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Zeitloser Filmpionier: Wim Wenders

Jochen Kürten13. August 2015

Er hat den "Neuen Deutschen Film" geprägt: In seinen 70 Jahren kann Regisseur Wim Wenders auf großartige Filme und Abenteuerreisen zurückblicken. Doch Wenders bleibt ganz der Alte - und plant wieder einen neuen Film.

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Porträt von Wim Wenders (Foto: imago/F. Stark)
Bild: Imago/F. Stark

In diesem Jahr kommt Wenders aus dem Feiern gar nicht mehr heraus. Es scheint fast so, als ob sich Festivals und Filmpreisjurys, Museen und Kinos zusammengetan hätten, um den Meister zu ehren. Die Berliner Filmfestspiele verliehen Wenders im Februar einen Ehren-Bären für sein Lebenswerk. Kurz darauf folgte die Oscarverleihung in Los Angeles, bei der sein Dokumentarfilm "Das Salz der Erde" nominiert war. Im März ehrte ihn das "Museum of Modern Art" in New York mit einer Retrospektive. Seit April zeigt das Düsseldorfer Museum "Kunstpalast" seine Fotos. Eine weitere Wim-Wenders-Ausstellung folgt im September in Berlin. Am 14. August feiert der Regisseur und "Meister des Autorenkinos" seinen 70. Geburtstag.

Wim Wenders erfindet sich immer wieder neu

Sein jüngster Spielfilm "Every Thing Will Be Fine" lief im Frühjahr in den Kinos und bekam gute Kritiken. Dazu erschienen mehrere Bücher von und über Wenders in diesem Jahr, seine älteren Filme wurden aufwendig restauriert und kommen auf DVD heraus.

Wim Wenders mit Goldenem Bären auf der Berlinale 2015 (Foto: imago/Xinhua)
Im Februar 2015 erhielt Wenders den Goldenen Ehrenbären der BerlinaleBild: imago/Xinhua

Wenders also auf dem Höhepunkt der Karriere. Dass der Filmkünstler derzeit im In- und Ausland so sehr beachtet wird, war vor ein paar Jahren nicht unbedingt abzusehen. Wenders' letzte Spielfilme waren keine kommerziellen Erfolge, von der Kritik wurden sie häufig negativ besprochen. Doch der Regisseur hat sich in seinem Leben und während seiner Karriere schon häufig neu erfunden - vor allem auch mit seinen Dokumentarfilmen.

"Das Salz der Erde" hieß seine letzte Doku: eine Hommage an den Fotografen Sebastião Salgado. Manche Filmexperten wünschen sich, dass Wenders nur noch Dokumentarfilme dreht. Mit dieser filmischen Form hat er in den vergangenen Jahren seine größten Erfolge feiern können. Einige seiner Spielfilme aus den letzten Jahren sind dagegen kaum noch im Gedächtnis. Wer kann sich noch an "Palermo Shooting" oder "Land of Plenty" erinnern?

Großartige Filme: "Im Lauf der Zeit" bis "Der Himmel über Berlin"

Das war einmal anders. Der Regisseur so großartiger Spielfilme wie "Paris, Texas" oder "Der Himmel über Berlin" hat sich seit seinen ersten Arbeiten Ende der 60er Jahre künstlerisch stetig weiterentwickelt. Der anfangs extrem schüchtern und introvertiert auftretende junge Mann, der mit kargen Schwarz-Weiß-Werken wie "Alice in den Städten" oder "Im Lauf der Zeit" einst zu einem der Wegbereiter des "Neuen Deutschen Films" wurde, ist heute kaum mehr wiederzuerkennen.

Szene des Films "Im Lauf der Zeit" - ein Roadmovie des Regisseurs Wim Wenders in Schwarz-Weiß (Foto: Wim Wenders Stiftung 2015)
"Im Lauf der Zeit" - ein Roadmovie in Wenders-typischer ManierBild: Wim Wenders Stiftung 2015

Wenders ist heute ein Weltreisender in Sachen Kino, der viele Ehrenämter ausübt, auf den Filmbühnen der Welt sicher und gewandt auftritt. Der Name Wim Wenders ist zu einer Marke geworden: geschätzt von Kollegen, auch außerhalb des Mediums, gefragt bei Filmstudenten an den Hochschulen, geachtet in der internationalen Kunstwelt.

Künstlerisch unterwegs auf allen Kontinenten: "Das Salz der Erde"

Es ist kein Zufall, dass sich Wenders letzte Dokumentation "Das Salz der Erde" über den brasilianischen Starfotografen Sebastião Salgado mit dem Medium Fotografie beschäftigt. Der Regisseur, selbst ein begeisterter Fotograf, hat immer offene Augen und Ohren für die anderen Künste gehabt.

