1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Wir müssen mit dem Risiko leben"

Das Interview führte Christiane Wolters27. Juni 2005

Wie gefährlich ist der Bundeswehreinsatz in Afghanistan? Nach dem Tod zweier deutscher Soldaten hat DW-WORLD mit Fregattenkapitän Roland Vogler-Wander, Sprecher der Bundeswehr in Kundus, über die Risiken gesprochen.

https://p.dw.com/p/6q2s
Schwieriger Einsatz: Deutsche Soldaten in AfghanistanBild: AP
Am Samstag sind zwei deutsche Soldaten bei einer Entwaffungsaktion ums Leben gekommen. Wie gefährlich ist der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan?

Hier gibt es Munition und Waffen, die zum Teil Jahrzehnte in Erdlöchern gelegen haben und oft nicht richtig gelagert wurden. Natürlich ist da ein Risiko vorhanden. Jeder Soldat, der hierher kommt, ist sich dessen bewusst. Jeder wird auch speziell vorbereitet und geschult - etwa im Umgang mit Minen oder im Verhalten in besonderen Situationen. Wir versuchen, das Risiko so weit wie möglich zu minimieren, aber natürlich kann man nicht ausschließen, dass etwas passiert.

Der Unfall ist bei einer Entwaffnungsaktion passiert. Wie läuft eine solche Aktion normalerweise ab?

Da werden die Waffen hingelegt, registriert und auf LKW geladen. Alles, was nicht mehr von der afghanischen Armee gebraucht werden kann, wird dann zerstört und entsorgt. In dem speziellen Fall, in dem es zu dem Unfall gekommen ist, ging es um Piram Qul, einen der ehemaligen Kommandeure der Nordallianz. Der hatte natürlich viele Waffen. Jetzt möchte er aber an den Parlamentswahlen teilnehmen, und wer sich dort aufstellen lassen will, darf keine Waffen mehr haben. In diesem Zusammenhang hat die Einsammelaktion stattgefunden.

Woher weiß die Bundeswehr, wo Waffen sind?

Das wissen wir nicht, sondern das sagen uns die Afghanen. Wenn jemand sich zur Wahl stellen will, muss er seine Waffen - wie gesagt - abgeben. Falls ihn jemand beschuldigt, noch Waffen zu besitzen, wird er von der Wahlliste gestrichen.

Für die Warlords ist es momentan natürlich sehr interessant, in den politischen Prozess einzutreten. Das sehen wir als große Chance.

Das heißt, die Abgabe der Waffen erfolgt freiwillig?

Richtig. Es gibt keinen Zwang.

Um welche Art von Waffen geht es?

Meistens sind es Kleinkaliberwaffen, also Maschinengewehre wie Kalaschnikows. Es sind Panzerfäuste, Leichtgeschütze, Flugabwehrgeschütze, die im Bürgerkrieg benutzt worden sind, beziehungsweise im Kampf der Mudschaheddin gegen die Russen.

Kommt es im Rahmen solcher Aktionen häufiger zu heiklen Situationen?

Das Risiko besteht darin, dass die Munition nicht ordnungsgemäß gelagert ist, wenn zum Beispiel bei Minen die Sicherung schon gezogen ist. Natürlich ist es dann gefährlich. Aber unsere Leute sind so ausgebildet, dass sie diese Gefahr auch erkennen und dann sagen: Hier gehen wir nicht ran.

Die Entwaffung der Milizen gilt als zentrale Aufgabe für die Friedenssicherung in Afghanistan. Wie weit ist sie?

Es gibt in Afghanistan sehr viele Waffen. Aber ich sage immer: Jede Waffe, die abgegeben wird, macht Afghanistan ein Stück sicherer. Und jede Waffe, die nicht mehr in den Händen von den falschen Leuten ist, sondern in die Hände der Regierung geht, trägt zur Stabilität und auch zum Aufbau des Landes bei.

Wie steht die Bevölkerung zum Bundeswehreinsatz?

Positiv. Die Menschen wollen keine Waffen mehr. Sie wollen keine Warlords mehr. Sie wollen in Ruhe und Frieden leben und wollen Stabilität und politische Mitbestimmung. Dafür setzen sie sich ein.

Welche Stimmung herrscht nach dem Unfall vom Samstag (25.6.) bei der Truppe?

Wir leben hier zusammen in einem Camp mit 300 Leuten, wir sehen uns beim Essen, wir sehen uns, wenn wir Freizeit haben. Es ist sehr bedrückend, und es tut auch weh, einen Kameraden zu verlieren. Ich kannte die Kameraden, die ums Leben gekommen und verletzt sind und habe mit denen auch häufig gesprochen. Man ist da schon persönlich betroffen.

Wird die Bundeswehr Konsequenzen aus dem Unfall ziehen?

Wir müssen damit leben, dass es ein gewisses Risiko gibt. Als Soldaten wissen wir das und sind dafür ausgebildet. Wir sind vorbereitet, und Verteidigungsminister Struck hat ja auch sehr deutlich gesagt, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass dieser Einsatz letztendlich auch dazu führen kann, dass ein Soldat ums Leben kommt.

Welche anderen Umstände erschweren den Einsatz?

Das Klima - zur Zeit haben wir fast 50 Grad. Die schlechten Wege und die Infrastruktur bereiten Schwierigkeiten. Aber eigentlich sehe ich die Schwierigkeiten hier eher als Herausforderungen.

Was ist die größte Herausforderung?

Aus meiner Sicht, dass wir unser Ziel erreichen, nämlich die afghanische Regierung dabei unterstützen, Stabilität zu schaffen. Ich denke, wir sind hier auf dem richtigen Weg.