Energiepolitik USA
18. Februar 2009
Der Wind des Wandels, bläst über die Felder von Farmer Ralph Dull. Mitten im abgewirtschafteten Kohlestaat Ohio hat der 80-Jährige nahe dem Bauernort Brookville ein unübersehbares Zeichen gesetzt: Vor Dulls Farm ragen sechs Windturbinen in den blauen Himmel. "Jede von ihnen ist zehn Kilowatt stark und produziert bis zu 60 Kilowatt-Stunden", strahlt der alte Mann stolz. "Sauberer Strom", sagt Dull, ist etwas Tolles. Und seine sechs Aufrechten machen den Farmer in seinem recht konservativen Bundesstaat zum "grünen Pionier". Den Energieschub dazu bekam Dull ausgerechnet in einem Krankenhaus. "Ich bekam ein künstliches Knie. Am Tag der Operation besuchte mich ein Freund. Er brachte mr eine Broschüre über Windenergie. Ich hatte ja viel Zeit zum Lesen."
Dull fing sofort Feuer. Ich dachte, oh, das könnte unsere Farm auch machen, um etwas sauberen Strom zu erzeugen. In Ohio kommt 90% des Stroms aus Kohle, denn davon haben wir viel." Nach seiner Entlassung fackelte Farmer Dull nicht lang. Sechs Monate später war seine Idee Realität: "Ich betonierte den Boden, die Lieferfirma kam mit einem Kran und brachte die Windräder. Mein Enkelsohn steckte die Türme zusammen und dann kamen die Turbinen drauf." In 40 Meter Höhe drehen sie sich nun und produzieren 15 Prozent des Stroms für die 1200 Hektar große Farm. Das reicht noch nicht - in Anbetracht jährlicher Stromkosten von 40 000 Dollar, meint Dull. Aber dennoch: "Sie erzeugen sauberen Strom und sie haben eine Reihe anderer Dinge angestoßen!" sagt Dull. Auf seiner "Homestead Farm" ist viel passiert. In den letzten zwei Jahren hat der Saatgut- und Schweinefarmer vieles umgekrempelt, was seine Väter und Großväter niemals für möglich gehalten hätten. Stolz deutet der alte, zierlich wirkende Mann auf die riesige silberne Heizanlage, die in seinem Büro vor sich hinschnurrt. Ein Rohr speist sie mit Erdwärme . Und aus Jauche will Dull bald Gold machen: Rund 10 000 Schweine werden jährlich auf seiner Familienfarm hochgepäppelt. Eine Anlage soll ihren Dung künftig in Biogas umwandeln. Das soll die Schweineställe heizen. Ähnlich läuft es bereits mit dem Saatkorn-Trockner. Den feuert Dull mit Getreideabfällen. "Wir sparen dadurch 50 000 Gallonen Propangas im Jahr", sagt der schlanke, wettergegerbte Mann.
Ein Traum: Gas-los und Benzin-frei
Kein Gas, kein Benzin, heißt Dulls Traum. Und viele seiner Farmfahrzeuge brauchen bereits nur noch halb soviel Sprit, weil sie zu 50% mit Wasserstoff rollen. Um den mit Hilfe von Wasser und Strom herzustellen, hat Dulls Freund Chris Mc Whinney seine eigene Maschine entwickelt. Ich dachte, warum sollen wir nicht Strom aus Wind und Sonne produzieren - und wenn der Wind mal nicht bläst oder die Sonne nicht scheint, treiben wir einen umgerüsteten Motor mit Wasserstoff an. Mc Whinney und sein Geschäftspartner haben ihre erste Hydrogen-Anlage vor wenigen Wochen nach Texas verkauft. Im ursprünglichen Ölstaat boomt die Windenergie bereits seit Jahren. Auch viele deutsche Firmen haben am Wind-Rausch teil. Doch Mc Whinney beteuert: Auch die Nachfrage von Privathaushalten sei groß:"Weil die Leute es satt haben, dass ihre Energiekosten außer Kontrolle geraten. Außerdem haben sie mehr Bewusstsein für die Erderwärmung und wollen etwas dagegen tun. Die Menschen, die Geld investieren, um von Benzin auf Wasserstoff umzusteigen, tun dass, weil sie sich nicht von Leuten kontrolleren lassen wollen, die uns Öl verkaufen aber uns nicht mögen."