In Dokumentationen wie "Buena Vista Social Club" oder "Viel passiert - der BAP-Film" hat er sich musikalischen Sujets genähert. "Pina" war eine Verbeugung vor der Choreografin Pina Bausch. Wenn man will, so kann man die Entwicklung des Regisseurs Wenders als konsequent bezeichnen: Er hat ein sicheres Gespür für Bilder, für Bildkompositionen aller Art, für eine ausgefeilte und durchdachte Ästhetik. Und für den Einsatz von Musik in seinen Filmen wurde er auch immer mit viel Lob bedacht, auch dann noch, als die Reaktionen auf seine Spielfilme kritischer ausfielen.

Szene aus Wenders' oscarnominierten Doku über die Arbeit des Fotografen Sebastião Salgado: "Das Salz der Erde" (Foto: Juliano Ribeiro Salgado / NFP)
Wenders' oscarnominierte Doku über die Arbeit des Fotografen Sebastião Salgado: "Das Salz der Erde"Bild: Juliano Ribeiro Salgado/NFP

"Bis ans Ende der Welt" - und dann?

Doch die Karriere verlief keineswegs immer nur geradlinig. In seinen Filmen mit fiktionalen Stoffen hat Wim Wenders irgendwann die Leichtigkeit verloren - kurz nach seinem Erfolg Ende der 80er mit "Der Himmel über Berlin" und seinem monumental angelegten Film "Bis ans Ende der Welt", der sich finanziell und künstlerisch zum Desaster entwickelte. Fortan waren seine Spielfilme durchaus interessant, wirkten aber dennoch stark verkopft, angestrengt und bemüht.

Doch Wenders erfand sich neu. Im Jahr der Wende, als ganz Deutschland gebannt auf den Fall der Mauer starrte, beschäftigte sich der sensible Regisseur mit einem Modemacher fernab der Heimat. "Yamamoto - Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten", der sich mit der Kamera dem japanischen Mode-Designer Yamamoto Isoroku annäherte, wurde zum Startschuss einer zweiten Karriere.

Wenders' oscarnominierte Dokus: "Buena Vista Social Club" und "Pina"

In der Folge reiste dieser neugierige und wissbegierige Regisseur um die Welt, sog alles auf, was ihn interessierte und fing an sich intensiv mit dokumentarischen Formen zu beschäftigen. Zehn Jahre später triumphierte er dann mit einem Film über eine Gruppe alter, aber vitaler Männer, die auf Kuba Musik machten: "Buena Vista Social Club" wurde zu einem Welterfolg.

Auch "Pina" verdiente sich eine Oscarnominierung. "Kathedralen der Kultur" war einmal mehr ein Beispiel für die Neugier des Regisseurs, sich mit neuen Techniken des Filmemachens auseinanderzusetzen. "Das Salz der Erde" zeigte, was Wim Wenders inzwischen vor allem auszeichnet: ein neugieriger Blick auf die Welt, auf wesensverwandte Künstler, auf Kunst im Allgemeinen und ästhetische Entwicklungen.

Szene aus Wenders' Tanzfilm "Pina", über die verstorbene Tanzlegende Pina Bausch (Foto: picture-alliances/dpa)
Wenders' 3D-Tanzfilm "Pina" ist eine Hommage an das Tanzensemble der 2009 verstorbenen Tanzlegende Pina BauschBild: picture-alliances/dpa

Neuer fiktionaler Triumph: "Every Thing Will Be Fine"

Es sind aber nach wie vor die fiktionalen Kino-Stoffe, die Wenders am meisten interessieren - und auch großen Erfolg haben. Zumindest bei der Fachpresse kam "Every Thing Will Be Fine", der bei der diesjährigen Berlinale Weltpremiere feierte, so gut an wie schon lange kein Spielfilm mehr. Die Geschichte eines Schriftstellers, dessen Leben nach einem Autounfall aus den Fugen gerät, zeigt Wim Wenders wieder auf der Höhe seines Könnens.

Neuer Spielfilm geplant: "Die schönen Tage von Aranjuez" von Peter Handke

Deutschland Geschichte Film Filmszene Der Himmel über Berlin (Foto: picture-alliance/United Archiv")
Auch im Welterfolg "Der Himmel über Berlin" schrieb Peter Handke am Drehbuch mit - Bruno Ganz war einer der EngelBild: picture-alliance/United Archiv

Und wie geht's weiter? Derzeit arbeitet Wenders an einem neuen Spielfilm. Die literarische Vorlage für das Projekt stammt aus der Feder seines alten Freundes Peter Handke, mit dem der Regisseur schon mehrfach zusammengearbeitet hat. "Die schönen Tage von Aranjuez" ist ein Zwei-Personen-Stück - ein Mann und eine Frau reflektieren über das Leben. Man darf sicher sein, dass auch Wenders seinen Teil beigesteuert hat zur Vorlage des Schriftstellerkollegen. Denn erlebt hat Wim Wenders ja schon so einiges in seinen 70 Lebensjahren.