Winterdesaster für den Eurostar
19. Dezember 2009Nach einer Pannenserie hat die Bahngesellschaft Eurostar alle Fahrten zwischen Frankreich und Großbritannien bis zum Sonntag (20.12.2009) ausgesetzt. Die Wartenden am Londoner Bahnhof St. Pancras wurden am Samstag mit Lautsprecherdurchsagen über die Zugausfälle informiert.
Wann die Verbindungen zwischen London und Paris oder Brüssel wieder aufgenommen werden, teilte das Unternehmen zunächst nicht mit. Wie es hieß, rechne Eurostar für das gesamte Wochenende mit Behinderungen. Der Verkehr werde sich wohl erst am Montag wieder normalisieren.
Elektronik versagte
In der Nacht zum Samstag waren im Eurotunnel unter dem Ärmelkanal mehr als 2000 Passagiere gestrandet. Die Reisenden aus zwei liegengebliebenen Eurostar-Zügen mussten mit einem Shuttle geborgen werden. Die beiden anderen Züge konnten mit Ersatzlokomativen Richtung Südengland geschoben werden. Erst Stunden später kamen die Passagiere in London an.
Grund für die Panne war nach Angaben der Betreibergesellschaft der große Temperaturunterschied innerhalb und außerhalb des Eurotunnels. Als die Züge aus der eisigen trockenen Luft im Norden Frankreichs in den Tunnel mit seinem deutlich wärmeren und feuchteren Klima fuhren, legte der Temperatursprung die Elektronik lahm.
Betreiber durch Auswirkungen des Wetters überrascht
"Das ist noch nie vorgekommen", sagte ein Sprecher von Eurostar. Auch der Betreiber des Eurotunnels äußerte sich erstaunt: "Dass vier Eurostars zur selben Zeit liegenbleiben, hat es noch nicht gegeben", sagte John Keefe dem britischen Sender BBC. "Noch nie musste ein Eurostar-Zug in den 15 Jahren seit Tunnelöffnung evakuiert werden. Und in der vergangenen Nacht mussten wir gleich zwei Züge evakuieren und die Leute rausholen."
Für die gestrandeten Passagiere bestand nach Angaben von Eurostar keine Gefahr. In den Zügen gebe es eine batteriebetriebene Notbeleuchtung, so dass die Passagiere nicht im Dunkeln säßen. Alle vier betroffenen Hochgeschwindigkeitszüge waren auf dem Weg von Paris nach London. In jedem Eurostar waren mehr als 500 Menschen.
Kritik an mangelnder Versorgung und Information
Passagiere kritisierten die schlechte Informationspolitik und mangelnde Versorgung während der Panne im Tunnel. "Wir waren ohne Strom, wir hatten kein Wasser und nichts zu Essen mehr", sagte der Brite Lee Godfrey der BBC, der mit seiner Familie aus Paris nach London zurückreisen wollte. "Wir mussten die Notausgänge selbst öffnen." Viele Leute seien in Panik gewesen, die Kinder hätten Angst gehabt. "Es war ein einziger Alptraum gewesen", so Godfrey. Ein Franzose sagte, er sei mit seiner Familie 14 Stunden im Zug gewesen. "Das war wie in Viehwaggons, das Eingesperrtsein im Zug, keinen Tropfen Wasser, keine Informationen, nichts", sagte er dem französischen Sender France Info.
Die Eurostar-Züge verkehren zwischen London und Paris sowie London und Brüssel durch den Tunnel unter dem Ärmelkanal, der seit 1994 Frankreich und Großbritannien verbindet. Die Fahrt dauert rund 35 Minuten. Die Tunnelröhren liegen mehr als hundert Meter unter dem Meeresspiegel.
Eisige Kälte hat Europa im Griff
Die erste Kältewelle des Winters machte nicht nur den Eurostar-Zügen zu schaffen. Wenige Tage vor Weihnachten kam es durch Kälte, Schnee und Straßenglätte in vielen europäischen Ländern zu chaotischen Verkehrsverhältnissen und zahlreichen Unfällen. Die bisher kälteste Nacht dieses Winters bescherte Deutschland Frosttemperaturen bis zu minus 26 Grad. Europaweit sind mehr als zwanzig Menschen bei dem Kälteeinbruch erfroren.
Auch in den USA gab es einen heftigen Wintereinbruch. Ein starker Schneesturm legte den Nordosten der USA lahm. Zuvor war das Land bereits unter einer Schneedecke von teilweise etwa einem Meter versunken.
Autorin: Ursula Kissel (dpa, afp, ap)
Redaktion: Oliver Samson