"Wir hätten längst eine Lösung ohne den IWF"
12. Januar 2017DW: Die Gespräche um den Abschluss des zweiten Rettungspakets zwischen Griechenland mit den drei Kreditgebern, dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB), stecken fest. Voraussetzung für einen Abschluss ist die erfolgreiche Überprüfung ob Griechenland all seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die Verhandlungen nicht vorankommen?
Giorgos Katrougalos: Wir sind überhaupt nicht glücklich darüber, dass sich das Ganze in die Länge zieht. Wir glauben, dass wir unseren Verpflichtungen in jeglicher Hinsicht nachgekommen sind. Ich habe den Eindruck, dass wir ohne den IWF schon längst eine Übereinkunft mit unseren europäischen Partnern erzielt hätten. So verlangen wir zum Beispiel im Bezug auf die Arbeitsrechte die Rückkehr in die europäische Normalität. Wie alle europäischen Staaten wollen auch wir zum Dialog der Sozialpartner und zu Tarifverhandlungen zurückkehren. Es kann nicht sein, dass Griechenland deswegen bestraft wird, weil der IWF Positionen vertritt, die sich außerhalb der europäischen Norm bewegen.
Sollte der IWF aus dem griechischen Kreditprogramm aussteigen?
Im Idealfall müssten die europäischen Fragen von den Europäern gelöst werden. Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM müsste sich zu einem europäischen Währungsfonds wandeln. Wir verlangen aber nicht, dass sich der IWF jetzt zurückzieht, weil uns bewusst ist, dass einige Länder - darunter auch Deutschland - ein politisches Problem damit hätten. Wir verlangen aber vom IWF: Alles was uns auferlegt werden soll, muss mit dem europäischen Sozialmodell und der europäischen Rechtsstaatlichkeit kompatibel sein.
Es gibt aber einen Punkt, in dem der IWF recht hat und wo er auf die Starrheit bestimmter europäischer Kreise stößt, die es leider auch in Deutschland gibt: Es geht um die Regelung der Schuldenfrage Griechenlands. Es ist offensichtlich, dass großzügigere Maßnahmen getroffen werden müssen.
Bei den aktuellen Verhandlungen geht es auch um fiskalische Fragen. Es steht der Vorschlag im Raum, dass Griechenland sich verpflichtet, für den Zeitraum 2019-2020 einen jährlichen Primärüberschuss, also ohne die Berücksichtigung des Schuldendienstes, von jährlich 3,5 Prozent zu erlangen. Wenn dieses Ziel in Gefahr gerät, dann sollen automatisch Kürzungen unter anderem bei den Beamtengehältern und den Renten vorgenommen werden. Stimmen Sie einer solchen Regelung zu?
Wir haben uns verpflichtet, diese Regelung für das Haushaltsjahr 2018 anzuwenden. Diese und wie auch jede andere Verpflichtung, die wir eingegangen sind, werden wir ohne Wenn und Aber umsetzen. Jetzt bestehen aber einige unser Gesprächspartner darauf, einen Primärüberschuss von 3,5 Prozent für die Dauer von zehn Jahren festzusetzen. Das ist realitätsfern. Nicht nur Griechenland - kein Land könnte ein solches Ziel erreichen. Deshalb sollte keiner von uns verlangen, Verpflichtungen einzugehen, die nicht eingehalten werden können.
In diesen Tagen zeigen internationale Medien irritierende Bilder aus Griechenland. Man sieht Flüchtlinge auf den Inseln, die in verschneiten Zelten untergebracht sind und frieren. Warum hat es die griechische Regierung unterlassen, frühzeitig diese Menschen in festen Unterkünften unterzubringen?
Die allermeisten der Betroffenen wurden in beheizten Unterkünften untergebracht, ein Schiff der griechischen Marine wurde nach Lesbos beordert, um Flüchtlinge zu beherbergen. Wir sind aber mit einem Wetterphänomen konfrontiert, dass nur drei-, viermal im Jahrhundert auf den Inseln auftritt. Ich behaupte nicht, dass die Situation, die aktuell auf den Inseln herrscht, irgendeinen Griechen oder Europäer stolz machen kann. Obwohl wir ein Land sind, das eine schlimme Wirtschaftskrise durchmacht, haben wir das Menschenmögliche getan. Zugleich möchte ich darauf hinweisen, dass die Bewältigung der Flüchtlingsfrage nicht nur die griechische Regierung betrifft. Es ist eine europäische Angelegenheit bei der die EU bislang nicht besonders geglänzt hat. Gemeinsam getroffene Entscheidungen zur Verteilung der Flüchtlinge unter den Mitgliedsstaaten sind nicht umgesetzt worden. Dagegen hat unser Land Solidarität mit den Flüchtlingen gezeigt - besonders die Bürger auf den Inseln.
Der 53-jährige Giorgos Katrougalos ist Professor für Öffentliches Recht an der Demokrit-Universität Thrakien. Seit Dezember 2016 ist er stellvertretender Außenminister. Davor war er stellvertretender Innen- und Arbeitsminister. Er ist Mitglied der Syriza-Partei.
Das Gespräch führte Panagiotis Kouparanis.