Wim Wenders im Zenit seiner Karriere
2. März 2015Die Berliner Filmfestspiele haben dem Regisseur den Ehrenbären für sein Lebenswerk verliehen. Sein jüngster Dokumentarfilm "Das Salz der Erde" war für einen Oscar nominiert - bereits Wenders' dritte Nominierung. Nun ehrt ihn das Museum of Modern Art (MoMA) in New York mit einer Retrospektive. Nicht genug: Im April wird das Museum Kunstpalast in seiner Heimatstadt Düsseldorf seine Fotos zeigen. Im August darf Wenders dann seinen 70. Geburtstag feiern.
Er freue sich "wie Bolle" über die Auszeichnung der Berlinale, sagte Wenders. "Zuhause geehrt zu werden, in der eigenen Stadt, das ist wunderbar." Da sei er der Berlinale und ihrem Direktor Dieter Kosslick sehr dankbar. Die Filmfestspiele überreichten dem gebürtigen Düsseldorfer am 13.02.2015 nicht nur den Ehrenbären, sie zeigen gleichzeitig zehn seiner Werke in restaurierter Fassung.
Diese zehn Filme und noch weitere können Zuschauer bis zum 17. März im Kino des MoMA sehen. Den Auftakt der umfangreichen Retrospektive in New Yorks berühmtem Museum machte am 02.03.2015 Wim Wenders' Meisterwerk von 1984 "Paris, Texas".
Auf dem Karriere-Zenit
Wenders ist also auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Dass der Filmkünstler derzeit so enthusiastisch gefeiert wird, war vor ein paar Jahren nicht unbedingt abzusehen. Seine letzten Spielfilme waren keine kommerziellen Erfolge mehr, von der Kritik wurden sie häufig negativ besprochen. Doch Wenders hat sich in seinem Leben und während seiner Karriere schon häufig neu erfunden - vor allem durch seine Dokumentarfilme.
"Das Salz der Erde" hieß sein letzter: eine Hommage an den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado, der mit beeindruckenden sozialdokumentarischen Bilder berühmt wurde. Einige meinen, Wenders solle doch bitte nur noch Dokumentarfilme drehen. Mit dieser filmischen Form hat er in den vergangenen 15 Jahren seine größten Erfolge feiern können. Seine letzten Spielfilme sind dagegen kaum noch im Gedächtnis. Oder wer kann sich noch an "Palermo Shooting" und "Land of Plenty" erinnern?
Zunächst ein introvertierter Künstler
Das war einmal anders. Der Regisseur so großartiger Spielfilme wie "Paris, Texas" oder "Der Himmel über Berlin" hat sich seit seinen ersten Arbeiten Ende der 1960er Jahre künstlerisch stetig weiterentwickelt. Der anfangs extrem schüchtern und introvertiert auftretende junge Mann, der mit kargen Schwarz-Weiß-Werken wie "Alice in den Städten" oder "Im Lauf der Zeit" einst zu einem der Wegbereiter des "Neuen Deutschen Films" wurde, ist heute kaum mehr wiederzuerkennen.
Inzwischen ist Wenders ein Weltreisender in Sachen Kino, der viele Ehrenämter ausübt und auf den Filmbühnen der Welt sicher und gewandt auftritt. Der Name "Wim Wenders" ist zu einer Marke geworden: geschätzt von Kollegen, auch außerhalb des Mediums, gefragt bei Filmstudenten an den Hochschulen, geachtet in der internationalen Kunstwelt.
Doku über Fotografen
So ist es kein Zufall, dass sich Wenders neueste Arbeit, die Dokumentation "Das Salz der Erde" mit dem Starfotografen Sebastião Salgado und mit dem Medium Fotografie beschäftigt. Der Regisseur, selbst ein begeisterter Fotograf, was auch die Fotografie-Ausstellung in seiner Heimatstadt Düsseldorf zeigt, hat immer offene Augen und Ohren für andere Künste gehabt.
In Dokumentationen wie "Buena Vista Social Club" oder "Viel passiert - der BAP-Film" hat sich Wenders musikalischen Sujets genähert. "Pina" war eine Verbeugung vor der Choreografin Pina Bausch. Nun also die Fotografie. Wenn man will, kann man die Entwicklung des Regisseurs Wenders als konsequent bezeichnen: Er hat ein sicheres Gespür für Bilder, für Bildkompositionen aller Art, für eine ausgefeilte und durchdachte Ästhetik. Das war schon in seinen allerersten Spielfilmen deutlich sichtbar. Auch für den Einsatz von Musik in seinen Filmen wurde er immer mit viel Lob bedacht, selbst dann noch, als die Reaktionen auf seine Spielfilme kritischer ausfielen.
Karrierebruch
Denn die Karriere verlief keineswegs immer nur gradlinig. In seinen Filmen mit fiktionalen Stoffen verlor Wim Wenders irgendwann die Leichtigkeit. Ende der 1980er Jahre war das und nach seinem Erfolg "Der Himmel über Berlin". Sein monumental angelegter Film "Bis ans Ende der Welt" entwickelte sich finanziell und künstlerisch zum Desaster. Fortan wirkten seine Spielfilme stark verkopft, immer irgendwie interessant, aber eigentlich auch immer angestrengt und bemüht.
Doch Wenders erfand sich neu. Im Jahr der Wende, als ganz Deutschland gebannt auf den Fall der Mauer starrte, beschäftigte sich der sensible Regisseur mit einem Modemacher fernab der Heimat. Das Werk "Yamamoto - Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten", das sich mit der Kamera dem japanischen Mode-Designer Yamamoto Isoroku annäherte, wurde zum Startschuss einer zweiten Karriere.
Weltreisender in Sachen Film
In der Folge reiste dieser neugierige und wissbegierige Regisseur um die Welt, sog alles auf, was ihn interessierte und fing, an sich intensiv mit dokumentarischen Formen zu beschäftigen. Zehn Jahre später triumphierte er dann mit einem Film über eine Gruppe alter wie vitaler Männer, die auf Kuba Musik machten: "Buena Vista Social Club" wurde zu einem Welterfolg.
"Pina" verdiente sich eine Oscarnominierung. "Kathedralen der Kultur" war vor kurzem einmal mehr ein Beispiel für die Neugier des Regisseurs, sich mit neuen Techniken des Filmemachens auseinanderzusetzen. "Das Salz der Erde" zeigt nun, was Wim Wenders inzwischen vor allem auszeichnet: ein neugieriger Blick auf die Welt, auf wesensverwandte Künstler, auf Kunst im Allgemeinen und ästhetische Entwicklungen.
Neuer Spielfilm bei der Berlinale
Im Wettbewerb der 65. Berlinale wurde gerade Wenders' jüngster Spielfilm gezeigt. "Every Thing Will Be fFine" erzählt die Geschichte eines Schriftstellers, dessen Leben nach einem Autounfall aus den Fugen gerät. Wie die meisten Filme des Regisseurs aus der jüngeren Vergangenheit ist auch dieser wieder mit internationalen Stars besetzt. Wim Wenders ist inzwischen ein weltweit geachteter Regisseur; viele Darsteller betrachten es als Ehre, mit ihm zu arbeiten.