Wie umgehen mit Pegida?
16. Dezember 2014Neun Wochen nach Beginn der Pegida-Bewegung, den montäglichen Demonstrationen in Dresden gegen eine vermeintliche Islamisierung, kommt im politischen Berlin nun der öffentliche Kampf gegen das Phänomen in die Gänge. Zumindest hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Dienstag (16.12.2014) damit begonnen und für eine sachliche Auseinandersetzung mit den mitlaufenden Demonstranten plädiert. Bei einem Symposium über "Grenzen im politischen Meinungskampf" in Berlin fragte der CDU-Politiker stellvertretend, welche Sorgen die Demonstranten wohl hätten. "Ist die Belastung durch die Rekordzahl an Flüchtlingen zu hoch? Was, wenn jetzt jedes Jahr 200.000 nach Deutschland kommen? Wie ist ihr Gesundheitszustand? Ist die Kriminalität unter ihnen höher? Gibt es Islamisten?" Diese Fragen zu stellen, sei legitim und verständlich, unterstrich de Maizière, und sie brauchten klare Antworten, die er sogleich gab.
Natürlich werde jeder Asylbewerber anständig untergebracht, natürlich seien 200.000 Bewerber im Jahr zu stemmen; alle würden gesundheitlich gecheckt. Es gebe keine wirkliche Gefahr der Islamisierung bei vielen Millionen Muslimen, die "Steuern zahlen, gute Nachbarn sind und für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft jubeln". "Aber ja, wir haben eine erhöhte Ausländerkriminalität", berichtete der Bundesinnenminister. Und man muss das sagen dürfen, ohne in den Verdacht zu geraten, Pegida nach dem Mund reden zu wollen. Damit regierte de Maiziere wohl auch auf die Aussage von Grünen-Parteichef Cem Özdemir, der die CDU aufgefordert hatte, "sich von denen ohne Wenn und Aber zu distanzieren und ihnen nicht nach dem Mund zu reden".
Justizminister Maas: "Kein Verständnis"
"Du bist ein Rassist - Punkt" - das könne keine Antwort sein auf die Sorgen der Demonstranten, betonte de Maiziere, weil dieses "Totschlagargument" die Demonstranten nicht überzeugen werde. Zugleich aber machte De Maiziere deutlich, keinesfalls auf die Organisatoren und Hintermänner von Pegida zugehen zu wollen, von denen viele wohl dem Rechtsextremismus zuzuordnen sind. Er unterschied sie von den mitlaufenden "Menschen, die Sorgen haben".
Für einen weniger differenzierten Umgang mit Pegida sprach sich der ebenfalls anwesende SPD-Bundesjustizminister Heiko Maas aus. Er habe "kein Verständnis für die Verführer und auch nicht für die, die sich verführen lassen", sagte Maas auch noch einmal in einem kurzen DW-Interview vor Ort. Maas hatte zuvor mit seiner Äußerung, dass Pegida "eine Schande für Deutschland" sei, Kritik von der CSU, der bayerischen Schwesterpartei der CDU, auf sich gezogen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nannte das eine "ungeheure Verunglimpfung".
Politischer Druck entstanden
Bis vor kurzem hatte man im politischen Berlin den Eindruck, hier wolle man das "Problem Pegida" nicht "hochreden", also unnötig aufwerten. Stattdessen war Totalkritik zu hören. Bundespräsident Joachim Gauck bezeichnete die Demonstranten als "Chaoten". SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi beschrieb Pegida als "Gift für das politische Klima im Land". Kanzlerin Angela Merkel verurteilte Pegida - in Deutschland sei "kein Platz für Hetze und Verleumdung".
Doch die stetig steigende Zahl von Demonstranten, zuletzt 15.000, ähnliche Demonstrationen in anderen Städten und das zunehmende Interesse der Medien haben den politischen Druck steigen lassen. Schon haben die Pegida-Betreiber für den Montag vor Heiligabend eine Demonstration mit Kerzen und Weihnachtsliedern angekündigt. Diese Bilder werden so gar nicht in die vorweihnachtliche Beschaulichkeit in Deutschland passen. Und sie passen auch nicht in das Bild von einem modernen Einwanderungsland, das viele Politiker zeichnen wollen.
Linke schlägt Aufklärungsoffensive vor
Ein wenig geht es auch schon um Schadensbegrenzung. So sagte die CSU-Chefin im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, in Berlin: Sie wünsche sich eine "geschlossene Betrachtungsweise aller demokratischen Parteien ohne gegenseitige Schuldzuweisungen". Alle seien in der "Verantwortung, sachgerecht damit umzugehen". Heißt: Pegida soll nicht noch zu weiterem parteipolitischem Gestänkere führen. Das ist die Sache nun wohl wirklich nicht wert.
Doch von konkreten Maßnahmen gegen Pegida will auch die CSU nichts wissen. Einzig die Linken wollen schon agieren - und nicht nur reagieren: Der Linken-Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, rief zu einer "Aufklärungsoffensive" auf. Es gebe schließlich eine gemeinsame Verantwortung aller demokratischen Parteien, der Medien, Kirchen, religiösen Gemeinschaften und Gewerkschaften.
Was macht die AfD?
Doch der große Unbekannte im Spiel ist die "Alternative für Deutschland". Schlägt sich die AfD auf die Seite der Demonstranten? Es gibt Anzeichen dafür, wenngleich die Parteiführung immer darauf achtet, sich nicht zu deutlich rechtsextremen Positionen zuzuwenden, um nicht die bürgerlichen Wählergruppen zu verschrecken. Die sächsische AfD beteiligt sich seit Wochen an den Demonstrationen. Der brandenburgische AfD-Chef Alexander Gauland fuhr am Montag nach Dresden, um zwar noch nicht mit zu marschieren, sich aber einen Eindruck zu verschaffen. Und der sei "gut", wie er danach berichtete. AfD-Chef Bernd Lucke hatte auf seinem Facebook-Account Sympathien mit den Pegida-Positionen geäußert, das dann aber wieder zurückgenommen. Noch also outet sich die AfD nicht als politischer Arm der Pegida-Bewegung. Da die Umfragewerte für die Partei zuletzt gesunken sind, ist eine Allianz aber nicht ausgeschlossen.
Udo Di Fabio, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, warb in Berlin im Beisein der beiden Minister Maas und de Maiziere für eine harte sachliche Auseinandersetzung mit Pegida. Man müsse Andersdenkende und wahrgenommene Dummheiten auch aushalten können. Eine offene Gesellschaft gehe auf die Menschen zu und mache im Dialog Grenzen deutlich. Sprechzettel als Reaktion auf Tabus würden nur Abwehrreaktionen provozieren, die dann nicht bürgerlich, sondern dumpf ausfielen