Der Bundespräsident
17. Februar 2012Der Weg zur Bundesversammlung war nicht einfach. Nach den schlechten Erfahrungen der Weimarer Republik und der Nazi-Zeit wollten die Mütter und Väter des Grundgesetzes im verfassungsgebenden Parlamentarischen Rat 1948/49 keine Volkswahl des Bundespräsidenten festschreiben. Eine Wahl allein durch den Bundestag hätte den Bundesländern praktisch kaum Einfluss gegeben - ein Unding in einem föderal aufgebauten Land. Eine Mitbestimmung der Landesregierungen stieß aber auch auf Widerspruch.
Den Kompromiss Bundesversammlung schlug der spätere erste Bundespräsident, das liberale Ratsmitglied Theodor Heuss, vor. So entstand ein besonderes Wahlgremium in Deutschland, das nur alle fünf Jahre zur Wahl des Staatsoberhaupts neu gebildet wird.
Die Zusammensetzung
Die Bundesversammlung setzt sich zusammen "aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Zahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden". So steht es in Artikel 54, Absatz 3 des Grundgesetzes.
Die Bundesversammlung ist das größte parlamentarische Gremium Deutschlands. Die Zahl der Delegierten ist nicht konstant, weil sich die Zahl der Bundestagsmandate über die Jahre veränderte - durch Änderungen des Wahlrechts, wegen so genannter Überhangmandate und nicht zuletzt durch die deutsche Wiedervereinigung im Jahr 1990.
Die 16 Bundesländer entsenden ihre Vertreter nach dem Maß ihrer Bevölkerungszahl und entsprechend der Größe der Landtagsfraktionen. Dabei werden nicht nur Politiker nach Berlin entsandt, sondern auch Prominente aus Kultur und Sport, die den Bundespräsidenten wählen sollen.
Offiziell legt der Präsident des Bundestages jeweils das Tagungsdatum für die Bundesversammlung fest. Doch seit 1979 tagt die Bundesversammlung stets am 23. Mai. Das ist der Tag, an dem 1949 das Grundgesetz in Kraft trat und zugleich das Gründungsdatum der Bundesrepublik Deutschland.
Der Tagungsort liegt nicht formell fest. 1949 tagte man in der neuen Bundeshauptstadt Bonn, von 1954 bis 1969 im damaligen West-Berlin und dann 1974 bis 1989 wieder in Bonn.
Erst seit 1994 findet die Bundesversammlung wieder und seitdem immer im Berliner Reichstagsgebäude statt. Leiter der Versammlung ist stets der Bundestagspräsident.
Absolute und einfache Mehrheit
Die Wahl ist geheim, ihr geht ausdrücklich keine Aussprache voran. Jedes Mitglied der Bundesversammlung kann vor jedem Wahlgang Wahlvorschläge einreichen.
In den ersten beiden Wahlgängen ist zur Wahl die Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung, also die sogenannte absolute Mehrheit erforderlich.
Wird diese Mehrheit von keinem Kandidaten erreicht, kommt es zu einem dritten Wahlgang. Dann ist der Bewerber mit den meisten Stimmen gewählt - es reicht also die sogenannte einfache Mehrheit.
Wenn der Bundespräsident zurücktritt
Nach einem Rücktritt des Bundespräsidenten übernimmt sein Stellvertreter, der Präsident des Bundesrats, die Amtsgeschäfte des Staatsoberhauptes. Derzeit ist dies Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Anschließend wird ein Nachfolger nominiert. Für dessen Wahl gilt eine klare Frist. Die Bundesversammlung aus Vertretern des Bundestags und der Länder muss spätestens 30 Tage nach dem Rücktritt zusammentreten, um einen neuen Bundespräsidenten zu bestimmen.
Autor: Günther Birkenstock/Sabine Kinkartz
Redaktion: Kay-Alexander Scholz