Wir sind Helden
4. April 2011Die Erfolgsgeschichte der Band "Wir sind Helden" hat Bilderbuchcharakter. Sie gründet sich im Jahr 2000 in Hamburg und verkauft am Anfang noch handbemalte Second Hand T-Shirts: "Guten Tag – Wir sind Helden" steht darauf. Alles beginnt mit diesem Hit; mit einer Auflage von nur 3.000 Stück produziert und vor allem vom Berliner Sender Radioeins gespielt. Guten Tag: Das ist nervös zuckender Chanson-Punk, Konsumkritik zur richtigen Zeit, die das ganze Land zum Hüpfen bringt. "Die Reklamation" wird der passende Titel des ersten Albums im Jahr 2002. "Ich glaube schon, dass dieser Reklamationsgedanke sich bei uns durchzieht", sagt Sängerin Judith Holofernes, Aushängeschild der Band. "Wir fordern etwas ein, sei es rückhaltlose Liebe oder sei es Freiheit."
Neue "Neue Deutsche Welle"
Mit den Helden formiert sich so etwas wie die neue "Neue Deutsche Welle" des 21. Jahrhunderts, aber diesmal klingt es nicht bloß bizarr und lustig, wie die erste Version dieser Exportschlager. Stattdessen haben sich Wir sind Helden dem Wahren, Schönen und Guten verpflichtet. Dazu kommt die spritzige und freundliche Ausstrahlung von Sängerin Judith Holofernes, die kein Blatt vor ihren lächelnden Mund nimmt: Niemand sonst kann so gut maulen ohne wehzutun. Bassist Mark Tavassol setzt noch eins drauf: "Judith schreibt mit die besten deutschen Texte, die ich kenne. Und diesen Esprit merkt man ihr auch an, wenn man sie sprechen hört." In der Tat, berühmt gemacht haben die Band sicherlich Holofernes Wortspiele: "Mach die Lichter aus-nahmsweise mal nicht aus, Du bringst mich um...Schlaf und Verstand, Endlich ein Grund-los!-Panik!"
"Musikalische Dalai Lamas"
"Die Reklamation" wird in den Folgejahren zu einem der meistverkauften Alben. Der Nachfolger "Von hier an blind" steigt im Jahr 2005 gleich in der ersten Woche auf Platz 1 ein. Und auch das dritte Werk "Soundso" sowie die Scheibe "Bring mich nach Hause", die nach dreijähriger Babypause im Jahr 2010 produziert wird, lassen sich feiern. Mit jedem Album steigt die Popularität: Gold, Platin und der Musikpreis "Echo" ist fast schon abonniert. Die Musik macht in erster Linie Spaß, eignet sich hervorragend zum Mitsingen. Zwischen den Zeilen gibt es viel Stoff zum Nachdenken: Da outen sich vier vermeintliche Gutmenschen, politisch korrekt, kritisch.
Den Namen "Wir sind Helden" könnte man ironisch interpretieren, aber irgendwie stimmt das doch: Sie sind für viele zu Vorbildern geworden, Projektionsflächen oder gar die "Dalai Lamas der deutschen Musiklandschaft"? "Wenn man sich zaghaft in den Wald rausstellt und sagt, dass man als Mensch oder mit seiner Kunst tendenziell zum Guten in der Welt beitragen möchte, dann gibt es auch massiven Gegenwind", sagt Judith Holofernes. "Tatsächlich kriegen genau die Leute, die sich über eine politische Band freuen, gleich so was Investigatives: Wo können, wo werden die Helden uns verraten?"
Kein moralisches Aushängeschild
Wenn man so unter Beobachtung steht und Verantwortung tragen soll, liegt der Wunsch nach Ausbruch nahe: Wer will schon als moralisches Aushängeschild für eine ganze Nation herhalten? Doch andererseits müssten sich selbst verraten, um kein Klischee zu erfüllen. Also bleibt alles, wie es ist und geht auch so weiter. Zehn Jahre nach ihrer Gründung sind die Helden immer noch massentauglich und generationenübergreifend; ein Phänomen, das man von internationalen Superstars wie U2 oder Coldplay kennt. Die Kunst im Musikbusiness besteht dann darin, von der elitären Indierock-Gemeinschaft weiterhin ernst genommen zu werden. Wo es Nachfolgerinnen wie Juli oder Silbermond schon schwerer haben, scheinen "Wir sind Helden" zu bestehen. Heldenhaft.
Autorin: Eva Gutensohn
Redaktion: Matthias Klaus