nun müsse die Staatsanwaltschaft klären, ob ein Bilanzbetrug vorliegt. Schwächen bei Kontrollmechanismen müssten nun behoben werden.