Wie sich Afrika gegen das Coronavirus wappnet
28. Januar 2020Angesichts immer neuer bestätigter Krankheitsfälle wächst die Angst vor dem Coronavirus - weltweit. Zwar hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch keinen internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Regierungen von den USA bis Großbritannien versuchen trotzdem, ihre Staatsbürger aus der Krisenregion um die chinesische Stadt Wuhan zu evakuieren. Die chinesischen Behörden haben die Gegend inzwischen abgeriegelt.
Besonders ernst ist die Lage für knapp 5000 Afrikaner, die in der Stadt studieren. Doch sie machen sich keine Hoffnungen auf eine baldige Ausreise. Zu groß scheint die Angst der afrikanischen Behörden, dass einzelne Infizierte nach der Rückkehr eine Epidemie lostreten könnten.
Afrikaner in Wuhan: 'Wir sind eine Familie'
Südafrikanische Studierende bekamen etwa von der Botschaft in Peking zu hören, dass sie den Anweisungen ihrer chinesischen Universitäten unbedingt Folge leisten sollten. Ohne Erlaubnis die Stadt oder gar das Land zu verlassen, könne demnach "weitreichende Folgen" haben.
"Es ist, als säße ich in einer Gefängniszelle", zitiert die Nachrichtenagentur AP den Tansanier Hilal Kizwi, Doktorand am Tongji Medical College in Wuhan. Die tansanische Botschaft hätte ihm und Mitstudierenden zwar versichert, es würde an einer Evakuierung gearbeitet. "Aber damit rechne ich nicht ", sagt Kizwi.
Gemeinsam mit anderen tansanischen Medizinern in Wuhan hat er eine Art Selbsthilfegruppe für afrikanische Studierende gegründet. Über die sozialen Medien veröffentlicht die Gruppe Gesundheitstipps und Updates zur Lage in der Stadt – auf Kisuaheli. Damit wollen sie ihren eingeschlossenen Kommilitonen Mut machen. "Wir sind eine Familie", tweeteten die Studierenden etwa am Dienstag.
Denn für viele Studenten ist die Lage ernst. "Viele Läden sind geschlossen. Die Supermärkte auf den Universitätsgeländen dürfen nur für einige Stunden öffnen. Doch viele Dinge sind ausverkauft und die Preise für andere Waren steigen," klagt Khamis Hassan Bakari, ein Student aus Tansania, im DW-Interview.
Unterdessen haben die DW unbestätigte Berichte erreicht, wonach die Lebensmittelversorgung für einige afrikanische Studierende in Wuhan nicht mehr gewährleistet sei. Demnach würden sich manche Botschaften zwar bemühen, ihre Staatsbürger in der Quarantäne-Provinz Hubei mit dem Nötigsten zu versorgen. Andere kümmerten sich dagegen gar nicht
Erste Verdachtsfälle in Afrika
Auch in Afrika ist die Lage angespannt. Offizielle Berichte über erste Verdachtsfälle des neuartigen Coronavirus vom Typ 2019-nCoV machten bereits am Dienstag die Runde. So meldete das Gesundheitsministerium der Elfenbeinküste, dass eine aus China zurückgekehrte Studentin möglicherweise mit dem Virus infiziert sein könnte. In der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba ließen die Behörden am Mittwoch vier Studierende unter Quarantäne stellen. Zwei von ihnen waren zuvor mit grippeähnlichen Symptomen aus Wuhan eingereist. . Auch in Kenia gab es am Mittwoch einen ersten Verdachtsfall.
Für John Nkengasongo von der Seuchenschutzbehörde der Afrikanischen Union ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine Infektion in Afrika bestätigt wird. "Wir brauchen nicht so tun, als wären wir der glückliche Kontinent, der verschont bleibt, während aus aller Welt bestätigte Fälle gemeldet werden", sagte Nkengasongo am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Addis Abeba. Es komme nun darauf an, dass die Kontrollmechanismen auf dem Kontinent greifen müssten.
Aber: "Die Überwachungssysteme sind nur so gut wie die Gesundheitssysteme der Mitgliedsstaaten", warnt Nkengasongo. Die Bemühungen der letzten Jahre, die Schutzmechanismen auch in den schwächeren Mitgliedsstaaten auszubauen, stünden nun auf dem Prüfstand.
Von der Ebola-Epidemie gelernt?
Dabei könnten einigen Ländern die Erfahrungen mit einem anderen gefährlichen Virus zugutekommen: Während des Ebola-Ausbruchs in Westafrika von 2014 bis 2016, der mehr als 10.000 Todesopfer forderte, entwickelten mehrere Länder Frühwarnsysteme – so etwa auch die Elfenbeinküste . "Wir haben dieselben Systeme aktiviert, die wir auch damals verwendet haben", sagt Joseph Benié Bi Vroh, Direktor des staatlichen Instituts für öffentliche Hygiene in Abidjan. Schon jetzt seien etwa am internationalen Flughafen des Landes in Abidjan Wärmebildkameras installiert, die alle ankommenden Passagiere auf Fieber kontrollieren würden. "Dank unserer Erfahrungen mit Ebola sind wir gut vorbereitet", so Beniè Bi Vroh im DW-Interview.
Auch in Nigeria, mit etwa 200 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas, stehen die Flughäfen im Mittelpunkt der Virusabwehr. "Im Moment führen wir eine visuelle Kontrolle durch, um Passagiere mit Krankheitssymptomen zu finden", sagt Henrieta Yakuku von der nationalen Flughafenbehörde. Doch manchem im Land reicht das nicht: "Ich wünsche mir von der Regierung, dass sie genau so viel Einsatz zeigt wie damals, als das Ebolavirus eingedämmt wurde", fordert etwa eine Passantin in der Hauptstadt Abuja.
Doch das Coronavirus ist nicht Ebola, das weiß auch Seuchenschützer John Nkengasongo. Aktuell bemühe sich seine Behörde gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation und chinesischen Regierungsexperten, alle Mitgliedsstaaten der AU mit den passenden Diagnose-Sets auszustatten. Denn noch kann das Virus in vielen afrikanischen Ländern gar nicht zweifelsfrei diagnostiziert werden - das äthiopische Gesundheitsministerium musste die Blutproben der vier Verdachtsfälle erst mal nach Südafrika schicken. Im Falle eines größeren Ausbruchs könnte dadurch wertvolle Zeit verstreichen.
Mit Material von ARD und AP. Mitarbeit: Nafissa Amadou
Dieser Artikel wurde am 28. Januar veröffentlicht und am 29. Januar aktualisiert.