"Wir waren die Ebola-Fighter"
20. Februar 2015Professor Joachim Gardemann (oben im Bild) war einer der ersten, die im letzten Jahr aus Deutschland in die Ebola-Region in Westafrika kamen, um dort zu helfen. In Sierra Leone behandelte der Kinderarzt fünf Wochen lang Menschen, die sich mit dem tückischen Virus infiziert hatten. Erfolgreich, wie er betont, denn etwa 65 Prozent der Erkrankten im Ebola Treatment Center von Kenema, der dritt-größten Stadt des Landes, haben die Krankheit überlebt. "Unsere Geheimwaffe waren Kokosnüsse", erzählt Gardemann schmunzelnd. "Kokosnussmilch war das beste Mittel gegen den gefährlichen Flüssigkeitsverlust durch Fieber, Durchfall und Erbrechen."
"Man darf nicht improvisieren"
Der Hochschullehrer aus Münster ist ein erfahrener Nothelfer. Seit 14 Jahren leitet der fröhliche und energische 59-jährige in seiner Heimatstadt das Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe. Außerdem gehört er zur Personalreserve des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) für internationale Nothilfe. Immer wieder reist er in die Krisenregionen dieser Welt. Selten aber ist ein Einsatz für die Helfer so gefährlich wie der in Kenema, erklärt er. Dreimal am Tag mussten sich Ärzte und Pfleger in die schweren Schutzanzüge zwängen, Plastikhandschuhe, Mundschutz und Taucherbrillen anlegen, bevor sie die Infizierten berühren durften. Einen Fehler durften sie sich nicht leisten, denn der Ebola-Erreger ist extrem ansteckend. "Ich bin es von Noteinsätzen in Krisengebieten gewohnt, dass man improvisiert. Hier darf man nicht improvisieren", so Gardemann.
Mehr als 45 Minuten hält man es bei den tropischen Temperaturen in Westafrika nicht aus in einem solchen Schutzanzug. Dann wird es auch für den Helfer gefährlich. Er könnte einen Zusammenbruch oder Hitzschlag erleiden. "Wir waren die Ebola-Fighters", sagt Gardemann rückblickend, und ein bisschen Stolz schwingt in seiner Stimme mit. "So haben uns die Menschen in Kenema genannt."
Rückgang von Neuinfektionen
Der schwere und gefährliche Einsatz hat sich gelohnt. Die Infektionskrankheit, die noch vor wenigen Wochen die drei westafrikanischen Länder Sierra Leone, Liberia und Guinea bedrohte, ist inzwischen auf dem Rückzug. Gab es im Dezember noch rund 400 Neuinfektionen pro Woche, so ist deren Zahl inzwischen auf etwa 140 Fälle gesunken. Bis Mitte April 2015, so die Präsidenten der drei betroffenen Länder, soll die Epidemie beendet sein.
Auch Walter Lindner, der Ebola-Sonderbeauftragte der Bundesregierung, ist - vorsichtig – optimistisch, dass die Zahl der Neuinfektionen auf Null abgesenkt werden kann. "Das Licht am Ende des Tunnels ist sichtbar", sagt er bei einer Tagung des Bundespresseamtes in Berlin. Es sei möglich, bei den Neuinfektionen bald auf Null zu kommen. "Ob es gelingt, hängt davon ab, wie ernsthaft wir engagiert bleiben und welche Maßnahmen wir ergreifen".
Die letzte Meile ist die schwierigste
Trotzdem rät der Diplomat zur Vorsicht. Man kenne das Virus noch nicht so genau, dass man schon völlige Entwarnung geben könne. Die Zahl der Neuerkrankungen könne auch wieder ansteigen, zumal, wenn demnächst in den betroffenen Ländern die Regenzeit beginne. Dann werde es schwieriger, Infizierte in schwer zugänglichen Gebieten ausfindig zu machen, zu isolieren und zu behandeln. "Die letzte Meile bei der Bekämpfung der Seuche erfordert anderes Personal und anderes Vorgehen", so Lindner. Dafür brauche man nicht mehr die großen Behandlungszentren wie zum Höhepunkt der Seuche, sondern kleine flexible Teams, lokale Helfer, die vor Ort mit den Dorfältesten und Würdenträgern zusammen arbeiteten. Er selbst werde in der kommenden Woche zu seiner sechsten Reise in das Krisengebiet aufbrechen, um zu sondieren, welche Hilfe Deutschland nun anbieten könne, kündigt der Ebola-Sonderbeauftragte an. Ein Schwerpunkt der zukünftigen Arbeit sei die Hilfe für die Überlebenden und die Ebola-Waisen. Schätzungen zufolge haben mindestens 5000 Kinder durch die Epidemie ihre Eltern verloren. Auch das Deutsche Rote Kreuz will sich weiter engagieren und noch nicht so schnell aus der Krisenregion abziehen. "Wir bleiben mindestens bis Mitte des Jahres vor Ort", verspricht DRK-Präsident Rudolf Seiters.
Die Bundeswehr zieht ihre Helfer zurück
Die Bundeswehr dagegen wird vor dem Hintergrund der sinkenden Infektionszahlen im März damit beginnen, ihre freiwilligen Helfer zurückzuziehen. Derzeit sind noch insgesamt 60 Soldaten und Soldatinnen im Ebola-Gebiet, erklärte Sprecherin Angelika Niggemeier-Groben. Sie hatten sich gemeldet, nachdem Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im September 2014 die Soldaten in einem Tagesbefehl aufgerufen hatte, als freiwillige Helfer in das Krisengebiet zu gehen. Dieser Aufruf sei auf großen Zuspruch gestoßen, so die Sprecherin. Insgesamt hätten sich 2300 Interessenten gemeldet. 140 Soldaten hätten den erforderlichen Lehrgang bestanden. Für jeweils fünf Wochen seien die Freiwilligen im Ebola-Gebiet gewesen. Anschließend habe jeder Helfer mindestens eine Woche lang eine medizinische und psychologische Nachsorge in einer Klinik erhalten.
Lehren aus den Fehlern ziehen
Die Luftbrücke der Bundeswehr wird noch mindestens einen Monat lang aufrecht erhalten. In regelmäßigen Flügen mit zwei Transportmaschinen wurden insgesamt 600 Tonnen Hilfsgüter in die Krisenregion geflogen. Für die Bundeswehr sei dieser humanitäre Beitrag Neuland gewesen, erläutert Niggemeier-Groben. Nach dem Abschluss werde man Bilanz ziehen und überlegen, wie man die Hilfe in Zukunft noch effizienter gestalten könne.
Auch der Sonderbeauftragte Walter Lindner will nach dem Ende der Seuche Lehren aus der Krise ziehen und Fehler beheben. "Wieso haben wir Warnsignale übersehen? Was hätten wir besser machen können? Wer hätte die Warnglocke läuten sollen?" Die Bundesregierung und die Weltgemeinschaft insgesamt hätten zur spät auf den Ausbruch der Seuche reagiert. "Es ist mir ein Anliegen, dass das beim nächsten Mal besser läuft."