"Solar- und Windenergie, Biodiesel, Erdwärme", heißt die Alternative, für die auch Präsident Barack Obama wirbt. Und dafür will er in den nächsten Jahren 15 Milliarden Dollar freimachen. Doch nicht allzu viele Amerikaner wissen mit diesen Begriffen etwas anzufangen. Auf Dulls Farm können sie es lernen. Der Bauer hat ein Info-Zentrum errichtet, um die Saat seiner alternativen Energiemaßnahmen möglichst breit zu streuen. Ganze Busladungen von Interessierten strömen herbei, um auf Dulls "Homestead Farm" das ABC der alternativen Energie zu lernen. "Ein Grund ist, dass es nicht unendlich viel Öl gibt", sagt Dull. " Ein zweiter Grund ist die globale Erwärmung, die inzwischen mehr Menschen ernst nehmen. Und drittens ist unsere nationale Sicherheitslage nicht besonders gut, solange wir Öl aus Venezuela oder dem Nahen Osten kaufen müssen.
Farmer ernten Wind für eine ganze Kommune
Rund drei Autostunden entfernt versuchen zwei Farmer diese Erkenntnisse zum Wohl ihrer ganzen Kommune umzusetzen. Der Präsident der Farmers Union von Ohio, Roger Wise, und sein Nachbar Louis Stevens bringen frischen Wind an die luftigen Ufer des Erie-Sees: 25 Windturbinen wollen sie im ländlichen Sandusky County aufstellen. Sie sollen der Kommune Strom bringen - aber auch Geld. "Ohio will mit den Rest der Nation in puncto Windenergie einholen", erklärt Wise. "Wir haben hier gute Ressourcen.Wir gründen eine Farmer-Kooperative, die unserer Kommune die Chance gibt, bei einem Projekt mitzumachen, das erneuerbare Energie und Einkommensquellen für die Landbesitzer schafft."
Mit einer eigens gegründeten Firma, finanzieller Starthilfe vom US-Agrarminsterium und dem Know How einem deutschen Beraterbüro haben Wise und Stevens den Grundstein gelegt. Windstudien speisen ihre Hoffnung, dass das Projekt sich lohnt. Mehr und mehr Nachbarn lassen sich anstecken von ihrer Idee. Und doch, es ist ein weiter Weg, weiß Stevens: "Es ist das erste Projekt dieser Art in Ohio. Also müssen Gesetze geändert und Regeln geschaffen werden. Der erste durchbricht immer die Barrieren für den zweiten, dritten und vierten."
Erwärmung für den Klimawandel
Es scheint, als hätte Präsident Obama dazu beigetragen, viele Barrieren zu brechen. Für ihn ist das Zeitalter einer grünen Wirtschaftspolitik bereits angebrochen. "Eine grüne Wirtschaft ist keine Zukunftsmusik. Es gibt sie bereits jetzt", betont Obama wiederholt. Er will die erneuerbaren Energien in den nächsten drei Jahren verdoppeln und dafür auch die nötigen rechtlichen Grundlagen schaffen. Dass dies auf fruchtbaren Boden fällt, davon ist auch Eicke Weber überzeugt, Chef der Außenstelle des Freiburger Fraunhofer Instituts an der Universität Cambridge, Massachussettes. "Ich glaube, dass wir wirklich eine tiefe Veränderung der Einstellung der USA zum Klimaproblem sehen werden", sagt Weber. "Eines der deutlichsten Anzeichen dafür ist für mich die Ernennung von Steve Chu, einem Physik-Nobelpreisträger zum Energieminister.
