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Wie stark ist sie noch?

23. Februar 2014

Nach dem Umsturz in der Ukraine strebt die Oppositionsikone immer mehr Macht an. Das Parlament ernannte ihren Vertrauten Turtschinow zum Übergangspräsidenten. Regierungschefin will Timoschenko aber nicht (mehr) werden.

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Die ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko am 22. Feb. 2014 auf dem Maidan (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Neuordnung in der Ukraine

Olexander Turtschinow soll so lange Übergangsstaatschef bleiben, bis aus den vorgezogenen Wahlen am 25. Mai ein neuer Präsident der Ukraine hervorgegangen ist. Turtschinow rief die Abgeordneten auf, sich bis Dienstag auf eine Regierung der nationalen Einheit zu einigen.

Die Zeit drängt, da die Ukraine kurz vor dem Staatsbankrott steht. Dies bekräftigte Turtschinow in einer Rede zur Lage der Nation. "Die Ukraine ist dabei, in den Abgrund zu rutschen, sie befindet sich am Rande einer Zahlungsunfähigkeit", so Turtschinow. Er machte den gestürzten Präsident Viktor Janukowitsch und dessen Regierungschef Mykola Asarow für die desolate Lage verantwortlich. Diese hätten "das Land ruiniert". Tatsächlich hat die Ukraine ohne Unterstützung von außen keine Chance: Das Land ist hoch verschuldet und wirtschaftlich und in der Gasversorgung völlig von Russland abhängig.

Jazenjuk und Poroschenko aussichtsreiche Kandidaten

Die frühere Gas-Magnatin Julia Timoschenko gilt als charismatische Persönlichkeit, die die sehr unterschiedlichen Strömungen der Opposition einen könnte. Allerdings war sie bei ihrem ersten Auftritt auf dem Maidan nach ihrer Freilassung am Samstagabend auch mit Pfiffen empfangen worden. Inzwischen kündigte sie an, nicht für das Amt der Regierungschefin kandidieren zu wollen. Damit hält sich die 53-Jährige die Möglichkeit offen, bei der Präsidentschaftswahl anzutreten. Als aussichtsreiche Ministerpräsidenten-Kandidaten gelten der frühere Außenminister Arseni Jazenjuk und der milliardenschwere Süßwaren-Unternehmer Petro Poroschenko.

Übergangspräsident Turtschinow (r.) und Oppositionsführer Jazenjuk im Parlament in Kiew (Foto: Reuters)
Übergangspräsident Turtschinow (r.) und Oppositionsführer Jazenjuk im Parlament in KiewBild: Reuters

In Kiew begann unterdessen die juristische Aufarbeitung der Gewalt auf dem Maidan. Innenminister Arsen Awakow leitete laut Interfax Ermittlungen gegen 30 Beamte seines Ressorts wegen des Verdachts auf Machtmissbrauch ein. Parlamentsbeauftragte kündigten juristische Schritte gegen Mitglieder der alten Regierung und die Verantwortlichen für den Scharfschützeneinsatz auf dem Maidan an. Der neue Übergangschef des staatlichen Sicherheitsdienstes sagte, er werde mit den Vertretern des Maidan zusammenarbeiten, um die Mörder und ihre Auftraggeber zu stellen. Auf dem Platz im Stadtzentrum waren vergangene Woche bei bürgerkriegsähnlichen Kämpfen mindestens 77 Menschen getötet worden.

Ex-Staatschef von eigener Partei verdammt

Janukowitschs Partei der Regionen sagte sich von dem geschassten Staatschef los. Dieser und seine Vertrauten seien "verantwortlich für die tragischen Ereignisse" im Land und hätten Verrat begangen, hieß es in einer Erklärung. Die Partei warf ihm "kriminelle Handlungen" vor. Janukowitsch und andere hätten die Ukrainer gegeneinander aufgehetzt.

Neuordnung in der Ukraine

Es gab aber auch Demonstrationen gegen die Absetzung von Janukowitsch: In Sewastopol auf der Halbinsel Krim gingen etwa 2000 russlandtreue Ukrainer gegen die Oppositionellen in Kiew auf die Straße. In der Nacht zu Sonntag gab es in Charkow, einer Hochburg des Ex-Präsidenten, Krawalle.

"Tag der offenen Tür" in Janukowitsch-Villa

Der ukrainische Grenzschutz stoppte nach eigenen Angaben ein Flugzeug mit Janukowitsch an Bord kurz vor dem Abflug. Janukowitsch habe - begleitet von bewaffneten Sicherheitsleuten - ohne die übliche Grenzabfertigung von der Stadt Donezk aus fortfliegen wollen. Das sagte ein Sprecher des Grenzschutzes der Agentur Interfax zufolge. Unklar ist, wohin der Staatschef reisen wollte.

Unterdessen hat sich zu Janukowitschs Luxusresidenz "Meschinguirja" nahe Kiew ein regelrechter Besucherstrom aufgemacht. In der Villa ist seit dem Umsturz quasi "Tag der offenen Tür". Wachleute ermahnen die Besucher, sie sollten den Rasen nicht betreten - und versuchen auch, Plünderungen zu verhindern. Am Zaun der Villa hängt ein Schild: "Besucher, zerstört nicht die Beweise der Arroganz der Diebe."

Der Maidan am 23. Februar 2014 (Foto: Reuters)
Der Maidan - er bleibt auch nach dem Umsturz das politische Herz der UkraineBild: Reuters

Auch am Sonntag harrten Zehntausende Menschen auf dem Maidan aus. "Wir werden bis zum Schluss hierbleiben, bis es einen neuen Präsidenten gibt", kündigte der 23-jährige Bohdan Sachartschenko an. Vitali Servin sagte, die Demonstranten würden eine Spaltung ihres Landes nicht zulassen. Die Massenproteste auf dem Maidan hatten Ende vergangenen Jahres begonnen, als Janukowitsch sich von der EU abwandte, um sein Land näher an Russland anzubinden. Er begründete dies mit der Abhängigkeit unter anderem von billigeren Gaslieferungen aus Russland.

sti/nem (afp, rtr, dpa)