"Wir sind nur Freunde" - Putin in Athen
27. Mai 2016Ludmila freut sich über die klare Frühlingssonne in Athen. Mit einem Café Frappé zum Mitnehmen, jenem kalten, geschüttelten Kaffee, der an heißen Tagen in Griechenland angenehm erfrischt, startet sie in den Arbeitstag. Mindestens zehn Stunden schuftet die resolute Frau aus dem russischen Krasnodar als Haushaltshilfe oder private Altenpflegerin - am liebsten in der eigenen Nachbarschaft oder in den nördlichen Nobelvororten Athens.
"Der Job ist hart, aber nicht unangenehm, wenn der Auftraggeber dich respektiert", sagt Ludmila. Leider sei dies nicht immer der Fall. Da müsse eine Haushaltshilfe halt Konsequenzen ziehen und sich anderweitig umschauen. Doch insgesamt würden die Russen in Griechenland besonders herzlich aufgenommen, erklärt sie im Gespräch mit der DW: "Ich denke, die Menschen hier empfinden Freundschaft und manchmal auch Bewunderung für Russland".
Seit 20 Jahren lebt Ludmila am Mittelmeer. Die Entscheidung für Griechenland sei "reiner Zufall" gewesen. In den neunziger Jahren hatte sie Freunde nach Hellas begleitet und sich eher spontan für einen Kurzaufenthalt in Athen entschieden. Aus dem Gastspiel sind zwanzig Jahre geworden - ein "halbes Leben", wie sie sagt. Ludmila beteuert, sie liebe das Land, die Sonne, die Spaziergänge zur Akropolis.
Mentalitätsunterschiede seien jedoch nicht zu leugnen: "Wir Russen sind direkt und nennen die Probleme beim Namen, ohne Umschweife. Griechen sagen lieber alles durch die Blume, oft übertreiben sie auch. Da kann es schon mal zu Missverständnissen kommen." Doch mittlerweile fühlt sich Ludmila gut integriert in ihre zweite Heimat. Sollte sie irgendwann nach Krasnodar zurückkehren, würde sie sich dort vermutlich fremd vorkommen. Schade nur, dass sie in Athen keine Landsleute kenne, sagt Ludmila: "Hier leben zwar viele Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion, die untereinander Russisch sprechen, aber kaum ethnische Russen."
Touristenrekord angepeilt
Dafür kommen immer mehr Touristen. Über 500.000 Urlauber aus Russland wurden 2015 registriert. In diesem Jahr hofft Athen auf einen Besucherrekord von einer Million, trotz Rubel-Schwäche und restriktiver Visapolitik. Nicht zuletzt Präsident Wladimir Putin bestätigt die hohen Besucherzahlen aus Russland in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung "Kathimerini" am Donnerstag, einen Tag vor Ankunft in Athen. Auf dem Programm steht auch ein Besuch auf dem Heiligen Berg Athos.
Mit den Griechen will der Kremlchef freilich nicht nur über Tourismus sprechen: Auf den Energiesektor wolle er hinweisen und auch darauf, dass russische Unternehmer sich gerne an künftigen Privatisierungen beteiligen würden. Mit Bedauern stellt der Präsident allerdings fest, dass der "Rückgang" der Beziehungen zwischen EU und Moskau einer "Vertiefung" der bilateralen Zusammenarbeit im Wege stünde. Über die Krim verliert Putin kein Wort.
"Die Russen sind für uns vielleicht Freunde, aber keine strategischen Partner", moniert Konstantinos Filis, Russlandexperte und Forschungsdirektor am Athener Institut für Internationale Beziehungen. Seine Begründung: Bis auf das florierende Tourismusgeschäft könne Griechenland keine wirklich tiefgehende Zusammenarbeit mit Moskau vorweisen. Seine Handelsbilanz mit Russland sei negativ, griechische Exporte blieben unbedeutend.
Nach Ausbruch der Krimkrise sei die Annäherung auch nicht leichter geworden, sagt Filis. Andererseits: "Wir sehen, dass europäische Großmächte weiterhin ihre Geschäfte mit Russland pflegen. Aber wenn ein kleineres Land wie Griechenland ähnliches versucht, wird sein Vorgehen oft als egoistisch oder antieuropäisch gebrandmarkt. Das ist doch nicht fair." Deutschland sei geradezu ein Vorbild für eine echte "strategische Partnerschaft" mit Russland, lobt der Politikwissenschaftler im Gespräch mit der DW.
South Stream, zweiter Anlauf
Neun Jahre sind seit dem letzten Putin-Besuch in Athen vergangen. 2007 hatten der Kremlchef und der damalige griechische Regierungschef Kostas Karamanlis den Bau einer Pipeline vereinbart, die Erdöl aus Russland über Bulgarien und Hellas nach Mitteleuropa transportieren sollte. Die sogenannte South Stream Pipeline scheiterte damals an wettbewerbsrechtlichen Einwänden der EU-Kommission. Schlimmer noch aus Moskauer Sicht: Heute beteiligt sich Griechenland an der Trans-Adria-Pipeline (TAP), die Erdöl aus Aserbaidschan unter Umgehung Russlands nach Mitteleuropa liefern soll.
Putin lässt nicht locker und bringt eine Neuauflage des Südkorridors ins Gespräch. Der Konflikt ist programmiert, zumal die neue South Stream Pipeline ihren Anfang möglicherweise auf der Krim nehmen soll. Professor Filis gibt sich skeptisch: "Derzeit weiß niemand, ob die Pipeline durch Bulgarien oder die Türkei verlaufen soll, welche Ölmenge geliefert wird, ob Brüssel damit einverstanden ist."
Auch mit dem Versuch, bei der Privatisierung der Eisenbahn und des Hafens von Thessaloniki den Zuschlag zu ergattern, dürften die Russen wenig Glück haben, meint Filis. "Neulich billigten die Euro-Finanzminister die Gründung eines neuen Privatisierungsfonds, bei dem die Geldgeber Griechenlands das Sagen haben. Für mich ist das ein Zeichen, dass europäischen Firmen bei künftigen Privatisierungen Vorrang eingeräumt würde", so der Russlandexperte.
Ludmila kennt sich, wie sie beteuert, in der Politik nicht gut aus. Aber sie verfolgt gelegentlich die Nachrichtensendungen russischer TV-Sender über Satellit. Und sie spricht positiv über Putin. Sie weiß noch, dass Griechenland und Russland vor zehn Jahren eine neue Ölpipeline bauen wollten, aber die Griechen im letzten Moment abgesprungen waren - das hat wahrscheinlich keinen guten Eindruck hinterlassen. Aus ihrer Sicht sollten die beiden Länder doch noch zusammenkommen. Vor allem für das kriselnde Griechenland hätte dies Vorteile, glaubt die Frau aus Krasnodar.