Der 60-jährige Steven Chu ist ein ausgewiesener Verfechter der Grünen Energien, der Kampf gegen den Klimawandel eines seiner obersten Ziele. Dazu gehört die Begrenzung des Schadstoffausstoßes, der Handel mit Emissionsrechten und ein von Amerika unterzeichnetes Nachfolge-Abkommen des Kyoto-Protokolls. Diese Botschaft ist längst bei vielen Amerikanern angekommen, weiß auch der Umweltminister des konservativen Kohlestaats Virginia, Preston Bryant: "Vor einem Jahrzehnt wollten die meisten Amerikaner von Klimawandel nichts wissen. In Virginia haben wir gerade eine Umfrage gemacht. Sie zeigt, dass 70 Prozent der Bevölkerung sich ernsthafte Sorgen wegen der Erderwärmung macht. Das spricht Bände!"
Bryant und Weber sind Teilnehmer einer Umweltveranstaltung in der deutschen Botschaft in Washington: die Gründung der “Transatlantischen Klimabrücke". Der neue Pakt zur Rettung des Klimas soll auf diesem Gebiet die Zusammenarbeit zwischen den USA und Deutschland erleichtern. Politiker, Wissenschaftler, Bürgergruppen und Unternehmer wollen sich über diese Brücke auf beiden Seiten des Atlantiks besser vernetzen. Dass sich das lohnt, davon ist der deutsche Botschafter in Washington, Klaus Scharioth, überzeugt. Bei seinen Reisen durch die USA habe er in den letzten zweieinhalb Jahren ein sich schärfendes Bewusstsein der Amerikaner in puncto Klimawandel festgestellt. "Zu Beginn meines Aufenthalts hier war das kaum ein Thema. Heute werde ich zu keinem Thema soviel gefragt wie zu der Frage: Wie haben die Deutschen es eigentlich geschafft, ihren Anteil an erneuerbarer Energie in wenigen Jahren zu verdreifachen, wie haben die Deutschen es geschafft, die CO2-Emissionen um 22 Prozent zu reduzieren?" Der Botschafter erwartet einen Schub für deutsche Firmen aber auch für die deutsche Politik, " weil wir hier als Berater sehr gut angesehen sind mit einer Führungsrolle in der Welt."
Wind ist für die Wirtschaft "das große Ding"
Umweltschutz in Zeiten der Wirtschaftskrise - Zweifler sehen darin ein Dilemma für Präsident Obama. Doch der verspricht sich gerade von der Kombination beider Phänomene die Lösung. "Wir schaffen gut bezahlte Arbeitsplätze, die nicht ausgegliedert werden können", verspricht der neue Chef im Weißen Haus. Jobs zur Herstellung von Solarpanels und Windturbinen zum Beispiel."
Das passiert etwa gerade bei der metallverarbeitenden Firma Rotek in Aurora, Ohio. Die ThyssenKrupp-Tochter ist auf die Herstellung von Drehkränzen spezialisiert, die unter anderem für Windräder benötigt werden - der Ansturm ist groß, sagt Werkschef Len Osborne. "Wind ist im Moment das große Ding - in Amerika geht es jetzt richtig damit los." Obama wäre seiner Meinung nach gut beraten, wenn er Firmen, die der Windenergie zuliefern, Steuererleichterungen einräumen würde. "Wenn er das für die Zeitspanne von 5 Jahren machen würde, würden sich mehr Firmen im Bereich der Wind-Industrie hier ansiedeln und Menschen Arbeit geben." Osborne weiß wovon er spricht, denn er hat bereits ein vergleichbares Rotek-Werk in Großbritannien geleitet. Ich habe den Beginn der Windenergie in Europa mitverfolgt, wie sie erst gekämpft hat und dann eine eigene Energiesparte wurde. Ich sehe, wie das gleiche gerade hier in den USA passiert.
Die Nachfrage sei so groß, dass die rund 400 Arbeitsplätze in Aurora erst einmal sicher seien. Im Gegenteil. Rotek musste eine Halle anbauen. Um den Aufträgen nachzukommen, schafft die Firma rund 150 zusätzliche Jobs. 80 000 grüne Arbeitsplätze hat Präsident Obama seinen Landsleuten bis zum Jahr 2025 versprochen.
