Wie schafft Deutschland die Verkehrswende?
28. März 2017Mit dem Pariser Klimaabkommen einigte sich die Weltgemeinschaft auf den Ausstieg aus den fossilen Energien bis zur Mitte des Jahrhunderts, um so die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu halten.
Während die Stromversorgung mit erneuerbaren Energien weltweit einen Boom erlebt und so fossile Energien zunehmend ersetzt werden, ist der Ersatz von Öl im Verkehr zwar möglich, aber eine viel größere Herausforderung.
Umwelt- und Verkehrsexperten veröffentlichten jetzt ein umfassendes Thesenpapier für eine Verkehrswende in Deutschland. Sie zeigen auf, wie bis zur Mitte dieses Jahrhunderts der Verkehr weitestgehend klimaneutral werden kann, ohne auf Mobilität zu verzichten.
Erstellt wurde das 100-seitige Dokument von dem Berliner Think Tank "Agora Verkehrswende". Dabei griff das Team unter dem beratenden Vorsitz von Achim Steiner, dem ehemaligen Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), auf Expertise aus Wirtschaft, Wissenschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaft und Politik zurück.
Klimaziele im Verkehr verpasst
Während Deutschland beim Umbau zu einer klimafreundlichen Stromversorgung in den letzten Jahren Fortschritte erzielt hat, wurde die angestrebte Verkehrswende bisher verpasst. Im Vergleich zu 1990 verbraucht der nationale Schiffs-, Zug- und Straßenverkehr inzwischen rund zehn Prozent mehr Energie und konnte somit die CO2-Emissionen auch nicht senken.
Bis 2030 will die Bundesregierung nun den CO2-Ausstoß im Vergleich zu heute um über 40 Prozent reduzieren. Als wichtigstes Reformvorhaben empfiehlt der Think Tank nun ein Verkehrswendekonzept. "Die Politik ist jetzt gefordert, die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen", betont Christian Hochfeld, Direktor der "Agora Verkehrswende" bei der Vorstellung der Thesen.
Dazu gehöre zum Beispiel, ambitionierte CO2-Standards für Fahrzeuge und Kraftstoffe auf europäischer Ebene festzulegen. Auf nationaler Ebene müsse ein kohärentes Steuersystem geschaffen werden, dass konsequent die Anschaffung und Nutzung emissionsarmer oder sogar -freier Fahrzeuge und Kraftstoffe fördert. Außerdem müssten die Kommunen mehr Möglichkeiten bekommen, selbst etwas dafür zu tun.
Chancen für neue Mobilität
Das Grundsatzpapier will "Karte und Kompass" für eine Verkehrswende sein und die Diskussion für eine zukunftsweisende Mobilität nicht nur in Deutschland anregen. Das Vorhaben sei weit mehr als eine Wende vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität. Erfolg werde es nur haben, wenn die Energienachfrage des Verkehrs deutlich reduziert werde.
Der verbleibende Bedarf müsse mit klimaneutralen Energien vor allem aus Sonne und Windstrom gedeckt werden: "Was wir Mobilitätswende nennen, ist die Vermeidung, Verlagerung und Verbesserung von Verkehr. Auch Verhaltensänderungen sind nötig, um den Energiebedarf so weit zu reduzieren, dass wir den Restenergiebedarf des Verkehrs durch Erneuerbare abdecken können", erklärt Hochfeld.
Nach Ansicht von Agora ist die Mobilität von morgen intelligenter, sparsamer, und Fahrzeuge werden mehr gemeinschaftlich genutzt. Große PKW, in denen nur eine Person fährt, seien nicht effizient, würden die Städte verstopfen und dort die Lebensqualität senken.
Stattdessen sollte es mehr öffentlichen Verkehr geben, mehr kleinere Fahrzeuge und diese sollten auch geteilt werden - "weniger private Autos schaffen wertvollen öffentlichen Raum", lautet ein Fazit.
Hilfreich sei hierbei auch die Digitalisierung der Mobilität. "Das Smartphone ist der Schlüssel für vernetzte Mobilität", lautet eine These. "Mit dem Smartphone kann der einzelne Verkehrsteilnehmer schnell und spontan auf eine breite Vielfalt an Mobilitäts-Dienstleistungen zugreifen", ob auf Carsharing-Fahrzeuge, Elektrobike, Bus und Bahn. Ein eigenes Fahrzeug würde somit nicht mehr gebraucht.
Mehr Lebensqualität
Um den CO2-Ausstoß deutlich zu senken, empfehlen die Experten auch die Verlagerung von möglichst viel Güterverkehr auf die Schiene. Nach Angaben des Umweltbundesamtes braucht der Transport von Gütern auf der Schiene im Vergleich zum LKW nur etwa ein Fünftel der Energie pro Tonne Fracht und verursacht so entsprechend weniger Treibhausgasemissionen.
Insgesamt bringe nach Ansicht der Experten eine Verkehrswende aber auch einen Mehrwert über den Klimaschutz hinaus: Weniger und umweltschonender Verkehr bedeute zugleich bessere Luft, weniger Lärm, weniger Stress und somit mehr Gesundheitsschutz und bessere Lebensqualität.