Hunderte Haftbefehle gegen Gülen-Anhänger
19. Februar 2019Türkische Staatsanwälte haben im Zusammenhang mit dem Putschversuch vom Juli 2016 hunderte weitere Haftbefehle gegen angebliche Terrorverdächtige ausgestellt. Seit dem Morgen wurden Berichten der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge insgesamt 356 Menschen zur Fahndung ausgeschrieben. Darunter seien viele aktive und ehemalige Mitglieder von Heer, Luftwaffe und Marine sowie der paramilitärischen Gendarmerie.
Schon mehr als 15.000 Soldaten gefeuert
Den Verdächtigen werden Verbindungen zu der Bewegung des Islam-Predigers Fethullah Gülen sowie die "Infiltrierung staatlicher Institutionen" vorgeworfen. Die türkische Führung unter Staatschef Recep Tayyip Erdogan macht Gülen für den Putschversuch verantwortlich. In der nicht abreißenden Folge von Fahndungen, Festnahmen und Verhaftungen konzentriert sich die Regierung stark auf Militär und Polizei. Innenminister Süleyman Soylu hatte Mitte Januar angegeben, dass bis dato mehr als 15.000 Soldaten ihres Amtes enthoben worden seien. Gegen knapp 7000 weitere werde ermittelt.
Die neuen Festnahmen folgen auf eine der größten Fahndungsaktionen seit 2016 mit mehr als 1100 Fahndungs- und Festnahmebefehlen allein in der vergangenen Woche. Zählt man alle entsprechenden Anadolu-Berichte der Woche zusammen, wurden vom Montag der Vorwoche bis zum vergangenen Montag mindestens 946 Menschen inhaftiert. Im ganzen vergangenen Jahr landeten einem Bericht des Innenministeriums zufolge rund 52.000 Menschen wegen angeblicher Gülen-Verbindungen kurz- oder längerfristig hinter Gittern.
Haftstrafen von 14 Cumhuriyet-Mitarbeitern bestätigt
Unterdessen bestätigte ein Berufungsgericht die Haftstrafen von 14 Journalisten und leitenden Mitarbeitern der renommierten regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet. Laut der Zeitung müssen sechs Mitarbeiter sofort ins Gefängnis, weil sie nicht weiter gegen ihre Urteile vorgehen können; die übrigen könnten dagegen noch Berufung beim Obersten Gerichtshof der Türkei einlegen. Ein Gericht in Istanbul hatte die Cumhuriyet-Mitarbeiter im April 2018 als "Helfer einer Terrorgruppe, ohne Mitglied zu sein" bezeichnet und Gefängnisstrafen von bis zu siebeneinhalb Jahren verhängt. Unter den Verurteilten sind Chefredakteur Murat Sabuncu, der Vorstandsvorsitzende Akin Atalay, der prominente Kolumnist Kadri Gursel und der Investigativjournalist Ahmet Sik, der heute Mitglied des türkischen Parlaments ist. Der Fall wurde weithin als Razzia gegen die Pressefreiheit kritisiert. Im Index zur Pressefreiheit der Organisation "Reporter ohne Grenzen" für 2018 belegt die Türkei unter insgesamt 180 Staaten Rang 157.
sti/as (afp, ap, dpa)