Kein Pfusch am Bau - Change durch Niedrigenergie
Hoffnungsträchtige Zukunftsmusik für Volker Hartkopf, Leiter des Zentrums für Bauwesen und Diagnostik am Architektur-Department der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh, Pennsylvania. "Zur Zeit haben wir in Amerika die Situation, wo etwa 50 Prozent der elektrischen Energie durch Kohle hergestellt wird und letztes Jahr hatten wir 130 Mio Tonnen von Kohle-Abfallstoffen."
Alternative Energiegewinnung und drastische Energie-Sparmaßnahmen gehören für den Deutschen, der seit den 70er Jahren in den USA lebt, zusammen. Seit Jahrzehnten arbeiten Hartkopf und sein Team an Bausteinen für Energiespar-Häuser. Ihre Vorzeige-Modelle wurden bewundert, gewannen Preise - doch durchgesetzt haben sie sich auf dem amerikanischen Wohnungsmarkt nicht. Kein Grund zum Resignieren, meint der Professor: "Jetzt haben wir zum ersten Mal politisch in Amerika die Möglichkeit, das nach vorne zu bringen. Ich bin absolut der Meinung, wenn wir's nicht schaffen jetzt in Amerika im Wesentlichen das Ruder rumzureißen, können wir's vergessen."
Rumreißen möchte Hartkopf das Ruder vor allem mit Häusern, die besser isoliert sind als bisher. "Weltweit können wir sagen, dass etwa ein Drittel der Primärenergie in die Gebäudekonditionierung geht. In Amerika ist es mehr als das. Da sind es über 40%. Und 70% der gesamten elektrischen Energie geht in die Gebäudekonditionierung, das heißt: Belichten, Belüften, Heizen und Kühlen und das Betreiben irgendwelcher Geräte, die noch da drin sind."
Irrglaube: What's good for General Motors is good for the Country
Amerikanische Durchschnitts-Häuser seien vor allem eins: Stromfresser und Umweltkiller. "Büros verbrauchen in Amerika im Schnitt quer durch das Land ungefähr 1000 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Diese 1000 Kilowattstunden, die vergleichen sich mit unter 500 in Europa", rechnet Hartkopf vor. Die Ursachen: Billigbauweise und viel zu niedrige Energiekosten. Für Hartkopf und sein Team ist das kein Zustand. Sie haben daher ein Haus entwickelt, dass nicht nur weniger Energie verbraucht, sondern auch noch Energie abgibt. Hartkopf erläutert vier Prinzipien: "Wie engagieren wir die Sonne? Wie engagieren wir die Luft? Wie engagieren wir das Wasser und wie engagieren wir die Erde? Wir können heute grüne Dächer erzeugen, grüne Wände und so weiter. Und wir können durch die Häuser mehr Umwelt erzeugen als sie in ihrem Grundriss verbrauchen."
Das Energie-Exoprthaus ist mittlerweile von namhaften Firmen in ihre Forschung aufgenommen worden. UNO-Organisationen haben großes Interesse. Hartkopfs Team hat bereits mehrere Bürohäuser in den USA gebaut. In den 80er Jahren betreuten sie ein Bauprojekt in Pittsburgh. Die energiesparenden Privathäuser wurden zum nationalen Vorzeige-Projekt: Sie verbrauchten ein Zehntel der Energie. Die monatlichen Heizkosten sanken von 300 Dollar auf 30 Dollar. Amerika staunte - aber durchgesetzt hat sich der Häusertyp trotzdem nicht. Hartkopf erklärt sich das damit: "Die Leute wollen von niemandem darauf hingewiesen werden, dass sie sich irgendwie ein bisschen anders verhalten sollen. Man hat die letzten 25 Jahre vertan und man hat früher mal gesagt: What's good for General Motors is good for the country. Das haben die Leute wirklich geglaubt."