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"Wildvögel halten sich nicht an Grenzen"

Valentin Betz24. November 2014

Das Vogelgrippevirus H5N8 breitet sich weiter aus. In Deutschland wurde ein infizierter Wildvogel entdeckt. Die DW sprach mit Diplombiologin Elke Reinking über Ursachen und mögliche Verbreitungswege.

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BdT mit Deutschlandbezug Kranichzug über Deutschland
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Was weiß man bisher über die Ausbreitungswege von H5N8 in Europa?

Im Moment deuten die Anzeichen darauf hin, dass das Virus über Wildvögel verbreitet wird. Im November gab es Fälle bei Mastputen in Mecklenburg-Vorpommern, kurze Zeit später in den Niederlanden bei Legehennen und in Großbritannien bei Mastenten. Das ist interessant, weil es drei verschiedene Geflügelarten sind und das Virus sich in relativ kurzer Zeit über eine gewisse Distanz verbreitet hat. Das passt im Moment auch in die Vogelzugbewegung. Wir kennen dieses Virus H5N8 in seiner hoch krankmachenden Form bisher aus Asien, vor allem aus Südkorea. Von Januar bis September hat es dort 30 Ausbrüche verursacht. Es ist auch einzeln in Japan und China nachgewiesen worden. Was uns fehlt, sind Belege zwischen Asien und Europa. Dort sind keine Meldungen von Ausbrüchen im Geflügelbereich oder bei Wildvögeln bekannt.

Die infizierte Krickente kam also nicht direkt von Südkorea nach Deutschland?

Es ist nicht davon auszugehen, dass die infizierte Krickente, die jetzt auf Rügen gefunden wurde, direkt aus Asien nach Rügen geflogen ist. Aufgrund der Biologie und des Zugverhaltens dieser Tiere ist es vorstellbar, dass sie sich in Asien an Rastplätzen mit Zugvögeln aus dem asiatischen Raum getroffen haben. Die asiatischen Vögel könnten das Virus dann auf Vogelgruppen übertragen haben, die weiter Richtung Westen ziehen. Es könnte also sein, dass sich das Virus stafettenartig in Richtung Westen fortbewegt hat. Aber dafür gibt es bislang keine Belege.

Krickente
Übertragen H5N8: Wildvögel wie diese Krickente.Bild: picture alliance/blickwinkel/J. Fieber

Haben Sie denn schon bestimmte Vogelarten unter Verdacht und stehen Sie mit Verantwortlichen anderer Länder in Kontakt?

Wir stehen in engem Kontakt mit den Niederlanden und Großbritannien, ganz speziell mit Forschungseinrichtungen, die sich mit Tierseuchen befassen. Wir wissen, dass gerade wilde Wasservögel das natürliche Reservoir für Influenzaviren sind. Enten und Gänse sind also natürliche Wirte dieser Viren. Das heißt: Am erfolgreichsten sind wir bei der Suche, wenn wir uns Enten und Gänse anschauen.

Wie gefährlich ist das Virus für den Menschen? Gibt es Tests, um die Ansteckungsgefahr zu prüfen?

Es hat in Asien schon Studien gegeben, die Personen mit engem Kontakt zu infiziertem Geflügel auf Antikörper untersucht haben. Das wäre ein Hinweis auf eine überstandene Infektion. Es ist bisher keine Infektion des Menschen mit H5N8 bekannt, auch nicht aus Asien oder Südkorea. Untersuchungen weisen darauf hin, dass der Mensch sich anscheinend nicht einfach infizieren kann - anders als bei H5N1, wo es bei Personen, die sehr engen Kontakt mit infiziertem Geflügel hatten, zu Infektionen gekommen ist.

Gibt es denn eine Möglichkeit, die Verbreitung durch Wildvögel zu stoppen? Wildtiere interessieren sich ja wenig für Landesgrenzen…

Einen Ausbruch im Wildvogelbereich einzugrenzen oder zu bekämpfen, ist sehr schwierig. Wildvögel halten sich ja nicht an Restriktionsgebiete oder Grenzen. Durch Bejagung kann man nicht viel ausrichten. Das wäre auch völlig überzogen. Eine Möglichkeit ist, das Nutzgeflügel vor dem direkten Kontakt mit Wildvögeln zu schützen. Außerdem dürfen Wildvögel keinen Zugang zu Wasser, Futtermittel- und Strohlagern erhalten.

Die ersten Geflügelbetriebe stehen bereits unter Quarantäne. Wie lange dauert eine solche Quarantäne, wann kann Entwarnung gegeben werden?

Üblicherweise werden in den Betrieben Proben genommen und es wird untersucht, ob sich Tiere infiziert haben. Wenn sich das als negativ herausstellt, wird die Quarantäne irgendwann wieder aufgehoben.

Aber die Quarantäne richtet sich nicht danach, ob das Virus in der Umgebung im Bestand der Wildtiere noch auftritt?

Wenn es bei einem Einzelfund bleibt, können Quarantänen schneller wieder aufgehoben werden. Letztendlich obliegt die Umsetzung den örtlichen Behörden. Diese müssen natürlich auch berücksichtigen, dass die Geflügelbetriebe in irgendeiner Form weiter arbeiten können. Das ist eine schwierige Situation.

Gibt es den Bemühungen, einen Impfstoff zu entwickeln? Wäre das überhaupt rentabel?

Es gibt bereits Impfstoffe gegen bestimmte Geflügelpestviren. In Südostasien wird beispielsweise gegen H5N1 geimpft. Es handelt sich dabei jedoch um Grippeviren, die saisonal auftreten. Man braucht also einen Impfstoff, der zuverlässig gegen das gerade kursierende Virus schützt. Soweit ich weiß, gibt es im Moment keinen Impfstoff, der gezielt gegen H5N8 wirkt. Ich habe derzeit auch keine Informationen, inwiefern diesbezüglich Entwicklungen laufen.

In Europa ist der Einsatz von Impfstoffen ohnehin zunächst nicht erlaubt. Der Eintrag von Viren soll möglichst schnell erkannt werden, anstatt massenhaft Tiere zu impfen. Die meisten Impfstoffe erlauben außerdem leider nicht, geimpfte von infizierten Tieren zu unterscheiden. Bei Routineuntersuchungen wird nach Antikörpern geschaut. Die bloße Anwesenheit von Antikörpern sagt jedoch nichts darüber aus, ob diese durch einen Impfstoff oder durch eine Infektion gebildet wurden. Es gibt neue Impfstoffe, die diese Unterscheidung erlauben, diese sind aber wesentlich komplizierter herzustellen.

Die Fragen stellte Valentin Betz.

Die Diplombiologin Elke Reinking ist Pressesprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit auf der Insel Riems.