Wie wettbewerbsfähig ist Europa?
21. Mai 2015Er wirkt klein auf der Bühne, aber seine Rede ist leidenschaftlich. Der französische Premierminister Manuel Valls ist extra nach München gereist, um vor über 200 Vertretern aus Wirtschaft und Politik für sein Land zu werben. "Es wundert Sie vielleicht, dass ich als Sozialist hier auch vor den Chefs großer deutscher Unternehmen spreche", sagt Valls mit einem verschmitzten Lächeln an die Adresse der Teilnehmer, "aber bei der Welt der Wirtschaft zu sein, heißt, sich für Wachstum und damit für Beschäftigung einzusetzen."
Valls nutzt das prominent besetzte Wirtschaftstreffen, um für den Reformkurs seines Landes zu werben. Das negative Bild, das besonders angelsächsische Medien von Frankreich malten, entspreche nicht der Wirklichkeit. Schließlich sei Frankreichs Wirtschaft im ersten Quartal dieses Jahres um 0.6 Prozent gewachsen, mehr als jede andere Volkswirtschaft in der Eurozone. Und Arbeitskämpfe und Streiks, ob bei der Bahn oder im Luftverkehr, seien ja nun schon lange kein ausschließlich französisches Problem mehr, sagt er in Richtung Deutschland.
Frankreich hat Nachholbedarf
Doch an diesem Tag soll es um die Innovationsfähigkeit Europas gehen und da hat Frankreich Nachholbedarf - ebenso wie Gesamteuropa. "Wir brauchen den TGV, den Hochgeschwindigkeitszug in die Zukunft", sagt Valls, "Wir brauchen Investitionen in erneuerbare Energien," sagt er und spricht damit das eigentliche Problem an: Europa ist nur bedingt innovationsfähig und wird zum Teil von anderen Weltregionen abgehängt.
Die harte Wirklichkeit
Ohne Innovation aber kein Wachstum, betont Hans- Werner Sinn, Chef des Münchener Ifo Instituts, Deutschlands bekanntester Ökonom. Sinn - sein Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo ist neben der BMW Stiftung einer der Gastgeber der Konferenz - argumentiert, wie könnte es anders sein, mit Zahlen: "China ist seit dem Jahr 2000 um171 Prozent gewachsen, die Welt um 47% und die Eurozone lediglich um 28%".
Erwartungen und Realität lägen weit auseinander, stellt der Wirtschaftsprofessor fest und verweist auf die Lissabon-Agenda aus dem Jahr 2000. Damals hätten sich die Europäer vorgenommen, Europa bis zum Jahr 2010 zu einem der wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsräume der Welt zu machen. Tatsächlich aber sei Europa heute weit abgeschlagen.
Innovative Projekte
Immerhin seien einige gemeinsame technische Großprojekte in Europa erfolgreich, lobte Sinn, und nennt Airbus und das Satellitensystem Galileo. "Innovationen sind der Schlüssel zum Erfolg, Innovationen und Wirtschaftswachstum sind eng miteinander verknüpft."
Positive Entwicklungen sieht der Ökonom in der Digitalisierung der Wirtschaft. Deutschland sei mit der Industrie 4.0 auf dem richtigen Weg. Beim Bau der Golf- Karosserie setze Volkswagen heute ebenso viele Roboter ein wie Menschen. Dies erhöhe die Produktivität und sichere damit Arbeitsplätze. Auch die Tatsache, dass 37 Prozent aller europäischen Patente aus Deutschland angemeldet werden, spreche für sich. Allerdings sei Europa geteilt: "Italien, Spanien und Frankreich hinken hinterher"
Ein europäischer Reformer
Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU Kommission, möchte nach vorne schauen. Er ist einer der Top-Redner am ersten Konferenztag und twittert fleißig von der Konferenz an seine über 47.000 Follower:
"Die Zukunft Europas entscheidet sich nicht in Athen", betont Dombrovskis, der bis November 2013 Premierminister Lettlands war und einen harten Reformkurs durchgesetzt hat. Er will Europas Wettbewerbsfähigkeit stärken, dazu sei eine ausreichende industrielle Basis nötig und es müsse mehr investiert werden.
Zwischen Tablet und Lederhose
Ein entscheidender Erfolgsfaktor sind Investitionen in Forschung und Bildung. Davon zeigte sich der französische Premierminister Valls ebenso überzeugt wie Wirtschaftsprofessor Sinn. "Wir müssen das europäische Projekt wieder stärken", rief Manuel Valls den Teilnehmern des Munich Economic Summit enthusiastisch zu. Dann muss er gehen. Er will sich über bayerische Innovationen zwischen "Tablet und Lederhose" informieren.