Wie steht es um die europäische Hilfe an die Ukraine?
9. Februar 2024Der deutsche BundeskanzlerOlaf Scholz ist gerade auf Stippvisite in den USA. Dabei wolle er auch das Thema Hilfen für die Ukraine ansprechen. "Es geht jetzt darum, wie Europa, aber auch die Vereinigten Staaten die Unterstützung für die Ukraine verstetigen können," erklärte Scholz vor seinem Abflug in die USA. Derzeit sei die Hilfe aus den USA und Europa nicht ausreichend, findet der deutsche Kanzler. Im Gepäck hat der Kanzler ein neues 50-Milliarden-Euro-Hilfspaket für die Ukraine.
Mit diesem Paket will die EU auch das Signal in Richtung USA schicken, dass sie ihrer Verantwortung der Ukraine gegenüber gerecht wird, erklärte Ratspräsident Charles Michel nach der Entscheidung beim letzten EU-Gipfel.
Seit Monaten bekommt der demokratische Präsident Joe Biden seine Ukrainehilfen kaum noch durch den US-Kongress. Erst am Mittwoch war eine Abstimmung im Senat über 60 Milliarden US-Dollar für Ukraine-Hilfen gescheitert. Trotz eines neuen Anlaufs bleibt es weiterhin unklar, ob und wann die Hilfen freigegeben werden können. Schon seit längerem herrscht in Europa die Sorge, dass die USA als Unterstützer der Ukraine ganz ausfallen könnten.
Die 50 Milliarden-Hilfe für die Ukraine ist nicht fürs Militär gedacht
Nach einiger Verzögerung durch die Blockadehaltung Ungarns hatten sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel auf weitere Finanzhilfen für die Ukraine geeinigt. Die 50 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen und Krediten sollen der Ukraine durch den Zeitraum von 2024 bis 2027 helfen.
Dieses Geld sei aber vor allem für zivile Hilfe gedacht, sagt Bruno Lété im Gespräch mit der DW. Also etwa, um die Löhne von Lehrern oder die Verwaltung zu zahlen, führt der Gastprofessor für Transatlantische Beziehungen am Europakolleg in Brügge aus. Bei den Geldern aus den USA handele es sich aber vor allem um militärische Hilfe und Waffen.
Militärische Hilfe durch EU-Staaten
Auch wenn die EU-Länder bei den zugesagten Militärhilfen aufholen, seien die USA mit 44 Milliarden Euro nach wie vor der größte Geldgeber, meldete das Kieler Institut für Weltwirtschaft am 7. Dezember auf seiner Website. Der EU-Außenbeauftrage Josep Borrell sagte Ende Januar, die EU und ihre Mitgliedstaaten hätten bislang insgesamt 28 Milliarden Euro an Militärhilfe geleistet.
Für die Ukraine sei die Hilfe aus den USA lebenswichtig, sagt Lété. Auch Camille Grand vom European Council on Foreign Relations konstatiert, weniger Hilfen aus den USA könnten für die EU zum Problem werden. Europa insgesamt habe zwar bei der militärischen Hilfe aufgeholt, sagt der ehemalige stellvertretende Generalsekretär für Verteidigungsinvestitionen bei der NATO; es könne aber immer noch nicht Vergleichbares leisten wie die USA bisher.
Wollen die Europäer nicht mehr geben?
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat in den letzten Wochen mehrfach deutlich gemacht, dass nicht alle EU-Mitliedstaaten genug tun würden, was die militärische Hilfe für die Ukraine angehe. Beim EU-Gipfel letzte Woche habe er dies auch mit seinen Amtskollegen besprochen, sagte Scholz nach dem Treffen zur Presse.
Das Thema der Militärhilfen beschäftigt auch die EU-Institutionen. Im Vorfeld des Treffens habe es eine Abfrage des Europäischen Auswärtigen Dienstes gegeben. Dabei hätten von den 27 Mitgliedstaaten rund 20 geantwortet, von diesen hätten 13 konkrete Zahlen genannt, sagte ein EU-Botschafter gegenüber der DW. Am Vorabend des EU-Gipfels sprach der Außenbeauftragte Josep Borrell von bisher eingegangenen Zusagen in Höhe von 21 Milliarden Euro für das Jahr 2024. Zum Vergleich: bei den derzeit blockierten US-Hilfen geht es um knapp 56 Milliarden Euro.
Vor allem zu Beginn des Angriffs Russlands in der Ukraine hätten einige nordeuropäische Staaten viel geliefert, während der Rest Europas noch hinterherhinkte, sagt Camille Grand. Derzeit würde Deutschland aufholen, während andere Staaten mit ihren Zusagen tatsächlich etwas hinterherblieben - so etwa Frankreich.
Auch verstehe nicht jeder der 27 Mitgliedstaaten in der europäischen Union dasselbe unter Hilfe, sagt Bruno Lété im Gespräch mit der DW. So seien etwa viele osteuropäische Länder, insbesondere die Balten, der Meinung, man solle der Ukraine alles geben, um zu gewinnen, wohingegen andere Staaten nur ausreichend Mittel zur Selbstverteidigung zur Verfügung stellen wollen.
Oder können Sie nicht?
Bruno Lété ist allerdings skeptisch, ob die Europäer ein Ausbleiben amerikanischer Gelder überhaupt auffangen könnten. Er meint, dass es Europa insbesondere an den notwendigen militärischen Mitteln fehle und die Industrie auch nicht in der Lage wäre, diese zu produzieren.
Auch Grand gibt zu bedenken, dass die EU zu lange brauche, um Entscheidungen herbeizuführen und um Verträge abzuschließen. Das sei beispielsweise der Grund weshalb die Million Schuss Artilleriemunition, die die EU der Ukraine bis März versprochen hatte, nicht rechtzeitig geliefert werden könne. Zwar sei Besserung in Sicht, dennoch seien die Produktionsmengen der europäischen Rüstungsindustrie in einigen Bereichen weiterhin zu gering.
In der Pressekonferenz nach dem EU-Gipfel kündigte Ursula von der Leyen nach dem letzten EU-Gipfel an, dass bis Ende März zumindest 520.000 Artilleriegranaten an die Ukrainer geschickt werden. Gleichzeitig kündigte die Kommissionspräsidentin eine Strategie für die Verteidigungsindustrie an, welche zu einer besseren Koordinierung auf europäischer Ebene führen soll.