"Wir hegen unsere Bedenken gegen den Internationalen Strafgerichtshof"
15. Juli 2003Köln, 10.7.2003, DW-radio/Serbisch, Nebojsa Jakovljevic
Die amerikanische "Liste der unerwünschten Personen" wegen der Unterstützung von Kriegsverbrechern wird immer länger. Indes hofft der scheidende amerikanische Botschafter in Bosnien-Herzegowina, Clifford Bond, dass der Kreis um [den flüchtigen Angeklagten des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien, Radovan] Karadzic immer enger wird. Bond erwartet ferner, dass das Netzwerk, das Karadzic unterstützt, endgültig aufgelöst wird. Er vertritt die Ansicht, auch wenn in der Region die Vergangenheit noch nicht bewältigt sei, sei es nicht verfrüht gewesen, dass Bosnien-Herzegowina kürzlich das Nicht-Auslieferungsabkommen von US-Staatsbürgern an den Internationalen Strafgerichtshof mit den USA unterzeichnet habe. Dies erklärte Bond unter anderem im Gespräch gegenüber DW-radio.
Frage:
Die amerikanische Liste mit den Unerwünschten wird erweitert. Nun gibt es bereits mehrere dieser Listen, wenn man auch die von der EU einbezieht. Außerdem gibt es noch die Liste mit Personen, deren Konten gesperrt wurden. Glauben Sie denn, dass diese Schritte zum Erfolg führen werden? Und wenn Sie es glauben, warum haben dann die USA diese Strategie nicht bereits früher angewandt?Antwort:
Ich antworte Ihnen in der Weise, dass ich Sie daran erinnere, dass wir bereits 2002 den ersten Schritt bei zwei Personen aus Bosnien-Herzegowina unternahmen, von denen wir sicher waren, dass sie Kriegverbrecher unterstützen. Wir stellten bei dem Unterstützungsnetzwerk fest, dass es sich auch um Leute aus Regierungskreisen handelt. Wir deuteten bereits damals an, dass die Liste verlängert wird. Nun ist dies insofern ein großer Schritt, als dass sich 150 Namen auf der Liste befinden – einschließlich Einzelpersonen vom Westbalkan, und nicht allein aus Bosnien-Herzegowina. Diese Personen unterstützen nicht nur die Kriegsverbrecher, sie verhindern auch die weitere Umsetzung des Friedensprozesses. Diesen Montag (7.7.) haben wir die Liste zusätzlich erweitert, und wir werden weiterhin Individuen entlarven, die das Dayton-Abkommen gefährden. Wir sind ausgesprochen zufrieden damit, dass auch die EU eine eigene Liste erstellt hat und dass einige Namen auf den Listen übereinstimmen. Dies spricht dafür, dass mit eindeutiger Entschiedenheit das Ziel verfolgt wird, dass auch Individuen, die die Justiz behindern, bestraft werden sollen.Frage:
Sie, Herr Bond, sind in jedem Fall besser als wir Journalisten über die Verhaftungsaktionen in Bosnien-Herzegowina informiert. Sagen Sie doch, warum hat die SFOR auch nach so langer Zeit noch keine konkreten Beweise für den Aufenthaltsort von Karadzic, und wie kommt es, dass der "Meistgesuchte" noch immer nicht verhaftet ist? Es wirkt, als ob die Ermittlungen zu langsam verlaufen... Glauben Sie trotzdem, dass die Unterstützung der genannten Einzelpersonen der kritischste Punkt ist?Antwort:
Es gibt Personen in der Regierung der Republika Srpska auf vielen Ebenen – einschließlich der Lokalregierung – die beim Schutz der Kriegsverbrecher kooperieren, und es gibt selbstverständlich auch Einzelne außerhalb der Regierungskreise, die finanzielle und logistische Unterstützung bieten. Wir arbeiten daran, dieses Netz enger zu ziehen und diese Personen zur Polizei zu bringen. Sie sollen sich entweder zurückziehen oder mit der Tatsache konfrontieren, dass sie die Justiz behindern. Es ist schwierig, auf die Frage zu antworten, warum das alles so lange dauert... Es ist uns tatsächlich nicht gelungen, die Hauptakteure vor Gericht zu bringen. Wir haben aber dafür in der ganzen Zeit viele andere sozusagen Kleine gefasst, und dieser Prozess wird fortgesetzt.Frage:
Kürzlich hat auch Bosnien-Herzegowina das Abkommen mit den USA über die Nicht-Auslieferung von US-Staatsbürgern an den Internationalen Strafgerichtshof unterzeichnet. Ich vermute, dass Sie im Namen der USA damit zufrieden sind. Scheint es Ihnen nicht in Anbetracht der Vergangenheit, die diese Region offensichtlich noch nicht bewältigt hat, als ein schlechtes Zeichen und etwas verfrüht, ein solches Abkommen zu unterzeichnen?Antwort:
Wir müssen Ihnen sagen, dass wir definitiv den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien am meisten unterstützen. Der Artikel 98, den wir mit Bosnien-Herzegowina unterzeichnet haben, hat nichts mit dem Schutz von Kriegsverbrechern zu tun. Es handelt sich vielmehr darum, dass wir unsere Bedenken hegen im Hinblick darauf, wie der Internationale Strafgerichtshof funktioniert und welche Interessen er verfolgt. Wir haben immer hier in Bosnien-Herzegowina gesagt, wenn ein Amerikaner ein Kriegsverbrechen begeht, können und sollen die Behörden hier ein Verfahren gegen denselben einleiten. Dies beinhaltet auch, dass gegen diese Person die USA ebenfalls ein Verfahren einleiten. Es geht lediglich um unseren Standpunkt gegenüber dem Internationalen Strafgerichtshof. Es geht nicht darum, dass Kriegsverbrecher nicht vor Gericht gestellt werden sollen. Wir werden eben deswegen – finanziell – die Einrichtung entsprechender Institutionen hier in Bosnien-Herzegowina unterstützen. Diese wären dann in der Lage, auch allein Prozesse einzuleiten und zu Ende zu führen... (md)